Nach einigen Startschwierigkeiten überzeugt Shilf auf dem Kulturfloss. Die Basler Band hat zu einer neuen Lebendigkeit gefunden.
Es gibt Abende, die geben das Gefühl der Jugend zurück, und alles scheint wieder möglich. Dann gibt es Abende, da verklärt sich der Blick auf das Selbst auf eine ganz andere, erstaunlichere Weise. Nach einer Schaffenspause von sieben Jahren hatte die Basler Band Shilf letzten Herbst nach «Me» (2002) und «Out for Food» (2004) ihr neues Album vorgelegt – und spielte gestern auf dem Kulturfloss. Es wurde ein Abend der letzteren Sorte.
Die letzte Kippe ist geraucht und geschnippt, sie treibt im Rhein. Durch die Gitarre ersetzt, erklingt der Titelsong «Walter». Und Frontfrau Nadia Leonti erinnert sich an eine «experience of water» und «georgous nicotine between», an eine Osteria im Piemont, mit viel Marmor und vollem Bauch. Leise erzählt der Körper. «Americana» setzt ein, vom eigenen Genre, der eigenen Band, singt ihr Gegenpart Lucas Mösch, von einem schier postmodernen Verweisspiel erzählt laut der Kopf.
Harziger Beginn
Alles um die Band fliesst, nur sie selbst bleibt stehen: Der Beginn fällt harzig aus, zwischen Kopf und Körper gibt es nicht viel das fliesst. Als Mösch auf Nachfrage aus dem Publikum erfährt, dass der FC Basel in Rückstand liegt, ist die Dramaturgie erst mal ganz gebrochen. Zuerst mit dem grandiosen «13 Skills», baut Shilf Stück für Stück wieder Spannung auf. Und mit «Mount Care» und seinem fulminantem Outro, mit älteren Songs wie «Rimbaud» und «Coney Island» findet sie den Flow dann doch.
Eine ähnliche Intensität wie noch bei der jüngsten Plattentaufe im Gare du Nord erreicht das Spiel zwischen der zierlichen Leonti und dem massigen Mösch nicht. Dafür bleibt etwas mehr Raum für ein Gefühl. Ein Gefühl, dass vielleicht nicht alles möglich ist in diesem Leben, aber es auch nie war. Ach wie schön es ist, diese Illusion zu begraben. Nicht zu wenig zu erwarten vom Leben und nicht zu viel. Der Sound von Shilf ist eine Ode an das Süsse am Älterwerden, eine Bekenntnis: Alles und nichts bleibt so, wie es ist.
Alles fliesst
Auch die Soundqualität stimmt an diesem Abend, hat man jedenfalls am Rheinbord seinen Platz gefunden. Wer auf Höhe der Promenade zuhört, der steht nun mal im – Schilf. Das wollen die Anwohner so (zumindest einige wenige). Shilf, ehemals als «die langsamste Band der Schweiz» bezeichnet, spielt fast das gesamte neue Album durch, das von einer neuen Lebendigkeit strotzt, von Ernsthaftigkeit genauso wie von Spielerei.
Mittlerweile ist bekannt: der FCB hat ausgespielt und bleibt im Rennen um die Qualifikation für die Champions League. Jetzt fliesst alles, Kopf und Körper sind eins. «Play It Safe» ertönt, vom Wunsch ist da die Rede, den Refrain noch vor der Strophe zu erreichen und von ersten Zeichen des Alterns. Alles ist nicht möglich, aber vieles liegt in den eigenen Händen. Was der FCB und sein Goalie Yann Sommer an diesem Abend nur zu gut wissen, ist auch die Botschaft etwas weiter rheinwärts.