Steinengraben: Helvetia bevorzugt ein Geisterhaus

Der ewige Streit um den Abriss der Steinengraben-Häuser ist noch nicht zu Ende. Die Bewohner des Haus 36 mussten inzwischen dennoch ausziehen. Dass das leere Haus mehr Aufwand macht, ist der Eigentümerin Helvetia offenbar egal.

Seit dem 1. Dezember leer und inzwischen auch verbarrikadiert: Das Haus 36 am Steinengraben.

(Bild: Michel Schultheiss)

Der ewige Streit um den Abriss der Steinengraben-Häuser ist noch nicht zu Ende. Die Bewohner des Haus 36 mussten inzwischen dennoch ausziehen. Dass das leere Haus mehr Aufwand macht, ist der Eigentümerin Helvetia offenbar egal.

Offenbar ging alles ruck, zuck: «Noch bevor wir ganz draussen waren, wurden die Fenster verbarrikadiert, das Heizöl abgepumpt und die Schlösser gewechselt», sagt Aline Burckhardt verärgert, die bis vor kurzem am Steinengraben 36 wohnte. Am 1. Dezember hiess es für ihre Mietpartei: Kofferpacken und gehen. Das war so abgesprochen mit den Helvetia Versicherungen, der Eigentümerin der Häuserzeile.

Wie Burckhardt erzählt, war sie noch mit einem Bein in der Wohnung, als am «Zügeltag» bereits die Handwerker aufkreuzten. Nun versperren Holzbretter die Sicht auf das Innere des Gebäudes.

Die Eile der Eigentümerin dürfte mit der ewigen Vorgeschichte zu tun haben: Der Streit um die Zukunft der Häuserzeile am Steinengraben 30 bis 36 ist schon seit über zwei Jahren im Gange.

Der Versicherungskonzern möchte die Liegenschaft aus dem 19. Jahrhundert abreissen und dafür einen Büroneubau mit Wohnungen in den oberen Stockwerken errichten. Die beiden letzten verbliebenen Bewohner des Hauses 36 protestierten, ebenso die Nachbarn, welche die Häuser 30 bis 34 im Rahmen einer Zwischennutzung bewohnen. Den Entscheid der Baurekurskommission vom Oktober wollen sie (mit Unterstützung des Mieterverbands), aber auch Helvetia selbst anfechten

Ungewiss, ob die Wohnfläche nochmals genutzt wird

Während der Ausgang dieser Auseinandersetzung noch offen ist, bleibt das Haus 36 vorläufig unbewohnt. Dabei hätte es auf drei Stockwerken gut erhaltenen Wohn- und Arbeitsraum zu bieten: Im Parterre befinden sich vier Räume, Büros und Ateliers, im zweiten und dritten Stock Wohnungen mit 4,5 bis 6,5 Zimmern. Küchen, Badezimmer, Fenster und Leitungen wurden im Laufe in den letzten 15 Jahren renoviert.



Noch schauen die Maskarone von der Fassade aus dem 19. Jahrhundert herab. Was aber mit dem Gebäude geschehen wird, steht noch in den Sternen.

Noch schauen die Maskarone von der Fassade aus dem 19. Jahrhundert herab. Was aber mit dem Gebäude geschehen wird, steht derzeit in den Sternen. (Bild: Michel Schultheiss)

Aline Burckhardt, welche in diesem Haus aufgewachsen ist, blieb nach dem Auszug der anderen Mietparteien noch bis Ende November am Steinengraben. Sie hatte mit mehreren Einsprachen versucht, so lange wie möglich dort zu bleiben. Nach intensiven und aus ihrer Sicht nervenaufreibenden Auseinandersetzungen mit der Eigentümerin beschloss sie zusammen mit ihrem Mitbewohner, die Sache nicht mehr weiterzuziehen, und fand schliesslich eine neue Wohnung.

Ehemalige Bewohnerin kritisiert das Vorgehen von Helvetia

Wie Helvetia im Oktober gegenüber der TagesWoche versicherte, werde man die Liegenschaft «in geeigneter Form» weiter nutzen. Wie das geschehen wird, ist aber noch nicht publik. «Wir suchen für die betreffenden Liegenschaften nach wie vor eine geeignete Möglichkeit für eine Zwischennutzung, was sich aufgrund des laufenden Verfahren als ziemlich schwierig erweist», sagt Helvetia-Sprecher Hansjörg Ryser.

Warum das Haus im Parterre verbarrikadiert wurde, begründet er so: «Im Erdgeschoss, wo sich Büroräumlichkeiten befinden, wurden bauliche Vorkehrungen getroffen, um Sachbeschädigungen vorzubeugen.»

Burckhardt kann die Vorgehensweise von Helvetia nicht nachvollziehen. Gerade weil das Gebäude nun leer steht, ergebe sich für Helvetia überhaupt erst dieses Problem. «Hätten sie uns einfach drin gelassen, hätten sie diesen Aufwand nicht betreiben müssen», sagt Burckhardt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass bis zu einem allfälligen Abriss wieder Leben in das Haus einzieht, ist eher gering. Wann und ob Helvetia grünes Licht für ihr Vorhaben bekommt, ist noch nicht bekannt. Ob Helvetia die Häuser, die von der bürgerlichen Wohnkultur des 19. Jahrhundert erzählen, in Brache belässt, untervermietet oder allenfalls selbst nutzen wird, möchte die Eigentümerin noch nicht publik machen.

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