Seinem Laden im St. Johann verdanken wir so manchen Hunkeler-Krimi

Sein Handwerk ist vom Aussterben bedroht: Der 82-jährige Werner Holderegger ist einer der wenigen verbliebenen Schreibmaschinen-Mechaniker. Ein Besuch in einem der aussergewöhnlichsten Läden in Basel.

Eine Maschine, die bloss summt und piepst, ist ihm suspekt – für ihn muss ein Schreibgerät richtig schön rattern und klimpern: Werner Holderegger repariert seit über sechzig Jahren Büromaschinen und Kassen.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Werner Holderegger ist einer der letzten Schreibmaschinen-Mechaniker in Basel. Auch mit 82 Jahren denkt er keineswegs ans Aufhören. Das aussterbende Handwerk weckt aber nach wie vor Interesse – nicht nur bei bekannten Schriftstellern wie Hansjörg Schneider.

Betritt man das kleine Geschäft in der St.-Johanns-Vorstadt, erwartet man, gleich einen Max Frisch mit Tabakpfeife oder einen genüsslich qualmenden Ernest Hemingway hinter der Schreibmaschine anzutreffen. «In diesem Laden wird noch geraucht», sagt Werner Holderegger verschmitzt.

Die Zeit scheint hier stillzustehen. Ein Besuch gleicht einem Ausflug in die Fernsehserie «Mad Men»: Hier wird noch gepafft – und überall stehen Schreibmaschinen und Kassen herum. Auch Kreditkarten existieren in diesem Raum keine: «Reparaturen nur gegen bar!», steht auf einem Schild.

Computer haben hier schon gar nichts verloren – wohl aber deren Vorgänger. Der Kopierer tanzt aus der Reihe, alles andere hat wesentlich mehr Jahre auf dem Buckel: Über 100-jährige Schreibmaschinen der Marken Corona und Erika wachen über den Ladentisch. In den Schaufensterauslagen liegen Olympia– und Hermes-Modelle, die gerade von zwei jungen Männern bestaunt werden.



Keine Kreditkarten, keine Computer: Abgesehen vom Kopierer und ein paar alten Kassensystemen läuft bei Werner Holderegger nahezu alles noch ohne Strom.

Keine Kreditkarten, keine Computer: Abgesehen vom Kopierer und ein paar alten Kassensystemen läuft bei Werner Holderegger nahezu alles noch ohne Strom. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Seit 30 Jahren verkauft und wartet Werner Holderegger im St. Johann alte Büromaschinen und Kassensysteme. Der 82-Jährige ist einer der wenigen weit und breit, die das Handwerk des Schreibmaschinenmechanikers noch pflegen. «Diese Berufsgattung ist verschwunden», stellt er fest. Seine einstigen Kollegen seien mit der Zeit alle auf den Computer umgestiegen.

Werner Holderegger ist hingegen den umgekehrten Weg gegangen, zurück zur guten alten Schreibmaschine. Mit Computern wurde er nie richtig warm: «Ich bin früh ausgestiegen – beim PC hat es mir einfach ausgehängt.» Eine Maschine, die bloss summt und piepst, ist ihm suspekt – für ihn muss ein Schreibgerät richtig schön rattern und klimpern.

Vom «Beruf mit Zukunft» zum Nischenhandwerk

Ursprünglich wollte Werner Holderegger eine Kochlehre beginnen. Der Berufsberater meinte aber, er soll «wegen seiner guten Schrift» doch Kaufmann werden. Es kam dann aber ganz anders. Ein Möbelhändler erzählte dem Jugendlichen von den Vorzügen der Schreibmaschinenmechanik: «Das ist der Beruf der Zukunft» –  an diese entscheidenden Worte erinnert sich Werner Holderegger noch gut.



Eine der letzten Kliniken für Schreibmaschinen: Werner Holderegger wartet und repariert in seiner Werkstatt so manche Familienerbstücke, Sammlerobjekte und Arbeitsgeräte von Schriftstellern.

Eine der letzten Kliniken für Schreibmaschinen: Werner Holderegger wartet und repariert in seiner Werkstatt so manche Familienerbstücke, Sammlerobjekte und Arbeitsgeräte von Schriftstellern. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Nach der Lehre eignete er sich auch Kenntnisse der Rechenmaschinen an. Etwa 30 Jahren arbeitete er bei einem Zürcher Buchhaltungsunternehmen, wo er die Entwicklung des Computers Schritt für Schritt mitverfolgen konnte. Er war für die Buchungsmaschinen zuständig. Beinahe wurde er von der Firma nach Venezuela geschickt – leider machte ihm aber seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung.

