Die Verbreitung des Internets steigt exponentiell. Und damit auch der Stromverbrauch. Ein britischer Forscher warnt nun, dass das Internet wegen Stromknappheit rationiert werden könnte. Ist das ein realistisches Szenario?
Eine Google-Anfrage, ein Skype-Telefonat oder ein Musikdownload auf Spotify – das alles kostet Strom. Milliarden Menschen sind tagtäglich in sozialen Netzwerken online, kaufen bei Internethändlern ein und schauen Bilder, Videos und Fernsehsendungen im Netz. Die Rechenzentren der Tech-Giganten laufen auf Hochtouren. Um die Serverfarmen, die bisweilen so gross wie Flugzeug-Hangars sind, zu kühlen, sind riesige Mengen Energie nötig.
Facebook hat hundert Kilometer südlich vom Polarkreis, im kalten Klima Schwedens, Europas grösstes Rechenzentrum gebaut. Die Frage ist: Wie viel Strom frisst die ganze Internet-Infrastruktur, inklusive Datenzentren, Kommunikationsnetzen und allen Handys?
Internet-Betrieb in der Schweiz frisst jährlich mehr Energie als ein AKW produzieren kann.
Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts für das Wirtschaftsministerium ist die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in Deutschland für circa 10 Prozent des Strombedarfs (nicht des gesamten Energiebedarfs) verantwortlich. Zur IKT zählen unter anderem auch Radio, Telefonie und Fernsehen. In Grossbritannien benötigt die Internet-Infrastruktur acht Prozent des gesamten Strombedarfs, das entspricht der Leistung von drei Atomkraftwerken.
2012 zeigte eine Studie des Schweizer Bundesamts für Umwelt, dass der Betrieb des Internets Jahr pro Jahr rund 4,6 Terawattstunden Strom verbraucht, das sind knapp 8 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs. Zum Vergleich: Das Atomkraftwerk Mühleberg produziert rund 3 Terawattstunden pro Jahr.
Die Rechenleistung hat sich in den letzten Jahren potenziert. Konnte ein raumfüllender Computer in den 1950er-Jahren mit einer Kilowattstunde Strom (der Energiemenge, mit der man für vier Personen ein Mittagessen koch kann) nur rund zehntausend Operationen ausführen, schaffen heutige Laptops mit der gleichen Menge Strom mehr als eine Billiarde Operationen.
Schnelle Computer brauchen mehr Strom
Zwar hat sich die Energieeffizienz von Computern deutlich gesteigert. Doch auch die Geschwindigkeit, das heisst die Anzahl der Operationen, die pro Sekunde durchgeführt werden, hat fast in gleichem Masse zugenommen, sodass sich die beiden Effekte nahezu neutralisieren.
«Ein PC braucht heute pro Minute beinahe so viel Strom wie die ersten Homecomputer vor gut 30 Jahren, die tausend Mal langsamer waren», schreibt Friedemann Mattern, Professor für Informatik an der ETH Zürich. Hinzu kommt, dass wir immer mehr Endgeräte wie Smartphone und Tablets nutzen.
Durch Cloud Computing und das Internet der Dinge wird der Energiebedarf weiter steigen. Vom Auto bis zur Zahnbürste werden künftig sämtliche Objekte vernetzt und mit dem Internet verbunden sein. Im Jahr 2020, so schätzen Wissenschaftler, werden die Internet- und Telekommunikationstechnik in Deutschland bereits ein Fünftel des gesamten Stromverbrauchs auf sich vereinen.
Der britische Forscher Andrew Ellis warnte jüngst davor, dass das Internet dereinst «rationiert» werden könnte. «Es (das Internet) wächst so schnell, gegenwärtig exponentiell, dass es rein theoretisch bis 2035 die gesamte Stromerzeugung im Vereinigten Königreich aufbrauchen könnte», sagte er der «Sunday Times».
Ein «Internet-Zähler» der Datenmengen misst.
«Wir können nicht die ganze zusätzliche Energie erzeugen, deshalb müssen wir den Zugang reduzieren oder restriktiver handhaben, etwa, indem man die Nutzung abliest, sodass die Verbraucher zahlen, was sie nutzen.» Das Internet würde dann wie Strom oder Wasser mit einem Zähler abgerechnet. Das Netz als knappes Gut.
In einer Zeit, in der alles «on demand» verfügbar ist und das Internet in weiten Teilen der Welt zur Selbstverständlichkeit geworden ist, klingt eine Rationierung des Internets absurd. Es erinnert fatal an die Anfänge der (zweiten) industriellen Revolution beziehungsweise der Elektrifizierung, wo Strom nur zu bestimmten Uhrzeiten verfügbar war und man die Abende bei Kerzenlicht verbrachte.
Ist so ein Szenario vorstellbar?
