Der grüne Star (Glaukom) birgt für die Betroffenen das Risiko einer erheblichen Einschränkung des Sehvermögens. Ältere Menschen sollten ihre Augen regelmässig untersuchen lassen.
Grüner Star ist die im Volksmund geläufige Bezeichnung für die Augenerkrankung Glaukom. Dem berühmten Berliner Augenarzt Albrecht von Graefe (1828–1870) verdankt die Glaukomforschung und -behandlung im Grunde ihre Geburtsstunde. Er beschrieb erstmals 1857 die Glaukom-induzierte Sehnervenveränderung, erkannte den Zusammenhang mit einem erhöhten Augeninnendruck und entwickelte die erste Operationsmethode zur Behandlung des grünen Stars. 1880 kam mit Pilocarpin das erste Medikament dazu.
Der Grüne Star ist eine der häufigsten Augenerkrankungen weltweit. Die Häufigkeit nimmt mit zunehmenden Lebensalter zu, bis zu 1,5 Prozent der Bevölkerung über 40 Jahre ist betroffen. Die Zahl der Betroffen steigt bis auf das Doppelte bei den über 70-Jährigen. Damit ist absehbar, dass wir mit der zunehmenden Lebenserwartung auch mit einer Zunahme glaukomerkrankter Menschen in Zukunft rechnen müssen.
Entstehung und Risikofaktoren
Heute verstehen wir Glaukom als einen Sammelbegriff, der viele unterschiedliche Erkrankungen beinhaltet, deren gemeinsames Kriterium aber die charakteristische Schädigung des Sehnerven und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen in Form von Gesichtsfelddefekten sind. Streng genommen ist grüner Star demnach eigentlich ein Sehnervenerkrankung (Optikusneuropathie).
Grösster bekannter Risikofaktor für das Glaukom ist der erhöhte Augeninnendruck. Lange galt der erhöhte Augeninnendruck als wichtigstes Kriterium, bis man erkannte, dass Patienten auch an einem Glaukom erkranken können, ohne zwangsläufig erhöhte Augeninnendruckwerte aufweisen zu müssen. Weitere Faktoren wir die Durchblutung oder auch genetische Faktoren können wesentlichen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben.
Glaukomformen und ihre Bedeutung
Wir unterscheiden heute Glaukomerkrankungen, die eigenständige Erkrankungen darstellen (primär) und solche, die als Folge anderer Augenveränderungen (sekundär, z.T. nach einer Verletzung oder bei Diabetes) entstehen.
Das primäre chronische Offenwinkelglaukom ist die häufigste Glaukomform überhaupt. Neben dem höheren Lebensalter, in dem es sich zumeist manifestiert, spielen auch genetische Faktoren eine Rolle. Es findet sich deshalb auch eine familiäre Häufung. Die eigentliche Ursache dieses Glaukoms ist nicht bekannt.
Die zweithäufigste Glaukomerkrankung in diesen Breiten ist das sogenannte Kapselhäutchenglaukom, wobei die vermehrte Produktion feinster Proteinablagerungen zu Verstopfungen der Abflusswege führt. Das Kapselhäutchenglaukom ist ebenfalls eine Erkrankung des höheren Lebensalters und durch einen chronischen Verlauf gekennzeichnet.
Unbehandelt besteht wegen des häufig chronischen Verlaufs der genannten Glaukomformen ein Erblindungsrisiko. Da vor allem in der dritten Welt viele Erkrankte nicht behandelt werden, ist der grüne Star weltweit sogar die zweithäufigste Erblindungsursache. Dabei kommt es über einen langsam voranschreitenden Verlust von Sehnervenfasern zu einem schrittweisen Verfall des Gesichtsfeldes. Wegen des chronisch schleichenden Verlaufs hat der Patient oft über längere Zeit keine Symptome, so das stets die Gefahr besteht, das solch ein Glaukom erst in den fortgeschritteneren Stadien entdeckt wird.
