Wer von der früheren Rheinverschmutzung spricht, denkt zuerst an chemische Stoffe, die den Fluss belastet haben. Es gab aber auch ganz andere Verunreinigungen – zum Beispiel jene durch Blut.
Weiter unten am Fluss, in der Nähe der deutschen Loreley, da reimen sich «Rhein» und «Wein». Hier ist es nicht Wein, was da im Rhein mitschwimmt. Was hier als schwarze Bänder daherkommt, sei, erinnert sich der Fotograf, rot gewesen, Blut vom Schlachthof. Wenn man Blut als etwas Natürliches einstuft, ist dies vielleicht weniger schlimm als weniger sichtbare Stoffe, die von chemischen Unternehmen abgelassen werden. In der Luft ist es übrigens ähnlich: Unser Geruchssinn reagiert in gewissen Fällen auf Ungefährliches empfindlicher als auf weniger wahrnehmbare, aber dennoch gefährliche Belastungen.
Eine Zufallsbegegnung
Doch hier erhielt das Auge einen Hinweis. Kurt Wyss war am 3. Juli 1969 wegen einer anderen Aufgabe hoch über dem Rhein unterwegs. Dies in einem Piper-L4-Flugzeug, einem Schulterdecker, der sich für Flugaufnahmen besonders gut geeignet hat, weil es a) das kostengünstigste Flugzeug war und b) mit seinen über der Kabine gelegenen Flügeln eine gute Sicht auf den Boden ermöglichte. Als Wyss dieses «Blutbad» sah, musste er es als Bild festhalten.
Eine Zufallsbegegnung. Kurze Zeit später wäre das Motiv nicht mehr zu haben gewesen. Das befremdliche «Abwasser» wäre bereits im Ausland gewesen. Angesprochene Verantwortliche konnten in solchen Fällen sagen, diese Dinge seien ja nur gerade noch für 90 Sekunden das Problem der Schweiz – und des Kantons Basel-Stadt.
Seit 1982 jedoch sorgt die ProRheno AG mit der ARA dafür, dass das Wasser gereinigt und das zurückbehaltene Material verbrannt wird. Auf ihrer Homepage heisst es, die Wasserqualität sei seit jenem Zeitpunkt abgesehen von einigen Anfangsschwierigkeiten sehr gut. Die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für die Einleitung in den Rhein hätten bis auf wenige «Ausrutscher» immer eingehalten werden können.
Wohlstand dank Wasser
Die Stadt am Rhein verdankt ihren Wohlstand zu einem grossen Teil dem Rhein. Nicht wegen des Fischfangs und auch nicht wegen der Schifffahrt, sondern wegen der Möglichkeit, Wasser zu beziehen und bezogenes Wasser wieder abzuleiten. Der Wohlstand bringende Standort der Basler Chemie entstand wegen dieses Standortvorteils.
Damit verbunden sind gewisse Restrisiken. Ist von diesen die Rede, kommt vielen das Schadenereignis von Schweizerhalle (1986) in den Sinn. Damals erlitt Vater Rhein eine grössere Belastung wegen des Löschwassers der Feuerwehr. Das Auge konnte in der Basler Region davon wenig wahrnehmen. Die negativen Folgen wurden erst sichtbar, als viel weiter unten die Aale tot an die Ufer geschwemmt wurden.
Der Rhein hat sich bemerkenswert gut erholt. Sein Zustand ist, was auch die vielen Rheinschwimmer und -schwimmerinnen zu schätzen wissen, die es jetzt wieder gibt, alles in allem viel besser als in den Tagen, da dieses Bild entstand.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12