Staatstrojaner: Der kleine Bruder

Der Bundesrat will künftig Staatstrojaner erlauben – allerdings nur bei «schweren Delikten». Verschlüsselte Kommunikation via Mail und Skype darf überwacht werden, eigentliche Online-Durchsuchungen werde es nicht geben, versicherte Justizministerin Simonetta Sommaruga.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga erklärt, wie die Hintertür-Software des Bundes funktionieren darf. (Bild: Keystone)

Der Bundesrat will künftig Staatstrojaner erlauben – allerdings nur bei «schweren Delikten». Verschlüsselte Kommunikation via Mail und Skype darf überwacht werden, eigentliche Online-Durchsuchungen werde es nicht geben, versicherte Justizministerin Simonetta Sommaruga.

Es war ein etwas seltsames Schauspiel. Justizministerin Simonetta Sommaruga präsentierte am Mittwoch die Ideen des Bundesrats zum Thema «Online-Überwachung» und entschuldigte sich dabei fortlaufend. Sie verstehe die Bedenken, präventive Überwachung dürfe es nicht geben, ein Schnüffelstaat müsse unbedingt verhindert werden. Aber, und dieses «aber» war entscheidend: «Aber wir dürfen ein nützliches Instrument nicht von vornherein ausschliessen.»

Das «nützliche Instrument» ist ein Programm, das in den vergangenen Monaten als «Staatstrojaner» unrühmliche Berühmtheit erlangte. In Deutschland spionierte der Staat damit die Computer seiner Bürger aus, und auch in der Schweiz kamen Staatstrojaner zum Einsatz.

Im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) soll nun der Einsatz von Staatstrojanern klar geregelt und erlaubt werden. Voraussetzung für eine Überwachung ist laut Sommaruga ein laufendes Strafverfahren, ein Antrag der Staatsanwaltschaft und eine Bewilligung durch einen Richter. Dabei sollen nur Delikte infrage kommen, bei denen schon heute verdeckte Ermittlung zulässig ist.

«Mit diesen klaren Richtlinien möchte der Bundesrat das Vertrauen der Bevölkerung stärken», sagte Sommaruga und nannte Mörder, Entführer und «Pädokriminelle» als mögliche Objekte einer Überwachung. Ihr Generalsekretär Matthias Ramsauer ergänzte, dass mit dem staatlichen Überwachungsprogramm ausschliesslich verschlüsselte Kommunikation via Mail oder via Skype abgehört würde – generelle Durchsuchungen von Festplatten seien explizit ausgeschlossen.

An dieser Darstellung wurde bereits am Mittwochnachmittag Zweifel laut. Rechtsanwalt Martin Steiger verweist in seinem Blog auf die Expertise des renommierten Deutschen Chaos-Computerclubs, wonach eine solche funktionale Trennung der Fähigkeiten einer Trojaner-Software gar nicht möglich sei. 

Unklare Rechtslage

Im Justizdepartement wird nach dem «Richtungsentscheid» des Bundesrats nun eine Botschaft erarbeitet, in der alle angekündigten Richtlinien konkret ausgeführt werden. Das heisst allerdings nicht, dass die Kantone bis dahin warten müssen, um bei Strafverfolgungen einen Trojaner einzusetzen. In den vier bisher bekannten Fällen, in denen Staatstrojaner eingesetzt wurden, beriefen sich die Kantone auf die bestehende Rechtsgrundlage. «Diese Auslegung ist umstritten», sagte Ramsauer dazu – aber nicht viel mehr. Auch Simonetta Sommaruga wollte mit dem Hinweis auf die Gewaltentrennung den kantonalen Behörden keine Empfehlung für den weiteren Einsatz von Trojanern geben.

Quellen

Artikelgeschichte

23.11.2011, 18.28 Uhr – Text Ergänzt um einen Absatz mit der Kritik an der Darstellung des Justizdepartements, der Bundestrojaner werde nur Kommunikation abhären können.

Nächster Artikel