Süsse Frucht aus China

Heute gibt es das ganze Jahr über Orangen. Einst aber war die Frucht ein Luxusgut, das nur zur Weihnachtszeit auf den Tisch kam.

Schmackhafte Vitaminspender für wenig Geld: die beliebten Südfrüchte tragen die Zwiespältigkeit der Globalisierung in sich.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Heute gibt es das ganze Jahr über Orangen. Einst aber war die Frucht ein Luxusgut, das nur zur Weihnachtszeit auf den Tisch kam.

Die Orange – eine Kreuzung von Mandarine und Grapefruit – ist ursprünglich eine asiatische Frucht. Sie wurde zunächst in China kultiviert. Das klingt auch in ihrem in Nord- und Mitteldeutschland üblichen Namen nach: Apfelsine – Apfel aus Sina, wie man früher China auch nannte.

Der in der Schweiz gebräuchliche Name Orange hat dagegen unter anderem Wurzeln im Sanskrit. Neben dem Persischen finden wir ihn im Arabischen. Von dort ist er in die romanischen Sprachen gelangt, von denen wir ihn übernommen haben.

Ausbreitung im Mittelmeerraum

In Europa wurden die Orangen je nach Art zu unterschiedlichen Zeiten heimisch. Die Bitterorangen, aus denen Orangeat (kandierte Schalenstücke) und Konfitüre hergestellt werden, wurden seit dem 11. Jahrhundert in Spanien angepflanzt. Dagegen fassten die Süssorangen im Mittelmeerraum wohl erst ab dem 15. Jahrhundert Fuss.

Eine wichtige Rolle spielten dabei die portugiesischen Seefahrer, die mit China Handel trieben. Sie waren es auch, welche die Orangenbäume nach der damaligen portugiesischen Kolonie Brasilien brachten. Das südamerikanische Land ist heute einer der grössten Orangenproduzenten.

Trotz ihrer Schale sind Orangen diffizile Früchte. Anders als Zitronen, die nachreifen können, muss man sie reif ernten. Das macht sie beim Transport anfällig für Schädlinge. Und ist erst einmal eine Frucht verdorben, steckt sie rasch die andern an. Um dies zu verhindern, wickeln manche Produzenten die Orangen in spezielle farbig bedruckte Papiere ein.

Eine Exklusivität auf Basler Speisezetteln

Auf dem Speisezettel in Basler Bürgerhäusern nahmen Orangen gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen kleinen Platz ein. Jedenfalls findet man in der 1877 erstmals aufgelegten «Basler Kochschule» von Amalie Schneider geb. Schlöth lediglich drei Rezepte, für die man Orangen braucht. Alle drei sind Desserts: Orangengallerte mit und ohne Schnitze sowie Orangenglace.

In der 7. Auflage der «Basler Kochschule» aus dem Jahr 1908 ist das Spektrum etwas breiter geworden. Zusätzlich gibt es nun Rezepte für eine Orangentorte, eine Orangenglasur, Orangenwein und Orangenmarmelade. 

In den Baselbieter Bauernhäusern dürften solche exotischen Leckereien damals kaum auf den Tisch gekommen sein. Auf dem Land waren Äpfel und Birnen, wie Eduard Strübin in seinem Buch «Baselbieter Volksleben» zeigt, lange ein Grundnahrungsmittel. Und Obst blieb auch nach dem Siegeszug der Kartoffeln im 19. Jahrhundert wichtig. Aber man hielt sich offenbar vor allem an die billigeren einheimischen Früchte.

«Globalisierte» Südfrucht

Orangen waren noch in meiner Kindheit in den 1950er- und 1960er-Jahren etwas Besonderes, es gab sie vor allem in der Zeit vor Weihnacht.

Heute sind Orangen ein Massenkonsumgut. Möglich ist dies, weil die entsprechenden Transportmöglichkeiten bestehen und die süssen Früchte bisweilen unter gelinde gesagt fragwürdigen Arbeitsbedingungen produziert werden.

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Im Museum der Kulturen sind bis am 17. Januar 2016 im Rahmen der Weihnachtsausstellung «Eselskarren und Orangen» unter anderem viele bunte Einwickelpapiere zu sehen. Sehenswert auch diese ZDF-Reportage zum Thema:

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