An der Handelsschule KV Basel brodelt es. Lehrer beklagen ein Klima der Angst und erheben Vorwürfe gegen die Schulleitung. Diese verweigert das Gespräch mit dem Sozialpartner FSS.
Die Handelsschule KV (HKV) Basel hat mit Problemen zu kämpfen. Die Zahl der Lehrlinge, die eine kaufmännische Ausbildung am KV absolvieren, ist seit Jahren rückläufig. Das räumte Schulleiterin Marianne Schneider unlängst im Lokalfernsehen ein.
Sie macht dafür die schwierige Lage auf dem Lehrstellenmarkt verantwortlich: Zahlreiche KV-Lehrstellen könnten nicht besetzt werden, diese Schüler würden nun fehlen. Wie stark der Rückgang ist, will die Schulleitung nicht sagen.
Da die Schülerzahlen zurückgehen, gibt es zeitweise zu viele Lehrer. Deshalb hat die Schulleitung die Anstellungsbedingungen sukzessive verschlechtert. So wird von den Lehrern neu deutlich mehr Flexibilität verlangt als an Volksschulen. Über- und Minusstunden können verordnet werden, so sollen Schwankungen zwischen den Jahrgängen ausgeglichen werden.
Tiefe Risse zwischen Lehrer und Schulleitung
Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geht einher mit einem gravierenden Konflikt: Zwischen einem Teil der Lehrerschaft und der Schulleitung verlaufen tiefe Risse. Die TagesWoche hat mit drei aktuellen und einem ehemaligen Lehrer unter Zusicherung der Anonymität über die Situation am KV gesprochen.
Ein langjähriger Lehrer wirft Schulleiterin Schneider eine «diktatorische Amtsführung» vor, sie habe an der Schule «ein Klima der Angst geschaffen». Lehrer sollen in die Frühpension gedrängt, Kritiker mundtot gemacht worden sein. Es sind Anschuldigungen, die über gewöhnliche atmosphärische Störungen in einem Betrieb hinausgehen.
Die Freiwillige Schulsynode (FSS), eine Art Lehrergewerkschaft, berichtet von mehreren Fällen, in denen Lehrer um juristischen Beistand ersuchten. Ein Lehrer geht mittels Anwalt gegen seine unlängst erfolgte Entlassung vor.
«Das Arbeitsklima ist bei der überwiegenden Mehrzahl der Mitarbeitenden gut. Es hat aber einige wenige unzufriedene Mitarbeitende.»
Das ist die eine Seite des Grabens. Auf der anderen steht Rektorin Marianne Schneider. Schneider ist seit Jahren in der Schulleitung des KV tätig und nach dem geräuschvollen Ausscheiden ihres Vorgängers Benedikt Jungo letzten März an die Spitze aufgestiegen.
Sie weist sämtliche Vorwürfe zurück oder relativiert sie. «Das Arbeitsklima ist bei der überwiegenden Mehrzahl der Mitarbeitenden gut. Es hat aber wie in jedem Betrieb einige wenige unzufriedene Mitarbeitende», teilt sie, angesprochen auf das belastete Arbeitsklima, mit.
Umfrage bestätigt Misstrauen
Was unter «einigen wenigen unzufriedenen Mitarbeitenden» zu verstehen ist, ist umstritten. Letzten Herbst verschickte die FSS, von ihren Mitgliedern dazu angehalten, an 58 von 85 Lehrpersonen eine Umfrage zur Situation am KV. 30 Lehrer äusserten sich darin unzufrieden mit dem Vorgehen der Schulleitung.
Diese wies die Umfrage zurück, da nicht alle Lehrer befragt worden sind. Die FSS hatte die Umfrage nur jenen Lehrern zugestellt, die länger als zwei Jahre an der Schule arbeiteten. Seither verweigert die Schulleitung den Dialog mit der FSS, die sich als Sozialpartner versteht.
In einem Schreiben an die FSS, das der TagesWoche vorliegt, schreibt Schneider: «Die FSS ist kein Gesprächspartner des privaten Bildungsunternehmens HKV.» Die Mitwirkungsrechte der Lehrer seien auch ohne FSS «vollumfänglich garantiert». Der Brief schliesst mit der Aufforderung, sich nicht mehr «ohne Rücksicht auf Verluste in die inneren Angelegenheiten unserer Schule einzumischen».
Tatsächlich ist die Handelsschule KV Basel privatwirtschaftlich organisiert, sie lebt aber hauptsächlich von Staatsbeiträgen: Über 17 Millionen Franken steuerten Kanton und Bund 2015 bei. Auch sind die KV-Lehrer wie das Staatspersonal bei der baselstädtischen Pensionskasse versichert. Die FSS hält es deshalb für fragwürdig, dass ihre Rolle negiert wird, welche an der Volksschule unumstritten sei.
«Die Schulleitung blockt unsere Vermittlungsversuche ab.»
Jean-Michel Héritier, Freiwillige Schulsynode
Jean-Michel Héritier, Geschäftsleitungsmitglied der FSS findet den Gesprächsstopp falsch: «Das bedauern wir sehr. Statt gemeinsam die verfahrene Situation zu entschärfen, blockt die Schulleitung leider unsere Vermittlungsversuche ab.» Héritier hat die Anliegen der Lehrer nun im Erziehungsdepartement zur Sprache gebracht.
«Die FSS war noch nie direkter Ansprechpartner der HKV, es besteht tatsächlich auch kein entsprechender Bedarf», sagt dagegen Rektorin Schneider. «Wir pflegen den Dialog mit unseren Mitarbeitenden über unsere betriebsspezifischen Gefässe.»
Dazu zählt Schneider vor allem das sogenannte Forum, eine regelmässige Konferenz zwischen allen Lehrkräften und der Schulleitung. Héritier von der FSS betrachtet das Forum kritisch: «Das funktioniert nicht, weil sich viele nicht trauen, dort zu sagen, was sie wirklich denken und fühlen. Die Leute befürchten stattdessen, mit einer kritischen Äusserung in Ungnade zu fallen.»
«Ich rufe immer wieder dazu auf, vorzubringen, was unter den Nägeln brennt.»
Schneider sagt zur Anschuldigung, Kritiker würden drangsaliert: «Diesen Vorwurf habe ich vereinzelt schon gehört, weise ihn aber energisch zurück. Das Gegenteil ist der Fall: Ich rufe als Vorsitzende der Schulleitung immer wieder dazu auf, vorzubringen, was unter den Nägeln brennt.»
Aussage gegen Aussage steht auch beim schwerwiegenden Vorwurf, einzelne Lehrer seien vor die Wahl Entlassung oder Frühpensionierung gestellt worden. «Diese Bemerkung höre ich zum ersten Mal», sagt Schneider. «Sie trifft nachweislich nicht zu. Vielmehr ist es so, dass die Lehrpersonen, die davon Gebrauch gemacht haben, dies nach sorgfältiger Prüfung der Bedingungen – auf Wunsch auch mit Unterstützung der Schulleitung – selbst entschieden haben.» Betrieblich sei das nicht einfach gewesen, «wir waren aber im Interesse der Arbeitnehmenden sehr flexibel».
Innerhalb der Lehrerschaft sorgt diese Aussage für basses Erstaunen. Unlängst hat sich am KV eine Lehrerin krankschreiben lassen, weil sie sich unter Druck gesetzt sah, ein Angebot der Schulleitung zur Frühpensionierung anzunehmen.