Sebastian Castellio: Basel ehrt einen Verfechter der christlichen Toleranz

1982 wurde nach ihm in Basel immerhin ein Weglein benannt. Künftig wird dort auch eine Gedenktafel an den Humanisten Sebastian Castellio erinnern.

Im Genfer Vorort Vandœuvres, wo er vorübergehend als Prediger wirkte, erinnert eine Büste an Sebastian Castellio (1515–1563).

(Bild: Wolfgang Stammler)

1982 wurde nach ihm in Basel immerhin ein Weglein benannt. Künftig wird dort auch eine Gedenktafel an den Humanisten Sebastian Castellio erinnern.

Weilt ein Mensch nicht mehr unter uns, verblasst mit den Jahren die Erinnerung an ihn. Das gilt erst recht, wenn der Lauf der Zeit seine Spuren verwischt. Leicht kann er dann ganz dem Vergessen anheimfallen. 

Um dem entgegenzuwirken und die Erinnerung an Verstorbene und ihre Taten wachzuhalten, wird mancherlei unternommen. Beliebte Kristallisationspunkte solcher Bemühungen sind wiederkehrende Geburts- und Todestage oder Jubiläen einer besonderen Leistung.

Dies geschieht in Basel derzeit mit Erasmus von Rotterdam. Den Anlass, sein Wirken dem Publikum in Erinnerung zu rufen, liefert der Umstand, dass der Humanist und Theologe 1516 beim Basler Buchdrucker Johannes Froben seine griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments drucken liess. Letzterer ist noch bis zum 12. November eine Ausstellung im Basler Münster gewidmet.

Im Münster ist es auch, wo Erasmus seine letzte Ruhestätte fand, obwohl er bis zu seinem Tod im Jahr 1536 katholisch blieb und Basel 1529 eine reformierte Stadt geworden war.

Humanist und Bibelübersetzer

Vor zwei Jahren hätte man sich an einen weiteren Humanisten und Theologen erinnern können, der zeitweise in Basel lebte und wirkte: Sebastian Castellio.

Castellio wurde 1515 in Savoyen geboren. Nach einem Latein-, Griechisch- und Hebräischstudium in Lyon lernte er 1540 in Strassburg Johannes Calvin kennen und folgte ihm nach Genf. Dort wirkte er als Rektor der Lateinschule und als Prediger an der Kirche des Genfer Vororts Vandœuvres.

Als Calvins dogmatisches und despotisches Wesen immer schärfere Züge annahm, kehrte Castellio 1545 Genf den Rücken und zog nach Basel. Hier arbeitete er zunächst als Korrektor für den Drucker Johannes Oporin. Später, um 1553, erhielt er eine Professur für Griechisch an der Universität Basel. Noch stärker als die Edition griechischer Autoren lag ihm die Übersetzung der Bibel ins Lateinische und in die Volkssprache Französisch am Herzen.

Einspruch gegen Gewalt in Glaubensfragen

Im selben Jahr wurde in Genf auf Betreiben Calvins der Spanier Michel Servet verhaftet und der Häresie angeklagt. In der daraus entspringenden Kontroverse vertrat der tief gläubige Castellio die Ansicht, dass Christen keine Mitchristen wegen unterschiedlicher Ansichten in Glaubensdingen umbringen dürften. Er tat dies unter anderem mit dem Satz: «Einen Menschen töten heisst nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern einen Menschen töten.» Dies war ein Grundsatz, den man in Genf damals nicht teilte: Servet wurde zum Tode verurteilt und am 27. Oktober 1553 bei lebendigem Leib verbrannt.

Calvins langer Schatten

In Basel war man im 16. Jahrhundert etwas zurückhaltender mit dem Verbrennen von Ketzern. Immerhin sah man sich hier 1556 veranlasst, die Gebeine von David Joris auszugraben und zu verbrennen, nachdem drei Jahre nach dessen Tod ruchbar wurde, dass sich hinter der Maske des wohlhabenden Kaufmanns ein Ketzer und Sektenführer verborgen hatte.

Castellio blieb dem Genfer Reformator weiterhin theologisch verdächtig. Durch Hintermänner gelang es Calvin gar, Castellio in Basel vor den Rat zu zerren, wo sich dieser mit einem ausführlichen Plädoyer zu verteidigen gedachte.

So weit sollte es nicht kommen: Arm und entkräftet starb Castellio noch vor Prozessbeginn am 29. Dezember 1563. Unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung wurde er im Kreuzgang des Münsters beigesetzt.

Verschwundenes Epitaph

Aus Dankbarkeit und Ehrerbietung stifteten ihm drei seiner Schüler ein Epitaph. Dieses sowie die Grabplatte sind im Laufe der Jahre unter derzeit noch unklaren Umständen verschwunden. Der Text ist allerdings aus einigen Abschriften bekannt. Der Historiker Peter Litwan, der sich in letzter Zeit intensiv mit Castellio befasst hat, geht davon aus, dass die Fassung aus der kleineren Basler Chronik des Christian Wurstisen von 1577 den Text am genausten wiedergibt. Sie lautet:

«Jova (= Jehova?), dem Besten und Grössten!
Sebastian Castellio aus Savoyen, dem hochberühmten Professor für griechische Literatur an der Universität Basel, dem wegen seiner vielseitigen Bildung und dem unbescholtenen Lebenswandel von den Gelehrten und Frommen hochgeschätzten, dem besten und tüchtigsten Lehrer, haben die Polen Stanislaus Starzechowski, Johannes Ostrorog und Georg Niemstra, um sowohl dem Wunsche ihrer Landsleute, die ihn gehört hatten, als ihrer eignen dankbaren Liebe Genüge zu tun, zur Linderung der allgemeinen Trauer dieses Denkmal aufgrund seiner Verdienste setzen lassen. Er starb im Jahr des Heils 1563, am 29. Dezember im Alter von 48 Jahren.»

Zur Erinnerung an den Verfechter der religiösen Toleranz soll nun am 4. November eine Gedenktafel am Sebastian-Castellio-Weglein im St.-Alban-Quartier enthüllt werden, wie an einer Gedenkveranstaltung, die letzthin auf Initiative der ehemaligen Gymnasiallehrerin Elsbeth Gutmann stattgefunden hat, zu vernehmen war. 

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