Mit dem Ja zur Energiestrategie 2050 sind die Weichen neu gestellt. Doch vom Stromsparen spricht heute kaum mehr jemand. 25 Jahre nach seiner Geburt spielt das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft keine grosse Rolle mehr.
Am Anfang war das Ei – jedenfalls in der Schweizer Geschichte des Stromsparens. Legendär die Szene, als Bundesrat Adolf Ogi 1988 ein Millionenpublikum am TV zum Energiesparen animierte. Die «Ogi-Methode» ist seither legendär: Man gebe die Eier in zwei fingerbreit Wasser, setze den Deckel drauf und koche das Ganze sprudelnd auf – dann schaltet man den Herd ab und überlässt den Rest der Restwärme.
Spätestens mit dem ETH-Zielwert 2000 Watt Dauerverbrauch erwachte das Schweizer Gewissen für den persönlichen Energiekonsum endgültig. Das konkrete Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft: Jede und jeder braucht im Schnitt höchstens 2000 Watt Strom, was einem maximalen Energieverbrauch von rund und 17’500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr entspricht. Energie- und Umweltprobleme würden auf globaler Ebene entschärft.
Die Schweiz ist von dem Ziel weiter entfernt denn je. 37’500 kWh pro Kopf und Jahr betrug der Energieverbrauch 2012.
Sparen durch Technik
Heute, rund 25 Jahre nachdem die Idee von der 2000-Watt-Gesellschaft geboren wurde, scheint das vielbeschworene Konzept überholt. Jedenfalls wurde dem alten Paradigma «überzeugen statt regulieren» weitgehend der Stecker gezogen. Heute spart die Schweiz Strom mit Vorschriften: bessere Gebäudedämmung, effizientere Geräte und Fernwärmeheizungen.
Stromsparen im Sinne von Adolf Ogis Eierkochstrategie hat an Bedeutung eingebüsst und ist kaum mehr Thema. Statt auf individuelles Verhalten setzt man auf Technologie. So wurde Ogis Eiertrick schon 2012 überholt – von einer noch viel sparsameren Eierkochmaschine, wie die NZZ berichtete.
Laut dem am 21. Mai 2017 von der Mehrheit angenommenen Energiegesetz (EnG) soll der Energieverbrauch pro Kopf bis 2035 um 43 Prozent (im Vergleich zum Jahr 2000), der Elektrizitätsverbrauch um 13 Prozent gesenkt werden. Jedenfalls sind diese Werte «anzustreben». Das Energiegesetz macht allerdings nicht den einzelnen Bürgern klare Vorgaben, sondern setzt etwa bei Gebäude- und Gerätenormen an, um so auf tiefere Werte zu kommen. Ausserdem werden erneuerbare Energien gefördert.
«Stromkonsum per se ist nicht schlecht»
Zwar unternimmt das Basler Amt für Umwelt und Energie (AUE) weiterhin Aktionen zum Thema Energieeffizienz. Es geht dabei aber nicht um eine konkrete Marke wie die 2000 Watt. «Mit einem geringeren Energieverbrauch fällt der Umstieg auf erneuerbare Energie leichter», sagt Thomas Fisch, AUE-Abteilungsleiter Energie. Oder, überspitzt formuliert: Je weniger Energie die Schweizer verbrauchen, desto weniger Windräder sind nötig.
Trotzdem: Den einzelnen Bürger zum gezielten Stromsparen zu animieren sei wenig effizient, aber dennoch nötig. «Wir beeinflussen lieber, was wir können. Beim Endverbraucher können wir nur sensibilisieren», sagt Fisch. Ein Erfolg sei hier schwer zu messen. Darum versteht das AUE den stehenden Begriff 2000-Watt-Gesellschaft eher «metaphorisch» für eine bessere Energiepolitik.
Weg vom Stromspargebot um jeden Preis will der prominente Energiepolitiker Rudolf Rechsteiner (SP BS). «Ich finde nicht, dass Stromkonsum per se schlecht ist», schreibt er auf Anfrage, «solange es erneuerbare Energie ist.» Es gehöre, so Rechsteiner, zur Taktik der Atom- und Öllobby, nur auf «Sparen» zu setzen und dabei «bewusst auf Differenzierungen zu verzichten».
Deshalb sollte man 100 Prozent erneuerbaren Strom im Netz haben, wie in Basel-Stadt, und Autos und Heizungen durch elektrische Lösungen ersetzen (Wärmepumpen und E-Mobile), so Rudolf Rechsteiner. «Die Techniken sind alle da und sie sind inzwischen sogar kostenminimal, aber die Kohlelobby und die Atomlobby wollen nicht Platz machen.» Diese würden verschweigen, «dass auch 4000 Watt pro Person bei erneuerbarer Energie kein Problem sind».