Ein Initiativkomitee will den Sexualunterricht in der Bundesverfassung verankern. Eine heikle Sache.
Politisch rechte und fundamental-religiös inspirierte Kreise warnen schon länger vor ominösen «Sex-Koffern». Mit diesen «Sex-Boxen», in denen weibliche und männliche Sexualorgane nicht nur abgebildet, sondern in eindrücklichen Modellen leibhaftig enthalten seien, würden schon in Kindergärten kleine Buben und Mädchen «sexualisiert», warnen sie. Insbesondere in Basel-Stadt sei derlei Sexualunterricht in Kindergärten sogar obligatorisch.
Nachdem eine Gruppe um den bekannten Zürcher SVP-Politiker Ulrich Schlüer schon eine ähnliche Petition mit 90 000 Unterschriften Zustande gebracht hat, lanciert nun ein schwergewichtig aus rechten Basler Kreisen konzipiertes Komitee eine veritable Volksinitiative zum «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule». Das Volksbegehren will den Artikel 11 namens «Schutz der Kinder und Jugendlichen» in der Bundesverfassung mit mehreren neuen Abschnitten ergänzen: «Sexualerziehung ist Sache der Eltern», hält die Initiative etwa grundsätzlich fest. Sexualunterricht soll zudem Kindern erst «ab dem vollendeten neunten Altersjahr» erteilt werden können. Und auch dies nur «freiwillig».
Im Kindergarten soll wohl «Unterricht zur Prävention von Kindsmissbrauch» erteilt werden – nicht aber «Sexualkunde». Und «Vermittlung von Wissen über die menschliche Fortpflanzung» darf Kindern erst «ab dem zwölften Altersjahr» zuteil werden. «Weitergehender Sexualkundeunterricht» soll nur fakultativ sein.
«Sexualerziehung schweizweit zwingend»
«Die Einführung von Sexboxen mit pornografischem Aufklärungsmaterial in Basel-Städtischen Kindergärten und Primarschulen» habe «landesweit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst», argumentiert das Komitee, dem 27 nationale und lokale Politikerinnen und Politiker aus rechten Parteien angehören. Dennoch wolle jetzt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Sexualerziehung ab Kindergarten einführen: «Bereits Vierjährige sollen frühsexualisiert werden.»
Vorab Medienleute aus der Westschweiz monierten bei der Lancierung der Initiative in Bern, das ganze sei «doch wohl eher nur ein Basler Problem». Doch das Komitee hielt dagegen, ein «Kompetenzzentrum Sexualpädagogik» in Luzern, das auch vom BAG mitfinanziert werde, wolle seine «Sex-Koffer» allen Schulen in der ganzen Schweiz verschreiben. Tatsächlich steht auf der Website des Zentrums: «Das gemeinsame Bestreben ist es, schulische Sexualerziehung in den Lehrplänen aller Sprachregionen und Kantone verbindlich zu verankern.» Die «Sexualerziehung» müsse «zwingend schweizweit» implementiert werden.
Sexunterricht zwischen Extremen
Doch so wie das Initiativkomitee seine Schutz-Paragrafen gegen Sexunterricht in der Bundesverfassung unter «Grundrechte» verankern will, bezieht sich auch das Kompetenzzentrum auf «Menschenrechte»: Es setzt explizit auf «die Förderung der auf die Sexualität bezogenen Menschenrechte (sexuelle Rechte)». Und es will «allen Kindern und Jugendlichen der Schweiz – insbesondere auch solchen mit Migrationshintergrund» – den Zugang «zu Dienstleistungen der sexuellen Gesundheit» erleichtern. Die Angst vor solchen Konzepten beruht beim Komitee nicht zuletzt auch darin, dass gut organisierte Pädokriminelle ihre Übergriffe auf Kinder nicht selten mit der Behauptung rechtfertigen, diese hätten auch ein Recht auf Sexualität und wollten dies.