Wer sich im 19. Jahrhundert entschloss, seine Heimat in der alten Welt zu verlassen, tat dies meist in der Hoffnung, der Armut zu entkommen und sich in Übersee eine sichere Existenz aufbauen zu können. Bei den Herren Wolleb, Wetzel und Heinemann spielte offenbar auch Abenteuerlust eine wichtige Rolle. Anstatt in der Schweiz in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten, versuchten sie zusammen mit ihrem Neuenburger Landsmann François L’Hardy, in Kalifornien ihr Glück als Goldgräber zu machen.
Gottlieb von Rütte, der die vier Schweizer Anfang des Jahres 1850 in den Goldfeldern von Mormon Island bei Sacramento traf, schrieb über sie in seinen Erinnerungen an jene Tage: «Bevor sie nach Kalifornien gekommen waren, hatte keiner von ihnen je einen Pickel oder eine Schaufel in der Hand gehalten. L’Hardy, von Beruf Uhrmacher, hatte bisher nur gelernt, mit dem delikaten Räderwerk einer Uhr umzugehen; Heinemann, Arzt, kannte als einziges Werkzeug die Lanzette; Wetzel, früherer kaufmännischer Angestellter, hatte ausschliesslich mit Feder und Kratzeisen gearbeitet, und Wolleb schliesslich, Pastorensohn, war zu höheren Studien erzogen worden.»
Mit Schaufel und Pickel
Die vier waren seit fünf Monaten daran, einen Kanal zu graben, mit dem ein Flussbett «auf einer Länge von 200 bis 300 Fuss» trockengelegt werden sollte. Als von Rütte sie besuchte, «blieb ihnen nur noch, einen Fels zu sprengen und einige Kubikfuss Erde wegzuschaffen».
Wie die vier Goldsucher war auch Gottlieb von Rütte der Goldfunde wegen nach Kalifornien gereist – allerdings nicht, um in den Minen zu arbeiten.
Der junge Kaufmann, 1826 als Sohn eines Pfarrers geboren und am Bielersee aufgewachsen, war 1846 nach Rio de Janeiro ausgewandert, wo er eine Anstellung beim Schweizer Handelshaus Andrié, Kuenzi & Cie. fand. Als Gottlieb von Rütte vom Goldrausch hörte, überzeugte er seinen Arbeitgeber davon, ihn mit einer Schiffsladung Waren nach Kalifornien zu senden und ihn dort ein Tochterunternehmen eröffnen zu lassen. Die Rechnung ging auf. Nach sechsmonatiger Fahrt traf von Rütte im Oktober 1849 in San Francisco ein, Ende Jahr waren die mitgebrachten Waren weitgehend verkauft.
«Eigenthum der Republik»
Die Scharen von Glückssuchern stimulierten die Nachfrage, führten aber auch zu chaotischen Verhältnissen. Dies umso mehr, als die USA Kalifornien eben erst Mexiko entrissen hatten und US-amerikanische Behörden erst allmählich entstanden. Die US-Regierung im fernen Washington hätte die Situation gerne mit einem Zuwanderungsstopp in den Griff bekommen.
So ist in einem Artikel der in Liestal erscheinenden Zeitung «Der Landschäftler» vom 3. April 1849 zu lesen: «Die Regierung der Vereinigten Staaten hat beschlossen, dass alle Fremden, d.h. alle diejenigen, welche nicht Bürger der Vereinigten Staaten sind, von dem Goldland Kalifornien, als einem Eigenthum der Republik, zurückgewiesen werden sollen. General Smith sei von Washington abgereist, um diesen Befehl in Vollzug zu setzen; somit hätte das Goldfieber ein Ende.»
Ein Honorarkonsul solls richten
Nichtsdestotrotz scheint man in Kreisen der US-Regierung nicht mit einer raschen Beruhigung der Lage gerechnet zu haben. So wurde im Mai 1849 von amerikanischer Seite denn auch die Schaffung eines Schweizer Honorarkonsulats in San Francisco angeregt. Dies sei notwendig, wie der amerikanische Konsul bemerkte, da «in letzter Zeit viele Schweizer Bürger aus den Vereinigten Staaten» nach Kalifornien gegangen seien, «sowie verschiedene direct aus der Schweiz. Diese Leute haben keinen Schutz, nicht einmal ein sicheres Local, um das von ihnen gefundene Gold aufzubewahren.»
Der Bundesrat nahm die Anregung auf und hätte das unbezahlte Ehrenamt gerne Johann August Sutter übergeben. Sutter winkte aber ab und schlug dem Bundesrat Gottlieb von Rütte vor. Dieser versah das Amt von 1851 bis zum Sommer 1854.
Im März 1856 verliess von Rütte Kalifornien für immer. Zurück in Europa, gründete er eine Familie und liess sich als Kaufmann in Bordeaux nieder. Seinen Lebensabend verbrachte er in der Schweiz, wo er 1885 in Chardonne (VD) starb.
Was aus den vier Goldgräbern wurde, die er seinerzeit bei seinem Besuch der Goldfelder getroffen hatte, ist nicht bekannt.
Bernard R. Bachmann (Hrsg.): «Abenteuer Goldrausch. Erinnerungen von Théophile de Rutté (1826–1885)», Zürich 2008.