So wollen Basler Detailhändler die Kundschaft wieder in ihre Läden bringen

Einkaufen allein macht die Kunden nicht froh. Mit «Social Engagement» wollen die Detaillisten in Basel mehr Menschen in ihre Läden locken.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Einkaufen allein macht die Kunden nicht froh. Mit «Social Engagement» wollen die Detaillisten in Basel mehr Menschen in ihre Läden locken.

Glaubt man den Wirtschaftsbeobachtern und -prognostikern, dann ist die Lage im Einzelhandel dramatisch: So haben die Marktforscher bei der GfK Switzerland AG in den ersten sechs Monaten dieses Jahres eine Umsatzeinbusse von 1,9 Prozent gemessen. Ein Umschwung ist so schnell nicht zu erwarten, das Forschungsinstitut BAK Basel sagt den Einzelhändlern für dieses Jahr einen Umsatzrückgang von mehr als zwei Prozent voraus. So schlecht lief das Geschäft seit 35 Jahren nicht mehr. 

Auch die Detaillisten beklagen schlechte Zahlen. Sie tun dies entweder explizit, wie Pierre Brunschwig, Chef der Luxusmodegeschäfte Bongénie Grieder, der gegenüber dem «Tages-Anzeiger» von einem Minus von 7,5 Prozent sprach. Oder sie tun dies verklausuliert, wie Manor-CEO Bertrand Jungo, der in einem Interview mit der «Basler Zeitung» die Floskel des «Negativwachstums» bemühte. Der «Tages-Anzeiger» will herausgefunden haben, dass die Umsatzeinbusse bei Manor zwischen drei und vier Prozent beträgt.

Weniger Kunden in den Geschäften

Noch besorgter als auf den Umsatz blicken die CEOs der Einzelhändler aber auf eine andere Kennzahl: die Kundenfrequenz. Diese sinkt, es hat immer weniger Leute in den Läden. Das ist ein Problem, weil Einkaufen insbesondere bei Konsumgütern und Lebensmitteln auch Gewohnheitssache ist. Wer einem Laden einmal fernbleibt, ist schwer erreichbar.

So haben zwar vor allem die grossen Warenhäuser ihre Preise im Zuge der Frankenaufwertung gesenkt und so ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der ausländischen Konkurrenz wieder etwas erhöht. Doch den Kunden geht es längst nicht mehr allein um die Preise. So platt die Phrase, so entscheidend: Die Kunden wollen ein Einkaufserlebnis. Sie gehen dorthin, wo das Gemüse besonders attraktiv präsentiert wird und die Auswahl stimmt. Sie kaufen dort ein, wo es zum Anprobieren der neuen Garderobe einen Kaffee oder ein Cüpli gibt.

Das Schlagwort der Stunde in den Chefbüros der grossen Warenhäuser heisst deshalb «Social Engagement». Manor-Chef Jungo sieht darin die Zukunft. Und seine Marketingabteilung zieht mit. Manor plant eine regelrechte «Sozial»-Offensive.

Yoga, Salsa, Sommelier

Demnächst finde auf der Manor-Terrasse die erste Yogalektion statt, erzählt Mediensprecherin Elle Steinbrecher. Geplant sind zudem eine Styleberaterin, die Kundinnen bei der Auswahl ihrer Kleider unterstützt, und Tanzvorführungen zwischen den Regalen. Bereits lanciert sind ein Sommelier- sowie ein Heimlieferservice. Wer für mehr als 100 Franken Lebensmittel einkauft, kann sich diese kostenlos von einem Fahrradkurier nach Hause bringen lassen.

«Ganz generell setzen wir jetzt auf einen ausgebauten Kundenservice», sagt Steinbrecher. Der Sommelier und der Heimlieferdienst hätten sich bereits gut etabliert. Das Gleiche gelte für «Click & Collect», wo man etwa Kleider online bestellen und im Warenhaus anprobieren und abholen kann.



Das Modegeschäft Wicky zwischen Picassoplatz und Aeschenvorstadt ist Coiffeursalon, Café-Bar und Boutique zugleich.

Das Modegeschäft Wicky zwischen Picassoplatz und Aeschenvorstadt ist Coiffeursalon, Café-Bar und Boutique zugleich. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Während die Grossen der Branche den Wandel vom nüchternen Einkaufszentrum zum kundenorientierten Shoppingtempel erst gerade angehen, haben kleine innovative Geschäfte ihr Konzept längst den neuen Kundenbedürfnissen angepasst. Das Modegeschäft Wicky zwischen Picassoplatz und Aeschenvorstadt etwa ist Coiffeursalon, Café-Bar und Boutique zugleich, und das seit zehn Jahren.

Inhaberin Laurence Solér sagt: «Nur ein Kleidergeschäft, das wäre mir zu langweilig gewesen.» Ihr gehe es um die Stimmung, sie wolle ihre Kundschaft nicht nur zum Einkaufen, sondern zum Verweilen einladen. Das hat offenbar Erfolg, denn Solér sagt, sie habe kaum eine Verschlechterung bemerkt, seit der Euro-Mindestkurs aufgehoben wurde. Zumal sie ihre Preise dem tieferen Kurs ohnehin angepasst hat.




«Ein Zusatzservice ist nur sinnvoll, wenn er genau zur Zielgruppe passt», sagt David Nippel, Inhaber «Drei-Käse-Hoch» und macht es vor: Seine Stillecke kommt bestens an, die Frauen stehen samstags Schlange.
(Bild: Hans-Jörg Walter)


Natürlich ist es nicht damit getan, neben den Kleiderregalen ein Café einzurichten. Das zeigt der Fall des Modehauses Spira, das vor einigen Tagen die Schliessung bekannt gab. In diesem Fall konnte auch das seit Jahren bestehende gastronomische Angebot nichts ausrichten. «Wenn man einen zusätzlichen Service anbieten will, dann muss man die Bedürfnisse seiner Kunden genau kennen», sagt David Nippel, Inhaber des Babygeschäftes Drei-Käse-Hoch. In seinem Laden hat er eine Stillecke eingerichtet. Nicht nur können sich Mütter dort in Ruhe zum Stillen ihres Babys zurückziehen, es gibt auch Gratis-Kaffee und einen Wickeltisch mit kostenlosen Windeln. Damit trifft Nippel genau ins Schwarze.

«Unsere Stillecke wird rege genutzt», sagt er. Am Samstag würden sich regelrechte Schlangen bilden. Er könne nicht sagen, ob sich das auch direkt auf sein Geschäft niederschlage. Aber Tatsache ist: «In unserem Geschäft sind stets Leute, das sieht auf jeden Fall attraktiver aus als ein leeres Ladenlokal.»

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Die TagesWoche hat dem Einzelhandel in Basel einen Schwerpunkt gewidmet, erschienen sind folgende Beiträge aktuell dazu:

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