Zur Eröffnung der «Ideal Org» in Basel wurde der oberste Scientologe David Miscavige eingeflogen. Gleich nebenan machten über hundert Leute an einer bewilligten Demo kräftig Radau gegen die umstrittene Organisation.
Der Platz vor dem neuen Tempel ist proppenvoll. Bis in die Oltingerstrasse hinein drängen sich Scharen von geladenen Scientology-Gästen. Feierlich wird «Z’Basel an mym Rhy» eingespielt. Dabei kommt vor dem sterilen Bau kurz Musikantenstadl-Stimmung auf: Die zum grössten Teil von auswärts angereisten Besucher klatschen lautstark zum Takt. «Wir erwarteten 1500 Leute, doch es könnten bis zu 2000 sein», sagt Jürg Stettler, Mediensprecher von Scientology Schweiz.
Laut Stettler sollen auch Scientologen aus Deutschland, Italien und Frankreich angereist sein. Der angekündigten Demo gegen die Einweihung des neuen Scientology-Zentrums sieht er gelassen entgegen: «Ich behaupte, dass nicht mehr als fünf Anwohner dabei sind.»
Während sich um 13 Uhr die ersten Demonstranten formieren, geht es auf der anderen Seite der Burgfelderstrasse erhaben zu und her: Das achtzackige Kreuz prangt mächtig über dem Rednerpult. Auf der Bühne werden die Ehrengäste angekündigt und mit wehenden Flaggen empfangen. Marco Pulver, Vertreter des Bauunternehmens Implenia, tritt auf. Das ist eine Überraschung. Der Baukonzern teilt das Gebäude mit Scientology, hat aber bislang jede Verbindung mit der Sekte abgestritten.
Pulver lobt die «Aufklärungsprogramme» von Scientology: «Die Jugend wird gegen den schleichenden Einfluss der Drogen gewappnet», sagt er. Das Programm wird von Fachleuten scharf kritisiert. Zu den Rednern gehört auch ein Mediziner. Er erklärt, wie er mit seiner Kritik an der Psychiatrie zur Organisation gefunden habe: «Scientology hat den Mut, für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen».
«Wir müssen das Land klären»: US-Sektenchef David Miscavige spricht an der Eröffnung.
Etwa zur gleichen Zeit kommt es an der Oltingerstrasse zu unschönen Szenen. Der Versammlungsplatz ist mit Topfpflanzen abgeschirmt. Ein Mann möchte den abgesperrten Strassenabschnitt durchqueren. Sogleich stellen sich ihm zwei Scientology-Mitglieder in den Weg. Schroff wird er in englischer Sprache gefragt, ob er denn einen Sticker habe. «Lassen Sie mich bitte durch, ich wohne hier», meint der Passant. Schliesslich schalten sich zwei Polizisten ein und machen den selbsternannten Strassenwächtern klar, dass sie den Leuten den Durchgang auf öffentlichem Gebiet gewähren müssen. Allerdings hat jeder, der sich durch die Menge bahnt, eine Art unfreiwilligen Escort-Service am Hals – wer passiert, wird auf Schritt und Tritt verfolgt.
Schliesslich kommt es auf der Bühne zu einem Überraschungscoup: Unter tosendem Applaus betritt der Star des Events, Scientology-Chef David Miscavige die Bühne. Sein Besuch war im Vorfeld Inhalt von Spekulationen, wurde jedoch von den Mediensprechern geheim gehalten. Strahlend prophezeit Miscavige den Anwesenden die Expansion seiner Organisation: «Heute Basel, morgen Bern, Zürich und Lausanne», sagt er salbungsvoll.
Passanten zurückgedrängt: Der private Sicherheitsdienst von Scientology überschritt seine Kompetenzen.
Dabei spricht er vom goldenen Zeitalter der Dianetik, welches diese Technologie Millionen von Menschen näher gebracht habe. Nebenbei zeichnet er mehrere führende Scientologen aus, die sich als «Freiheitskämpfer» hervorgetan hätten. «Das Ziel ist, dieses Land zu klären und es gibt kein anderes Ziel», verkündet Miscavige. Deshalb seien sie «New Civilization Builders», so etwa Patrick Schnidrig, Präsident von Scientology Basel.
