Schweizer Tatort seziert

Im zweiten Schweizer Tatort ermitteln Kommissar Flückiger und seine neue Kollegin Liz Ritschard, nachdem der leitende Arzt einer Luzerner Kinderklinik mit einem Skalpell im Hals tot aufgefunden wurde. Die TagesWoche hat den Tatort mit der Twittergemeinde seziert.

Deutlich stärker als der erste Luzerner Tatort: «Skalpell», bei dem Anna Schinz (Mitte) Stefan Gubser und Delia Mayer schauspielerisch übertrumpft. (Bild: zvg)

Im zweiten Schweizer Tatort ermitteln Kommissar Flückiger und seine neue Kollegin Liz Ritschard, nachdem der leitende Arzt einer Luzerner Kinderklinik mit einem Skalpell im Hals tot aufgefunden wurde. Die TagesWoche hat den Tatort mit der Twittergemeinde seziert.

Die Kritiker sind gespalten, was den zweiten Schweizer Tatort betrifft: Die Süddeutsche etwa meint «Ein großes Thema, aber die Schweizer kriegen es nicht in den Griff.» Spiegel Online hingegen findet: «Ein starkes Stück, das die Schweizer zurück ins Tatort-Spiel bringt.» Aus unserer Sicht steht der zweite Tatort aus Luzern für eine beachtliche Steigerung verglichen mit dem über weite Strecken peinlichen Debüt, bei dem aus nicht nachvollziehbaren Gründen eine US-amerikanische CSI-Kommissarin mitwirkte – und unter anderem dazu beitrug, dass der Krimi unfreiwillige provinziell wirkte.

Für «Skalpell» hat Reto Flückiger (Stefan Gubser) eine neue Kollegin erhalten: Liz Ritschard, gespielt von der Zürcher Sängerin und Schauspielerin Delia Mayer. Diese wirkte weniger überdreht und daher glaubwürdiger. So richtig warm wurde man aber noch nicht mit ihr, sie wirkte in jeglichem Sinne leicht blass – wohl auch, weil die Autoren ihr noch zu wenig Charaktereigenschaften zugeschrieben haben. Das neue Schweizer Duo beschnuppert sich vorerst ganz sacht – und wir sagen mal wohlwollend, dass diese Figuren noch grosses Entwicklungspotenzial haben.

Schillers Tell? Nein! Schillerndes Skalpell!

Die Story: Guter Durchschnitt. Der Kinderchirurg Lanther wird bei einem karitativen Spendenlauf im Wald ermordet, ein Skalpell als Tatwaffe gesichert. (Wer sich den Film noch anschauen will, lese jetzt nicht mehr weiter, sondern schaue ihn sich hier in der Mediathek von SRF an.) Die Ermittler stellen fest, dass der Arzt zahlreiche intersexuelle Kleinkinder einem Geschlecht zugewiesen und operiert hat. Sehr früh. Zu früh, wie Flückiger und Ritschard bei ihren Ermittlungen feststellen. Die Anzahl Tatverdächtiger nimmt zu, ein Todesfall stellt sie vor weitere Rätsel: Eine jugendliche Patientin wird blutüberströmt in der Badewanne aufgefunden. Die Schwester einer Polizei-Kollegin, die nun selbst tatverdächtig wird (stark gespielt von Anna Schinz). Auch hier im Spiel: ein Skalpell.

Am Ende stellt sich heraus, dass das unglückliche intersexuelle Mädchen Selbstmord begangen hat. Und dass der Kinderchirurg Lanther mit Hilfe einer Armbrust getötet wurde. Kein schillerscher Tell zwar, aber immerhin ein schillerndes Skalpell. Ein Klischee zum «vergesslen», könnte man kalauern. Originell war sie ja die Tatwaffe. Aber die Mehrheit der #Tatort-Fans kommentierte sie mit hämischen, humorvollen Worten:

Noch ein Vergleich gefällig? Voilà:

Eigenartig unschweizerisch mutete hingegen die eigenwillige Entscheidung von Kommissar Reto Flückiger an, ein minderjähriges Kind, das intersexuell geboren und später operiert worden war, in der U-Haft über seine Intersexualität in Kenntnis zu setzen und ihm zudem noch seine Krankenakte auf den Tisch zu legen.

Was Ausstattung und Location angeht, so wurde Luzern einige Male ins beste Licht gerückt. Die Kapellbrücke hier, die Alpen dort im Hintergrund. Da reibt sich der Tourismusdirektor die Hände. Immerhin anzurechnen: Nicht zu viel und nicht zu wenig Idylle, die da fotografisch festgehalten wurde. Gut so. Und dass einige Oldtimer durch die Stadt kurvten, gefiel ebenso wie die überzeugenden Nebendarsteller, die Gubser/Mayer gar ein bisschen die Show stahlen, namentlich die bereits erwähnte Anna Schinz sowie weitere junge Schauspielerinnen, die in die Rollen der intersexuellen Jugendlichen schlüpften.

Für unsere deutschen Freunde, die den Schweizer Tatort auf ARD sahen, gab es allerdings wie beim ersten Tatort ein riesiges Ärgernis: Die miserable Synchronisation.

Andere nahmen die dürftige Synchronisation mit Humor:

Die ARD sollte sich das zu Herzen nehmen und sich überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, den Schweizer Tatort künftig mit schriftdeutschen Untertiteln zu versehen – oder aber das Schweizer Fernsehen als verantwortlichen Sender stärker in die Pflicht nehmen.

Trotz schlechter Synchronisation (ARD), einigen schwachen Dialogen und Tells Geschoss: Der zweite Luzerner Tatort stimmt uns milde. Vielleicht, weil wir uns beim ersten dermassen fremdschämen mussten, dass unsere Erwartungen unter Null lagen. Vielleicht aber auch, weil er tatsächlich ganz gut war. Oder zumindest ganz guter Durchschnitt.

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Das meint die Twitter-Gemeinde zum zweiten Schweizer Tatort


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