Natürlich hat die «Kuttlete» etwas mit (Vor-)Fasnacht zu tun. Aber wie die Clique Kuttlebutzer, der im Museum Tinguely eine Ausstellung gewidmet ist, bricht die Veranstanstaltung auf erfrischend skurrile Art mit Konventionen des «typisch» fasnächtlichen Geistes.
Sie heissen «Pfyfferli», «Ridicule», «Fasnachtsbändeli», «Fasnachtskiechli», «Mimösli», «Offiziells Prysdrummlen- und pfyffe», «Zofinger-Conzärtli», «Museumskonzärtli», «Charivari», «Kinder-Charivari» und «Drummeli». Die Vorfasnacht hat Basel ganz in ihrem Bann, in fast jedem Kleintheater (und auch auf grossen Bühnen) wird getrommelt, gepfiffen, geschränzt, werden Schnitzelbängg gesungen und Rahmenstiggli zum Besten gegeben. Und das Publikum strömt. Nun springt auch das Museum Tinguely mit der «Kuttlete» auf diesen sicheren Publikums-Erfolgszug auf. Oder auch nicht, wie das Haus relativiert. Denn die Rahmenveranstaltung zur aktuellen Ausstellung «Sodeli, d’Kuttlebutzer» sei keine Vorfasnachtsveranstaltung, sondern eine «Veranstaltung vor der Fasnacht», wie die Verantwortlichen betonen.
Die Verantwortlichen, das sind Museums-Vizedirektor Andres Pardey und das Dreigespann Daniel Buser, Roland Suter und Walo Niedermann, die man, um bei Veranstaltungen vor der Fasnacht zu bleiben, von der «Wirrlete» im Tabourettli her kennt. Und wer schon einmal eine «Wirrlete»-Ausgabe gesehen hat, der erwartet tatsächlich nicht eine Vorfasnachtsveranstaltung nach traditionellem Muster mit Kostümen, Larven, Fasnachtsmärschen etc. Diese Erwartungen des Nicht-Konventionellen werden denn auch in der «Kuttlete in keiner Weise enttäuscht, was denn letztlich auch im Sinn und Geist der Kuttlebutzer ist, die als Gruppierung in Erinnerung geblieben ist, die früh bereits eben mit den Konventionen der letztlich doch nicht immer ganz so freien Basler Fasnacht gebrochen hatte.
Fidele Nacht im Museum
Den Rahmen für das Ganze gibt ein Securitas-Nachtwächterduo im Museum (Roland Suter und Walo Niedermann), das auf den Geist Kuttle (Daniel Buser) trifft, der den Beweis erbringt, dass das Museum mit den «farbige Bewegerli» des «Dekorateur us em Globus» auch dann nicht zum Stillstand kommt, wenn die «rote Bölle» nicht gedrückt werden. Das Resultat ist ein herrlich skurriles Panoptikum mit zumeist musikalischen Überaschungen, die mit viel Professionalität und einem gewinnenden Mass an Selbstironie vorgertragen werden.
Nur allzu viel wirklich (Vor-)Fasächtliches ist nicht zu erwarten. Nur gerade ein einziges Mal wird mit dem Traditionellen Instrumentarium getrommelt und gepfiffen. Aber was heisst hier im traditionellen Sinne: Gespielt wird der Marsch «Sodeli» von Bernhard Beery Batschelet und Ivan Kym, eine Hommage an die 2010 verstorbene Kuttlebutzerin Bötschli, alias Erika Giger – ein schöner Marsch, der aber stark vom Bestreben der Komponisten geprägt ist, die Basler Fasnachtsmusik zu revolutionieren (und entsprechend schwer zu spielen ist), dass man ihn während der wirklichen Fasnacht wohl nur selten zu hören bekommen wird. Noch einen wesentlichen Schritt weiter geht der Virtuosen-Wettstreit zwischen Trommler und Pfeifer, der jeden auch noch so versierten Tambour und Pfeifer im Publikum den Glauben an das eigene Können nehmen kann. Iva Kym und Kevin Klapka wirbeln und trillern, dass es einem als Zuhörer oder Zuhörerin beinahe schwindlig wird, nehmen ihre Virtuosität dabei aber selber ein bisschen aufs Korn.
Whisky-Soda als Sängerinnen-Wettstreit
Schon eher zum Mitsummen lädt da der «Whisky-Soda» (eine Komposition des Kuttlebutzer-Urgesteins Lukas «Cheese» Burckhardt) ein. Der längst zum unverzichtbaren Fasnachtsmusik-Standard avancierte Marsch wird aber nicht mit Trommel und Piccolo interpretiert, sondern kommt als Sängerinnen-Wettstreit von drei Königinnen der Nacht (wunderbar: Christina Volk, Linda Deborah Loosli und Anna Veit) daher, begleitet vom Dudelsack-Singsang des Frauenchors Ensemble Singvoll. Das Frauenensemble beweist auch bei weiteren Auftritten, dass Chorgesang trotz schöner Mehrstimmigkeit durchaus nicht nur ernst und würdevoll daherkommen muss. So etwa bei der wunderbaren A-Capella-Interpretaion von Bachs Air aus der 3. Orchestersuite als Begleitmelodie für den geflüsterten Trommeltext der Retraite (Martin Bammerlin).
Der gesamte Abend besticht durch das Spielerische und durch Überraschungsmomente. Wer glaubt, dass das Duo mit Bildgestell und Handorgel nun doch noch einen fasnächtlchen Schnitzelbangg zum Besten gibt, wird sogleich eines Besseren belehrt. Der Schnitzelbangg von Florian Volkmann und Anna Veit entpuppt sich als bayrisch vorgetragene Sau-Metzgete oder «Schnitzelstand», wie gesagt wird, die sich durch alle Innereien hindurch zur Kuttle hindurcharbeitet. Wunderbar auch der Auftritt «Das macht me nit» des Gründers des Vereins «Das hänn mr no nie eso gmacht» (Stefan Uehlinger), dem, seit ihn seine Frau verlassen hat, zu seinem grossen Leidwesen nur noch politisch unkorrekte Verse einfallen.
Wunderbares Ensemble
Es gibt an diesen anderthalbstündigen Abend noch zahlreiche weitere erwähnenswerte Auftritte: Etwa das reizend-skurrile Duo eines Gartenzwergs mit Mundharmonika und eines Marienkäfers mit Ocarina (Hans Willin und Christina Volk) oder die virtuosen Auftritte des Saxophonisten-Ensembles ARTE Quartett. Oder die Improvisation von Piccolo (Kevin Klapka) und Trommel (André Rütti) mit den beiden fahrbaren und quitschenden Tinguely-Maschninen «Klamauk» und «Le Safari de la Mort Moscovite». Ab und zu merkt man es dem Abend zwar an, dass dem bunt zusammengewürfelten Ensemble nicht allzuviel Probezeit zur Verfügung gestanden hat – so müssen die Protagonisten der Rahmenhandlung ihre Texte zum Teil noch vom Blatt lesen. Das tut aber letztlich der gewinnenden Frische des Anlasses keinen Abbruch. «Kuttlete» ist ein schöner Beweis dafür, dass in der Basler Fasnacht beziehungsweise auch in der Basler Vorfasnacht mehr stecken kann als die Huldigung alter Traditionen. Etwas, was nicht zuletzt die Fasnachtsclique Kuttlebutzer vorgemacht hat.
«Kuttlete»
Im Museum Tinguely
Zweite und letzte Vorstellung: Heute Sonntag, 3. Februar, 19.00 Uhr
Abendkasse im Museum