Neben vielen selteneren Sonderformen des Glaukoms ist der so genannte Glaukomanfall noch herauszuheben. Der Glaukomanfall basiert auf einer plötzlich eintretenden Blockade des Kammerwasserflusses innerhalb des Auges auf Höhe der Pupille. Bei mittelweiter Pupille kann es in einem anatomisch engem Auge durch eine zu feste Berührung von Regenbogenhaut und Linse zu dieser Blockade kommen. Es braucht dann nur wenige Minuten, bis der Aufstau von Flüssigkeit hinter der Regenbogenhaut diese nach vorne wölbt und einen Abfluss von Kammerwasser aus dem Auge unterbindet. Es kommt dann zu einem sehr starken Anstieg des Augeninnendrucks mit einer heftigen Schmerzsymptomatik, Sehverschlechterung und Rötung des betroffenen Auges. Allgemeinsymptome wie Übelkeit können noch dazu kommen. Der Glaukomanfall trägt ein recht hohes Erblindungsrisiko in sich, wenn er nicht zügig durchbrochen wird. Deshalb gilt der Glaukomanfall unbedingt als Notfall in der Augenheilkunde und muss sofort einer augenärztlichen Behandlung zugeführt werden.
Diagnostische Massnahmen
In der Diagnostik des Glaukoms gibt es einen Teil an Untersuchungen, die bei jedem Patienten mit Glaukomverdacht durchgeführt werden sollten, und eine Reihe zusätzlicher Untersuchungsmethoden, die ergänzend und je nach individueller Situation oder Krankheitsbild hinzukommen.
Es bedarf auf jeden Fall einer Analyse des Augeninnendrucks, um seine Höhe und seine Schwankungsbreite zu erkennen. Auch ein starkes Schwanken des Augeninnendrucks kann ein Hinweis für ein Glaukom sein. Zumeist wird diese Analyse in Form eines Tagesdruckprofils (mehrfache Messungen über den Tag) vorgenommen.
Dem schliessen sich eine Reihe weiterer Untersuchungen an mit dem Ziel, die konkret vorliegende Glaukomform zu erkennen und das Stadium der Erkrankung zu beschreiben. Beides ist Voraussetzung, um eine individuelle Therapie festlegen zu können. Besonderes Augenmerk gilt natürlich dem Ausmass des bereits eingetretenen Sehnervenschadens und den damit möglicherweise schon vorhandenen Funktionseinschränkungen in Form von Gesichtsfelddefekten.
Behandlung und Verlauf
Ein grüner Star ist an sich keine Erkrankung, die vollständig geheilt werden kann. Ziele in der Behandlung aller chronischen Formen des grünen Stars sind heute:
1. das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern respektive zu verhindern;
2. einen (weiteren) Verlust an Sehvermögen zu verhindern;
3. die Lebensqualität des Patienten zu erhalten.
Dabei gilt prinzipiell, das ein bereits fortgeschrittener Befund eine intensivere Therapie benötigt als ein Anfangsstadium. Bei grenzwertigen Befunden kann auch die reine Beobachtung des Patienten die richtige Massnahme sein. Es geht also darum, für jeden Patienten ein individuelles Therapieziel zu formulieren.
Heutzutage besteht die Glaukomtherapie noch überwiegend in der bestmöglichen Senkung des Augeninnendrucks, zumeist in Form einer medikamentösen Behandlung mit Augentropfen. Hierfür steht eine ganze Reihe hochwirksamer Augentropfen zur Verfügung, die auch in Kombination angewendet werden können. Natürlich müssen diese Augentropfen wie verordnet regelmässig und richtig angewendet werden! Je mehr Augentropfen verordnet werden, umso schwieriger wird dies für den Patienten sein. Nicht jeder Patient kann sich selbst tropfen, so dass unter Umständen Familie oder soziale Dienst eingebunden werden müssen. Wichtig ist auch, den Patient aktiv in die Behandlung einzubeziehen (z.B. Glaukompass), um seine Motivation zu erhalten.