Auch dem leitenden Direktor Rudolf Flösser, welcher eine Treuhand-Firma betreibt, kommt diese Ehre zuteil: «Jetzt arbeitet er als eine Reinkarnation von Alexander dem Grossen für ein neues Schweizer Imperium», rühmt Miscavige die jahrelange Arbeit für die Organisation in Basel. Zum Schluss erscheint das Konterfei von L. Ron Hubbard. Eine gigantischen Tischbombe explodiert, rote Schnipsel wirbeln durch die Luft und Ballone steigen in die Höhe: Das Band zur Einweihung der «Ideal Org» wird durchschnitten.
Während die Menge jubelt, klingt es mittlerweile auf der anderen Seite ganz anders: Es kesselt, trillert, pfeift und trötet. Nach und nach verlassen die Scientologen das Festgelände. Ihr Weg führt zwangsläufig an den Demonstranten vorbei. Die Besucherkolonne wird vom anderen Trottoir aus mit Vuvuzelas, Pfannendeckeln, Kuhglocken und Buhrufen empfangen. Über hundert Leute beteiligen sich am Radau. Manche Demonstranten tragen Aluhüte und schrille Verkleidungen, zwei Saxofonisten geben Free Jazz zum Besten.
Die Demonstranten haben unterschiedliche Hintergründe: Eine ältere Anwohnerin, die schon seit fast dreissig Jahren im Iselin lebt, unterstützt die meist jungen Demonstranten: «Scientology verhält sich uns gegenüber sehr aggressiv». Man hätte ihr ebenfalls während den Aufbauarbeiten den Weg versperrt. Zudem empfinde sie die Missionierungsversuche als Ärgernis.
Ebenfalls reichlich Erfahrung mit Scientology hat ein Anonymous-Aktivist, der mit einer Guy-Fawkes-Maske mit von der Partie ist. Nach früheren Protestaktionen seien er und seine Kollegen schon von Sektenmitgliedern verfolgt worden: «Sie haben uns nachgestellt, wollten uns die Maske vom Gesicht reissen und unsere Identität aufdecken», erzählt er.
Proteste: Rund hundert Demonstranten stellten sich den Scientologen entgegen.
Andere Leute sind via Facebook auf die Demo aufmerksam geworden – so etwa ein Schüler, welcher gleich neben dem heutigen Tempel aufgewachsen ist. Auch eine Gruppe von Lehrlingen protestiert mit: «Wir finden, dass Scientology Abzocker sind und Leute ausnutzen», meint einer von ihnen. Von der Organisation hätten sie erstmals im Schulunterricht und durch die grossen Standaktionen am Barfüsserplatz erfahren.
Der Anwohner Thomas Erlemann, welcher die «Gewaltfreie Aktion gegen eine Scientology-Zentrale» ins Leben gerufen hat, blickt zufrieden auf die Demo. «Es geht darum, Präsenz zu zeigen». Dabei möchte er weiterhin am Ball bleiben: Ein nächster Schritt sei, das Kreuz, welches gross an der Fassade prangt, anzufechten. Zudem soll eventuell aus der Protestaktion ein Verein hervorgehen.
Scientology hatte zur Eröffnung des Basler Tempels gross mobilisiert.
Zwischen den Scientologen auf der einen Strassenseite und ihren Gegnern auf der anderen, ist Thomas Kessler unterwegs. Der Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung möchte den Dialog zwischen Scientology und ihren Kritikern fördern. Dabei zieht er aber Jürg Stettlers Aussage, wonach sich kaum Nachbarn unter den Protestierenden befänden, in Zweifel. «Unmut ist sicherlich bei mehr als fünf Anwohnern vorhanden». Er sieht in der Eröffnung weitreichende Konsequenzen für das Iselin-Quartier. Insbesondere die Ausdehnung bereite ihm Sorgen: Gleich neben dem Tempel möchten die Scientologen Eigentumswohnungen bauen. «Auf der einen Seite gilt in Basel Toleranz, auf der anderen Seite müssen die Ängste der Anwohner ernst genommen werden», meint Kessler.