Die Basler Staatsanwaltschaft hat die Vorgänge auf dem Basler Messeplatz während der Art Basel überprüft. Sämtliche Vorwürfe der Polizei gegen die verhafteten Kunststudenten und deren Lehrer fallen in sich zusammen.
Bislang ist Baschi Dürr keinen Millimeter von seiner Überzeugung abgerückt, dass der Polizeieinsatz gegen eine Gruppe von Kunststudenten und deren Lehrer während der Art Basel («Pappdeckel-Affäre») erfolgreich und notwendig gewesen ist. Diese Position dürfte jetzt nicht mehr haltbar sein.
Sämtliche von der Polizei abgeführten Personen haben Post erhalten von der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. 34 junge Künstler sowie unbeteiligte Art-Besucher hatte die Polizei am Art-Freitag mit einem Grosseinsatz in Polizeigewahrsam genommen, vordergründig, damit deren Personalien untersucht werden können.
Jene Verhafteten, die nichts mit der Pappdeckel-Aktion zu tun hatten, mit der der gewaltsamen Räumung des alternativen Favela-Cafés von 2013 gedacht werden sollte, erhielten ein knappes Schreiben, in dem die Polizei mitteilt, die entstandenen Umtriebe würden ihr Leid tun.
Stawa: «Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt»
Die an der Aktion Beteiligten wurden von der Polizei an die Staatsanwaltschaft verzeigt, dabei machten die Polizisten geltend, verschiedene Gesetze seien verletzt worden. Die Stawa hat jetzt, wie sie auf Anfrage mitteilt, in 17 von 19 Fällen darauf verzichtet, die Fälle weiterzuverfolgen oder eine Strafe auszusprechen. Die zweiseitige Nichtanhandnahme-Verfügung an einen der Beteiligten liegt der TagesWoche vor.
Die Vorwürfe erachtet die Stawa als derart unbegründet, dass sie noch nicht einmal eine Untersuchung eingeleitet hat. Ein vernichtendes Urteil für Polizeikommandant Gerhard Lips und Polizeidirektor Baschi Dürr. In der Verfügung heisst es wörtlich: «Auf die Strafanzeige wird nicht eingetreten, da die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind.»
«Der bloss versuchte Verstoss gegen eine polizeiliche Weisung ist straflos«, belehrt Staatsanwalt Manuel Kiefer die Polizeiführung, die in der Weigerung der Künstler, die Aktion auf dem Messeplatz abzublasen, eine Straftatbestand gemäss Übertretungsstrafgesetz erfüllt sah. Weil die Polizei die Studenten bereits abführte, bevor diese ihre Performance beginnen konnten, können sie dafür nun nicht belangt werden.
Auch einen Straftatbestand nach Paragraf 19 des Übertretungsstrafgesetzes, den die Polizei geltend machen wollte, sieht die Stawa als nicht erfüllt an. Demgemäss macht sich strafbar «wer einen die öffentliche Sicherheit gefährdenden Zusammenlauf von Menschen verursacht. Der Versuch ist strafbar.»
Keine Stellungnahme seitens Polizei
Die Stawa hält dazu fest, dass «nicht erkennbar ist, in welcher Weise die öffentliche Sicherheit gefährdet gewesen ist.» Auf diesen Artikel, der es der Polizei erlaubt einzuschreiten, bevor eine Aktion passiert ist, hätten sich die Sicherheitskräfte nur berufen können, wenn die Beteiligten «Waffen, gefährliche Gegenstände, Schutzausrüstung oder ähnliches» mitgeführt hätten, so Staatsanwalt Kiefer.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement lehnt eine Stellungnahme zu den Entscheiden der Staatsanwaltschaft ab. Man werde sich erst wieder im Rahmen der politischen Debatte äussern, die eine Interpellation der SP-Grossrätin Tanja Soland verlangt.
In zwei Fällen hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehl wegen Diensterschwerung erlassen. Einer gegen den deutschen Art-Besucher, der den Polizeieinsatz fotografieren wollte und daraufhin festgenommen wurde. Der Mann hatte lautstark zu verstehen gegeben, er brauche Medikamente; später im Waaghof, wo die Personenkontrolle durchgeführt wurde, erlitt er in der Zelle einen Zusammenbruch. Nun wurde eine Geldstrafe über 600 Franken gegen ihn verhängt.
Nach der Abklärung, ob die jungen Künstler und deren Dozenten mit ihrer geplanten Performance auf dem Messeplatz gegen das Gesetz verstossen haben, wird der Spiess bald umgedreht. Christian von Wartburg, SP-Grossrat und Anwalt mehrerer Beteiligter, hat dem Vernehmen nach grünes Licht erhalten, um Strafanzeige gegen die Polizei einzureichen.