Als meine Mutter mir vor bald zwanzig Jahren ein Paar Hosenträger aus dem Nachlass meines Vaters mitgeben wollte, lehnte ich dankend ab. Ich bin sonst nicht allzu heikel, wenn es um Kleidung geht. Als Kind habe ich bereitwillig Hosen und Pullover von älteren Cousins ausgetragen. Aber Hosenträger? Nein, danke!
Das war nun so was von bieder, und die unifarbenen von meinem Vater waren es erst recht. Da kutschierte ich lieber weiterhin mit einem Gürtel. Allerdings wäre auch schon damals ein Paradigmenwechsel angesagt gewesen. Dies nicht in erster Linie wegen meines Bauchumfangs, der in jenen Tagen noch etwas kleiner war, sondern weil ich immer alles Mögliche in meinen Hosensäcken herumtrage.
Schnallt man den Gürtel enger, erhöht das nicht das leibliche Wohlbefinden.
Und hier kommt dann die Gravitation ins Spiel, die auf der Erde bewirkt, dass es alle Körper nach unten zieht. Diesen Drang nach unten verspürt auch der Hosensack-Inhalt und würde die Hose, wenn diese allzu locker sitzt, glatt mit sich in die Tiefe reissen. Dies eben soll der Gurt verhindern.
Das tut er anfänglich meist auch gar nicht schlecht. Doch mit der Zeit gibt das Leder dem Druck nach und dehnt sich aus. Gürtel und Hose sitzen nun nur noch unsicher auf der Hüfte. Schnallt man den Gürtel darauf ein Loch enger, so bewahrt das zwar die Hose vor dem Absturz, erhöht aber nicht unbedingt das leibliche Wohlbefinden.
Unbeschwerter Bauchspeck
Solche Sorgen hat man mit Hosenträgern nicht. Hier ruht die Last dank Bändern auf den Schultern, und die Klemmen zwicken den Stoff der Hose und lassen anders als der Gürtel den Bauchspeck in Frieden. Und selbst wenn die Hose nicht wie eine Boa constrictor am Leib haftet, sorgen die Träger für sicheren Halt.
Sollten die Hosenträger mit der Zeit etwas ausleiern, ist auch das kein Problem. Denn sie haben in der Regel ein entsprechendes Teil, dank dem jederzeit eine Längenänderung des Bandes und damit eine Justierung möglich ist.
Neben den genannten Vorzügen haben manche Hosenträger auch eine Schwachstelle: die Klemmen. In der Regel leisten diese zuverlässige Dienste. Es kann allerdings passieren, dass sich eine Klemme vom Hosenbund löst. Sie tut dies, wenn der Hosenstoff dünn ist und die Klemme gerne etwas mehr zwischen den Zähnen hätte.
In einem solchen Fall darf man sich nur nicht ins Bockshorn jagen lassen. Einfach etwas Dampf ablassen, die Klemme neu ansetzen – und meistens hält sie dann für die nächsten Stunden. Wer sich nicht mit störrischen Klemmen abmühen will, kauft sich Hosenträger mit gewebten Laschen oder Lederrollzügen. Diese erfordern dann allerdings auch Hosen mit Knöpfen, an die sie andocken können.
Ein modisches Statement?
Will, wer Hosenträger trägt, damit auch etwas signalisieren? In einigen Fällen darf das angenommen werden. Allerdings ist die Botschaft des Signals kulturhistorisch betrachtet alles andere als eindeutig.
Hosenträger sind allem Anschein nach eine Erfindung des 18. Jahrhunderts, während sich Spuren von Gürteln schon in frühgeschichtlicher Zeit finden lassen. Man darf vermuten, dass Hosenträger ursprünglich nicht nur als praktisch, sondern als modern und männlich galten.
Im 19. Jahrhundert trug sie der Bürger unter der Weste versteckt. Dürfen wir Wikipedia glauben, wurde «um 1913 mit dem allmählichen Weglassen der Weste beim Alltags- und Sportanzug der Hosenträger durch den Gürtel ersetzt». Damit galten Hosenträger als altmodisch.
Die Wallstreet-Banker, die sie in den 1980er-Jahren für sich entdeckten, sahen das anders, für sie waren sie total hip. Dies, obwohl den Hosenträgern etwas fehlt, was den Gürtel zu einem Blickfang machen kann: die Schnalle. Die kann bisweilen recht protzig ausfallen, auch wenn man nicht gleich ein Riesenteil rumschleppt, wie Alice Cooper sich eins bei Konzerten anschnallt.
Was den Hosenträgern an solchen Schmuckmöglichkeiten abgeht, versuchen die Hersteller mit ausgefallenen Motiven wettzumachen. Und die können schon den einen oder anderen Blick auf sich ziehen. Wer allerdings nicht einfach ein modisches Accessoire, sondern eine Alternative zum Gürtel sucht, dem ist auch mit einem biederen unifarbenen Modell gedient.