So still darf unsere Schule nicht umgebaut werden!

Für die einen ist die Schulreform der beiden Basel so sensationell wie die erste Mondlandung, für die anderen schlicht ein Skandal. Das sind grosse Worte, die aber leider sehr wenig bringen. Umso wichtiger wäre eine ernsthafte politische Debatte über den grossen Schulumbau. Ein Kommentar.

Mehr Mathe büffeln: Die Schulen in den beiden Basel stehen vor einem Umbau. Zu Recht? (Bild: Keystone)

Für die einen ist die Schulreform der beiden Basel so sensationell wie die erste Mondlandung, für die anderen schlicht ein Skandal. Das sind grosse Worte, die aber leider sehr wenig bringen. Umso wichtiger wäre eine ernsthafte politische Debatte über den grossen Schulumbau. Und um die in aller Stille eingefädelten Abstriche bei den Kreativ-Fächern. Ein Kommentar.

Das Lokal war perfekt gewählt für den grossen Auftritt: Die obersten Erzieher der beiden Basel, Urs Wüthrich (SP, BL) und Christoph Eymann (LDP, BS), luden die Medien am Freitag nach Liestal ins Museum.BL, um zu verkünden, dass die beiden Basel nun ein gemeinsames Schulsystem erhalten. Vom Kindergarten bis zum Gymnasium, mit einheitlichen Stundentafeln auf allen Stufen. Ein Projekt, «historischer als historisch», wie der Basler Erziehungsdirektor Eymann sagte, höchstens noch zu vergleichen mit der ersten Mondlandung – zumindest wenn zutrifft, was der Baselbieter Bildungsdirektor Wüthrich sagte: «Hier im Museum gibt es eine Ausstellung zum Thema Raumfahrt. Insofern passt der Rahmen bestens.»

Trotz der schönen Worte gibt es im Bildungsbereich der beiden Basel aber erhebliche Startschwierigkeiten. Und Unstimmigkeiten. Dass die aktuellste Ausstellung im Museum.BL nicht irgendwelchen Höhenflügen gewidmet ist, sondern dem Thema der Verstellung, der Verschleierung und der Lüge, mag nur ein Detail sein. Aber ein bezeichnendes.

Mehr «Nützlichkeit»

Die Vertretungen der Musiklehrer und der Lehrer im Bereich Bildnerisches Gestalten haben jedenfalls noch vor der Medienkonferenz zu Recht darauf hingewiesen, dass die geplante Schulreform auch erhebliche Nachteile mit sich bringt (siehe Rückseite dieses Artikels). Die Kreativabteilung unter den Lehrern geht sogar so weit, von einem «Skandal» zu sprechen, weil in der Sekundarschule bei den musischen und gestalterischen Fächern erhebliche Abstriche vorgenommen werden. Ausgebaut wird der Unterricht dafür in den sprachlichen und vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern.

Ganz offensichtlich wollen die Regierungen der beiden Basel die Schulen auf Nützlichkeit trimmen, sie fit machen für die Wirtschaft. Es ist ein ähnlicher Prozess, der bei der Universität bereits in vollem Gange ist, wie die TagesWoche kürzlich berichtet hat. Als «Skandal» muss man das nicht unbedingt sehen, weil die Unternehmen in der Schweiz tatsächlich mehr Naturwisschenschaftler brauchen. Und weil es den meisten Schulabgängerinnen und –abgängern nicht sehr viel bringt, schön singen und zeichnen zu können, wenn sie sich für einen Job am bewerben sind.

Hinter verschlossenen Türen

Störend ist es dennoch, wie instransparent der grosse Umbau der Schule vorgenommen wird. Die Behörden haben die Reform eingefädelt, die Regierungen beschlossen, alles im stillen Kämmerchen. Danach mussten nur noch der Bildungsrat im Baselbiet und der Erziehungsrat in Basel zustimmen. Zwei Gremien mit handverlesenen Mitgliedern, die von den zuständigen Regierungsräten Wüthrich und Eymann präsidiert werden. Zwei Gremien auch, die ebenfalls hinter verschlossenen Türen tagen und offenkundig auch von gewichtigen Interessenvertretungen wie den Wirtschaftsverbänden beeinflusst werden.

Eine grosse Überraschung ist der Abbau der Kreativ-Fächer zugunsten der naturwissenschaftlichen Fächer unter solchen Voraussetzungen nicht. Umso interessanter ist die Frage, ob dieser Umbau richtig ist, nicht nur für die Kinder und Jugendlichen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Ob es überhaupt richtig ist, die Schulen immer mehr in den Dienst der Wirtschaft zu stellen.

Als Phil-Einer ist man geneigt zu sagen: nein. Die Gesellschaft braucht nicht nur nützliche Menschen, die möglichst gut funktionieren. Sie braucht auch kreative Köpfe und Querdenker, die sich kritisch mit ihr auseinandersetzen und ihr neue Impulse verleihen, gerade jetzt, in der gegenwärtigen Krise. Darum wäre es erfreulich, wenn die Politikerinnen und Politiker der beiden Basel nicht einfach hinnehmen, dass die Debatte über die Ausrichtung der Schule beendet ist, noch bevor sie überhaupt richtig begonnen hat und entsprechende Vorstösse einreichen.

Denn bei dieser Frage entscheidet sich nichts weniger als unsere Zukunft. 

Artikelgeschichte

Die Ausstellung «3,2,1 … Start! Einmal Weltraum und zurück» ist im Museum.BL noch bis Ende Jahr weiter zu sehen – neben der aktuellsten Ausstellung «Bschiss! Wie wir einander auf den Leim gehen», die noch bis Mitte 2013 fortgeführt wird. Alles weitere dazu ist dem Programm des Museums.BL zu entnehmen. In der ersten Version dieses Kommentars war irrtümlich die Rede davon, dass die Weltraumausstellung bereits abgeschlossen ist.

Nächster Artikel