Wie erleben ein Velohändler, ein Wirt, ein Bäckerpaar, ein Café-Besitzer und eine Bibliothekarin die Veränderungen im St. Johann? Fünf Stimmen aus dem Quartier.
Das St. Johann ist im Kommen – schon seit Jahren. Von Stadtseite wird eifrig Aufwertung geplant, die später mehr oder minder erfolgreich in die Tat umgesetzt wird: erst im Norden, dann beim Vogesenplatz und im Moment auf dem Lysbüchel-Areal. Das Santihans-Leben findet derweil woanders statt: abseits der Stadtplanerbüros, in den kleinen Strassen und Betrieben im Quartier. Wie erleben die Menschen, die dieses Leben ausmachen, das St. Johann? Was sagen ansässige Gewerbler zur Entwicklung des Quartiers? Was macht ihn aus, den Santihans-Zauber, und wo ist er verflogen?
Solche Fragen lassen sich nur vor Ort beantworten. Wir begaben uns also einen Morgen lang ins St. Johann und hörten uns um.
1. Paul Brunner (56), Inhaber «Velo Paul»
Der wohl bekannteste Velohändler des Quartiers betreibt seit 25 Jahren sein Geschäft an der Murbacherstrasse. Paul Brunner, wie der Velopaul mit bürgerlichem Namen heisst, wohnt selber nicht im St. Johann. Die Entwicklung im Quartier erlebt er aber trotzdem mit, schliesslich ist er zuständig für die Fahrradwünsche der Hälfte der Einwohnerschaft. Und die haben – so der Velohändler – eindeutig eine Entwicklung erlebt.
2. Celâl Düzgün (43), Inhaber Café Jêle
Seit gut zwei Jahren ist das schnucklige Café an der Mülhauserstrasse Bestandteil des St. Johanns. Obwohl sein Inhaber Celâl verglichen mit unseren anderen Gesprächspartnern noch nicht besonders lange im Quartier weilt, ist er Feuer und Flamme dafür: Bei einem Milchkaffee erzählt er uns von seiner Liebe zum St. Johann und der Angst vor wohlhabenden Spekulanten, die den besonderen Geist des Viertels zerstören würden.
3. Roger Malzacher (42), Wirt Restaurant Zum alten Zoll
Wer den «alten Zoll» nicht kennt, wird kaum jemals dort landen. Die Quartierbeiz liegt ganz am Ende des St. Johanns, am Rand zum Lysbüchel mit seinen Handwerkern, der Schlachtindustrie und den Recyclinghöfen. Zwei Jahre lang stand das Lokal leer. Am Freitag, 27. November, macht es wieder auf, erneut unter der Leitung von Stellwerk-Wirt Roger Malzacher, mit einfacher, ehrlicher Küche über Mittag und neuerdings auch Barbetrieb ab Mittwochabend. Als wir die Beiz betreten, wird noch eifrig gebaut. Malzacher glaubt, dass die Zeit reif ist für einen Neuanfang: «Irgendwann muss das Leben ja ins Quartier zurückkehren.»
4. Hermine und Martin Brandl, ehemalige Inhaber Confiserie-Bäckerei Brandl
«Kommt doch gleich mit nach hinten!», begrüsst uns die resolute Frau Brandl, als wir bei ihr in der berühmten Bäckerei («Die haben die besten Gugelhopfe Basels!», rief ein Kollege, bevor wir aufbrachen) an der Wattstrasse auftauchen. In der Küche hinter dem Ladenraum erzählt sie uns von der Zeit bevor alles anders wurde: Vor 40 Jahren, als die Brandls den Laden eröffneten, fuhr das Tram noch am Geschäft vorbei und bescherte Laufkundschaft. Damit ist heute Schluss – und Frau Brandl scheut sich nicht, ihrem Unmut über diese Entwicklung Luft zu machen. Ihr Ehemann Martin Brandl, der nach der Hälfte unseres Gesprächs die Küche betritt, ist da wesentlich versöhnlicherer Meinung.
5. Maureen Senn (51), Bibliothekarin «Jukibu»
Auf gut Glück in die «Jukibu». Aber offen ist die interkulturelle Bibliothek ausgerechnet dann nicht, als wir mit Maureen Senn sprechen wollen. Wir klopfen, bis jemand aufmacht: Senn legt den Bürokram beiseite, freudig überrascht über den unerwarteten Besuch und darüber, dass sie erzählen kann von diesem einzigartigen Ort in Basel. In der Bibliothek finden Kinder von Migranten Bücher in ihrer Muttersprache. So soll nicht verloren gehen, was im Basler Integrationswahn keinen Platz hat: die Sprache der zweiten Heimat. Die «Jukibu» ist beliebt im Quartier – dabei war sie zu Beginn unerwünscht als Manifestation von Aufwertung und Verdrängung.