Nebenwirkungen von Augentropfen
Wie alle Arzneimittel können auch Augentropfen mit Nebenwirkungen einhergehen. Dabei handelt es sich z.B. um allergische Reaktionen oder die Verstärkung eines trockenen Auges. Es gibt aber natürlich auch Nebenwirkungen, die nicht am Auge selbst auftreten (z.B. Kopfschmerzen, Atembeschwerden). Der Patient sollte deshalb auch im Zweifel entsprechende Beobachtungen an seinen Augenarzt weiterleiten und diesen auch immer über Änderungen seines Allgemeinbefinden informieren. Prinzipiell empfiehlt es sich, unmittelbar nach der Tropfengabe das Auge 1-2 min zu schliessen und mit einem Finger Druck auf den inneren Lidwinkel auszuüben. Der Wirkstoff bleibt damit länger an der Augenoberfläche wirksam und es fliesst wesentlich weniger in die Nase ab. Die Nasenschleimhaut gilt als grösste Resorptionsfläche für Augentropfen, so dass diese einfachen Massnahmen für die Verträglichkeit einen wichtigen Beitrag leisten können.
Obwohl im Volksmund die weit verbreitete Meinung gilt, das der grüne Star nicht operabel sei, kommen heute neben den Medikamenten auch Laser und Operationen zum Einsatz. Eine moderne Lasermethode stellt die Selektive Laser Trabekuloplastik dar, die bei den beiden häufigsten chronischen Glaukomen (primär chronisches Offenwinkelglaukom, Kapselshäutchenglaukom) eingesetzt werden kann. Bei dieser Methode werden ultrakurze Laserimpulse (3 Nanosekunden pro Impuls) zur Anregung von Stoffwechselprozessen in die Kammerwasser-Abflusswege (Trabekelwerk) appliziert. Die Methode zeichnet sich durch eine hohe Sicherheit und einfache Durchführbarkeit aus. Das Verfahren ergänzt die medikamentöse Therapie deshalb hervorragend. Daneben wird die sogenannte YAG-Iridotomie zur Anlage kleiner Löcher in der äusseren Regenbogenhaut eingesetzt, um plötzliche Blockaden (Glaukomanfall!!) bei anatomisch engen Augen zu verhindern.
Operative Möglichkeiten
Bei den operativen Möglichkeiten haben wir heute mehrere Verfahren, die alle recht erfolgreich eine Augeninndrucksenkung bewirken. Operative Eingriffe kommen aber i.d.R. erst dann zum Einsatz, wenn Medikamente und Laser nicht erfolgreich waren. Die Operationen bewirken an sich auch keine Sehverbesserung, sondern hauptsächlich eine Senkung des Augeninnendrucks. Bei einer der bewährtesten Methoden geht es um die Schaffung eines neuen Abflussweges nach Aussen unter die Bindehaut (sogenannte filtrierende Operation oder Trabekulektomie. Die Operation eines Patienten mit grünem Star bedeutet eine sorgsame Vorbereitung, den Eingriff selbst, aber auch eine intensive und oft über Wochen gehende Nachbetreuung, um ein optimales Ergebnis erreichen zu können. Für den Glaukomanfall (siehe oben) rückt der operative Eingriff in Form eines Regenbogenhautausschneidung (Iridektomie) sogar an die erste Stelle. Durch die Anlage einer „zweiten Pupille“ wird der Blockademechanismus für die Zukunft umgangen.
Da mit der Behandlung das Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden soll, muss sich der Patient regelmässig in Kontrolle begeben. Dies kann oft 2 bis 4 Kontrollen in einem Kalenderjahr bedeuten. Neben der Augeninnendruckmessung sind die Gesichtsfelduntersuchung (etwa 1x/Jahr) und die direkte Vermessung des Sehnerven (Abbildung 5) die wichtigsten Instrumente des Augenarztes in der Verlaufskontrolle.
Diese konkreten Therapiemassnahmen sollten von allgemeinen Massnahmen begleitet werden: absolutes Rauchverbot, allgemein gesunde Ernährungsweise, altersentsprechende, mässige sportliche Betätigung (Ausdauersport), optimale hausärztliche Betreuung mit konsequenter Blutdruck- und Blutzuckereinstellung (soweit erforderlich). Bei speziellen Glaukomformen können auch zusätzliche durchblutungsfördernde Mittel hilfreich sein (Magnesium, Gingko bilova).
Prof. Dr. med. Torsten Schlote und Dr. med. Pavel Schneider,
Tagesklinik Ambimed, Basel