Später hätte er sich zum Buchhalter weiterbilden müssen. Das sagte ihm aber gar nicht zu, die Werkstatt war ihm viel lieber als der Bürotisch. Er entschloss sich, auf eigene Faust weiterzumachen, und eröffnete in Basel seinen eigenen Laden.

Mittlerweile deckt das Geschäft eine winzige Nische ab. Früher zog es Holderegger noch für Reparaturen in die Sekretariate, heute fristen die Maschinen ein Randdasein: «Manchmal kommt während zwei oder drei Tagen gar niemand.» Das nimmt der Mechaniker aber mit stoischer Ruhe hin – in der Werkstatt gibt es schliesslich immer etwas zu tun an den alten Trouvaillen, die auf Vordermann gebracht werden wollen.



«Manchmal kommt während zwei oder drei Tagen gar niemand»: Auch wenn er heutzutage ein Nischenhandwerk ausübt, tut das der Werner Holdereggers Begeisterung für die Schreibmaschinen keinen Abbruch.

«Manchmal kommt während zwei oder drei Tagen gar niemand»: Auch wenn er heutzutage ein Nischenhandwerk ausübt, tut das Werner Holdereggers Begeisterung für die Schreibmaschinen keinen Abbruch. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Nun, wer aber interessiert sich im digitalen Zeitalter noch für Schreibmaschinen? Holderegger nennt zwei verschiedene Kundentypen: Zum einen wären da manche Senioren. «Leute, die Computer und Laptops einfach nicht mehr verstehen», sagt Holderegger. Zum anderen kommen aber auch Retrofans zu ihm, welche das Altbewährte neu entdecken. «Ich bewundere die jungen Leute, die heute noch eine Schreibmaschine kaufen.» Die «Hermes Baby» etwa ist beliebt. «Sie haben den Plausch am Geräusch – man hört hier etwas.»

Hunkeler-Krimis werden auf seinen Maschinen abgetippt

Oft hat er auch Aufträge von Leuten, die Familienerbstücke restaurieren lassen wollen. Sein bekanntester Stammkunde ist der Schriftsteller Hansjörg Schneider. So mancher Fall von Kommissär Hunkeler ist auch dem kleinen Laden im St. Johann zu verdanken. Der Krimiautor kommt oft hierher, um neue Farb- und Korrigierbänder zu holen.



Hier wird noch mit einer alten Registrierkasse abgerechnet. Ein Archivfoto von der St. Johanns-Vorstadt darf auch nicht fehlen.

Hier wird noch mit einer alten Registrierkasse abgerechnet. Ein Archivfoto von der St.-Johanns-Vorstadt darf auch nicht fehlen. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Die alten Geräte halten sich normalerweise gut: «Im Prinzip geht wenig kaputt – die Hauptsache ist Reinigen und Revidieren», sagt er. Auch Modelle, die 40 Jahre auf dem Buckel haben, machen ihre Arbeit noch immer ordentlich. «Es gibt solche, die wie gestochen schreiben – es sei denn, man haut mit Metzgerfingern in die Tasten», meint er lachend.

Nur etwas ist besser als eine Schreibmaschine

Werner Holderegger hat generell Freude an urchigen Gegenständen. Früher sammelte er alte Kaffeemühlen und Uhren. Zudem fertigte er gerne Silberschmuck an. Auch beim Administrativen geht in seinem Laden nur wenig mit Strom: Die Kassenzettel kommen aus einer schweren mechanischen Nationalkasse. Wenns mal keine Quittungen gibt, so wird die Handschrift gepflegt. Wie bei manchen Vertretern seiner Generation üblich wird alles säuberlich auf kariertem Papier in einer Tabelle eingetragen. Das ist Holderegger wichtig: Trotz seines Flairs für die Mechanik der Büromaschinen haut er relativ selten in die Tasten – die Handschrift findet er noch immer das Beste.

Auch mit über 80 Lenzen denkt Werner Holderegger nicht ans Aufhören – die Leidenschaft für die Schreibmaschinen und Kassen ist auch lange nach dem Überschreiten des Rentenalters geblieben: «Ich muss aktiv sein», erklärt er. «Einfach so zu Hause herumhocken – das kann ich nicht.» 

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W. Holderegger, Registrierkassen & Büromaschinen. St. Johanns-Vorstadt 49, 4056 Basel, Telefon 061 322 75 75.

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