Ralph Hintemann, Wissenschaftler beim Institut Innovation und Nachhaltigkeit in Berlin, hält das für «Panikmache». Im Gespräch mit der TagesWoche sagt er: «Die noch vorhandenen technischen Potenziale zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Netzen und Rechenzentren sind enorm. Wir könnten sogar erreichen, dass in Zukunft der Energiebedarf des Internets sinkt, wenn alle technischen Möglichkeiten realisiert werden.»
Es sei zwar richtig, dass die Datenübertragung über Fest- und Mobilfunknetze und die Datenverarbeitung und Speicherung in Rechenzentren in Zukunft voraussichtlich noch mehr Strom verbrauchen werden als heute. Weltweit gehe man von einem Anstieg um bis zu 50 % bis zum Jahr 2020 aus. Dafür steigen aber auch die Übertragungsraten und Datenmengen exponentiell.
Verursacherprinzip bei den Internetkosten
«In Deutschland und Europa wird der Anstieg voraussichtlich deutlich geringer ausfallen als im weltweiten Vergleich.» Es sei nicht davon auszugehen, dass das Internet «rationiert» werden müsse. «Das heisst aber nicht, dass es nicht eine Diskussion darüber geben könnte, die heute üblichen Flatrates so zu modifizieren, dass diejenigen, die extrem viel Daten übertragen, auch mehr bezahlen müssen», betont Hintemann.
Das sieht auch Informatikprofessor Mattern so. «Wenn es eng wird, dann werden die Kosten pro Bit nicht mehr so schnell sinken wie der Energiebedarf pro Bit, das heisst, eine Flatrate wird teurer, es wird nach Verbrauch abgerechnet und die Leute zahlen den Strompreis mit. Der Preis dafür wird auf dem Markt etabliert.»
Gleichwohl würde das gegen die Netzneutralität verstossen, den Grundsatz, dass alle Datenpakete im Netz gleichbehandelt werden. Die Deutsche Telekom ist mit ihren Plänen, die Surfgeschwindigkeit bei Pauschaltarifen zu drosseln, vor dem Landgericht Köln gescheitert. Aus eben diesen Gründen.
Doch das Thema ist damit längst noch nicht vom Tisch. In Zukunft wird es um die Frage gehen, wer Vorfahrt auf den überlasteten Datenautobahnen hat.
Mit der zunehmenden Internetnutzung ist noch ein weiterer Aspekt verbunden: die Umwelt. Das Verschicken einer Mail macht keinen Lärm und stinkt auch nicht. Trotzdem belastet das Internet die Umwelt. Das World Wide Web wird bisweilen als «Klimakiller» bezeichnet. Laut einer vielzitierten Studie verursacht eine Google-Suche sieben Gramm CO2. Aber stimmt das?
Googeln mit dem Smartphone verursacht ein Zehntelgramm CO2.
«Die CO2-Erzeugung für eine Suchanfrage entsteht oft im Endgerät selbst», erklärt IT-Experte Hintemann. «Wenn man mit einem typischen PC für eine Suchanfrage zehn Minuten benötigt, braucht man dafür schnell zehn Wattstunden (je nach Gerät und Monitor). Das wären dann gut fünf Gramm CO2 allein für das Endgerät. Macht man die gleiche Anfrage mit einem Smartphone, so verursacht das Endgerät nur circa 0,1 Gramm CO2.»
Wie viel die Netzverbindung verbraucht, ist somit sehr stark davon abhängig, auf welchem Weg man sich in das Internet begibt (Festnetz, Mobilfunk) und wie gross die Datenmengen sind, die übertragen werden. «Das reine Eingeben eines Begriffes bei Google und das Erhalten der Antwort in typischerweise deutlich weniger als einer Sekunde verursacht viel weniger als die genannten 7 Gramm CO2», hält Hintemann fest. «Google hat vor einiger Zeit selbst von 0,3 Wattstunden gesprochen – heute ist das ganze bestimmt noch viel effizienter.»
Google hat 168 Millionen Dollar in das weltgrösste Solarkraftwerk in der Mojave-Wüste investiert. Die Tech-Giganten setzen in grossem Stil auf Öko-Strom. Facebook und Microsoft betreiben ihre Rechenzentren in Iowa mit Windenergie.
Greenpeace USA hat vor kurzem seinen «Click Clean Report» für das Jahr 2015 vorgestellt. Darin schnitten vor allem Apple und Yahoo gut ab. Apples iCloud speist sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Dagegen setzt Amazon mehrheitlich auf Atom- und Kohlestrom.
Je nach Art der Stromerzeugung sind die verursachten CO2-Emmissionen unterschiedlich. In Deutschland bedeuten 0,3 Wattstunden einen ungefähren CO2-Ausstoss von 0,17 Gramm. Allein, die Effizienzgewinne werden durch steigende Datenmengen neutralisiert. Eine Google-Suche wird zwar sauberer, aber auch häufiger.