Stromnetz schneller ausbauen – aber wie?

Ohne raschen Ausbau des Höchstspannungs-Netzes, so warnt Swissgrid, lasse sich das Schweizer Stromsystem nicht mehr reibungslos betreiben. Doch die Art des Ausbaus hängt von vielen Unbekannten ab. Teurer wird es auf jeden Fall.

Die Schweiz geht sorgältiger um mit der Energie. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Ohne raschen Ausbau des Höchstspannungs-Netzes, so warnt Swissgrid, lasse sich das Schweizer Stromsystem nicht mehr reibungslos betreiben. Doch die Art des Ausbaus hängt von vielen Unbekannten ab. Teurer wird es auf jeden Fall.

Bei der Elektrizität verhält es sich wie beim Verkehr: Kraftwerke, Stromnetz und Stromverbrauch hängen ebenso eng zusammen wie Fahrzeuge, Strassen und Verkehrskonsum. Dabei ist zu unterscheiden: Grosse Autos im Fernverkehr brauchen andere Strassen als Velos im Nahverkehr, grosse Kraftwerke andere Übertragungsnetze als dezentrale Anlagen.

Bisher setzte die Elektrizitätswirtschaft primär auf grosse Atom-, Kohle- und Speicherkraftwerke; neuerdings auch auf Windparks und Pumpspeicher-Werke. Diese erfordern ein leistungsfähiges grenzüberschreitendes Höchstspannungsnetz, vergleichbar mit Autobahnen, um den Strom von den Kraftwerkzentralen über die Händler und Verteiler bis zu den Steckdosen zu transportieren. Dieses Netz ist heute vielerorts überlastet, und seine Regelung ist anspruchsvoller geworden. Denn bei der Stromversorgung müssen zeitlich schwankende Produktion und schwankender Verbrauch stets ins Gleichgewicht gebracht werden.

Netzausbau beschleunigen

An ihrer Medienkonferenz vom Mittwoch übermittelte Swissgrid, die Betreiberin des nationalen Höchstspannungs-Netzes, dazu zwei Botschaften. Die Gute: Im Geschäftsjahr 2012 ist es erneut gelungen, die Menge von 79 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom ohne Crash über die Schweizer Strom-Autobahnen zu transportieren. Und die Schlechte: Ohne baldigen Ausbau dieses Höchstspannungs-Netzes, so sagte Swissgrid-Chef Pierre Allein Graf, «ist das System nicht mehr führbar». Schon heute müsse die Swissgrid die Produktion von Kraftwerken oder den Strommarkt zeitweise einschränken.

Um die Stromversorgung langfristig zu sichern, fordert Swissgrid den Ausbau des Höchstspannungs-Netzes in zwei Stufen: Bis 2025 (ursprünglich 2020) sind Neu-, Um- und Ausbauten von Übertragungsleitungen mit einer Gesamtlänge von rund tausend Kilometern geplant, um «Engpässe» zu beseitigen. Bis 2035 sollen, je nach Energieszenarien des Bundes, weitere Leitungen aus- oder umgebaut werden. Um diese Ausbaupläne fristgerecht umzusetzen, fordert Swissgrid eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren, die noch einschneidender ist als die «Strategie Stromnetze» des Bundesamtes für Energie. So soll künftig nicht mehr das Bundes- sondern das Bundes-Verwaltungsgericht in letzter Instanz über Beschwerden gegen Ausbauprojekte entscheiden.

Widerstand gegen Stromstrassen

Diese Straffung oder Einschränkung der Bewilligungsverfahren wird jedoch auf ebenso grossen politischen Widerstand stossen wie neue Stromleitungen überhaupt. Denn über die Notwendigkeit und die Art des Netzausbaus herrscht Dissens. So schreibt etwa die grüne Schweizerische Energiestiftung (SES): «Ein Ausbau des Übertragungsnetzes ist für die Integration von dezentralen Kraftwerken und für die Energiewende nicht nötig.» Der geplante Ausbau diene «vor allem dem internationalen  Stromhandel und dem Anschluss von Pumpspeicher-Kraftwerken».

Tatsächlich ist heute ungewiss, ob die vom Bundesrat eingeleitete Energiestrategie 2050 zu einer globaleren oder aber zu einer dezentraleren Stromversorgung führt; letztere bedingte eher einen Ausbau der regionalen und lokalen Stromnetze. «Wir wissen nicht, wie sich die Lastflüsse künftig verändern», räumt Swissgrid-Chef Graf auf diese Frage ein, meint aber: «Wir können nicht zuwarten. Wenn wir die Energiewende bewältigen wollen, müssen wir auf beiden Schienen fahren.»

Stromkosten werden steigen

Unabhängig von Umfang und Kosten des Netzausbaus steht eines fest: Die Tarife für den Stromtransport auf dem Höchstspannungs-Netz werden schon ab 2014 steigen. Die gesamten Stromkosten für einen Haushalt mit 4500 kWh Jahresverbrauch erhöhen sich damit um rund zwei Prozent oder 20 Franken. Der Grund: Das Bundesgericht hat den Zins für das ins Übertragungsnetz investierte Kapital erhöht, um Investitionen attraktiver zu machen. Zudem werden künftig die gesamten Kosten für die sogenannten Systemdienstleistungen (Reservestrom für Netzregulierung) auf den Netztarif überwälzt.

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