Die Basler Denkmalpflege lud anlässlich des Europäischen Tags des Denkmals nach Riehen, das sich zwar immer noch Dorf nennt, faktisch aber die zweitgrösste Stadt der Nordwestschweiz ist. Viele Menschen nutzten die Gelegenheit, einmal einen Blick in private Herrenhäuser zu werfen.
Die Riehener Gemeinderätin Christine Kaufmann rief die Zuhörerinnen und Zuhörer bei der Eröffnung des Denkmaltags in Riehen auf charmant-humorvolle Art zur Musse auf. «Wenn Sie das nächste Mal auf der Baselstrasse im Stau stehen, geniessen Sie den Blick auf die historischen Bauten und denken Sie daran, dass diese nicht mehr stehen würden, wenn die Strasse, wie einst geplant, begradigt und ausgebaut worden wäre.»
Es gibt Baudenkmäler und Teile davon, die dem Ausbau der Baselstrasse und der neuen Dorfkerngestaltung in den 1940- und 1950er-Jahren zum Opfer gefallen sind. Darunter viele Bauernhäuser (1905 zählte Riehen noch 100 Ladwirtschaftsbetriebe). Viele Bauten, vor allem herrschaftliche Villen blieben aber bestehen. Dazu kamen Anfang des 20. Jahrhunderts bedeutende Beispiele des Neuen Bauens – etwa von den Architekten Artaria & Schmidt.
Im «Pavillon der acht Winde»
Einige dieser Häuser, die sich zum Teil noch in privatem Besitz befinden, konnten am Europäischen Tag des Denkmals besichtigt werden. Zum Beispiel das Rokoko-Bijou «Cagliostro-Pavillon», die «Mohrhalde», das Gesamtkunstwerk des Basler Symbolisten und Böcklin-Schülers Hans Sandreuter, oder der «Pavillon der Winde» des Basler Architekten Melchior Berri (dem Erbauer des Basler Urmuseums an der Augustinergasse), der ursprünglich frei in einem Park stand, heute aber Anbau des 1934 errichteten Wohnhauses des ehemaligen Direktors des Antikenmuseums Basel, Peter Blome, ist.
Blome muss sich in diesem Pavillon besonders wohlfühlen, ist er doch 1840 nach dem Vorbild des antiken Turms der Winde in Athen erbaut worden – und damit übrigens kein Einzelfall. Bauherr war der ehemalige Basler Bürgermeister Felix Sarasin-Burckhardt. Architekt Berri liess die Kuppel des achteckigen Pavillons mit den Symbolfiguren der acht Winde ausschmücken. Nicht von einem Künstler, sondern vom Dekorations-Flachmaler Karl Enholz, der den Figuren ein etwas ungelenkes Aussehen verlieh.
Führungen rasch ausgebucht
Pro Führung in den kleinen Pavillon waren maximal 15 Personen zugelassen. In andere Häuser passten 20 bis 30 Personen rein. So ist nicht verwunderlich, dass die Führungen – zumindest der erste Durchgang um 11 Uhr – rasch ausgebucht waren.
Zu einem ziemlichen Gedränge kam es dann beim Mittagskonzert in der Reithalle im Wenkenpark mit dem Sinfonieorchester Basel und dem Konzertchor Ludus Vocalis. Thomas Herzog dirigierte nach dem Konzertauftakt mit der melodiös-romantischen Serenade «Sommernächte» von Hans Huber Hermann Suters pathetisches Festspiel «Wettstein und Riehen» mit dem Wettsteinmarsch, der die Zuhörerschaft mitzureissen und bei der Zugabe gar zu rhythmischem Klatschen zu bewegen vermochte.
Einblicke in private Sphären
Alles in allem ermöglichte der Denkmaltag spannende Einblicke in das Innenleben der Gemeinde Riehen, die als Schlafstadt ja normalerweise nicht so viel Öffentliches zu bieten hat. Von den fast 4000 Gebäuden in Riehen sind beinahe 3500 reine Wohnhäuser, davon über 70 Prozent Einfamilienhäuser.
77 Prozent der Gebäude befinden sich, wie aus einem lesenswerten Siedlungsporträt des Bundesamtes für Kultur zu entnehmen ist, in Privatbesitz. Auf Fabrikniederlassungen hat Riehen bewusst verzichtet, Hochhäuser dürfen nicht gebaut werden (Regierungsrat Hans-Peter Wessels richtete in seiner Eröffnungsansprache dennoch die Bitte an die Riehener, für die Stadtrand-Hochhäuser im nahen Basel-Ost ein Ja in die Urne zu werfen). So gesehen ist es doch eigentlich erstaunlich, dass Riehen nach Basel die zweitgrösste Stadt der Nordwestschweiz ist, viel grösser als alle Gemeinden im Baselbiet, einwohnerstärker aber auch als die Kleinstädte im Aargau, Jura und in Solothurn.