Die Messung von Fernsehquoten ist «so schwierig wie nie», dabei werden die TV-Nutzungsdaten minutiös gespeichert. Swisscom will die Daten nicht herausgeben – auch aus eigenem Interesse.
Jedes Mal, wenn ein Kunde den Sender wechselt oder die Aufnahmetaste auf der Fernbedienung drückt, weiss Swisscom davon Bescheid. Das ist kein Geheimnis – so steht es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Swisscom: «Swisscom sammelt die Daten der Kunden aus der Nutzung der Dienstleistungen und speichert diese in ihrer Datenbank.»
Was passiert mit diesen Daten? Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk sagt, die Nutzungsdaten würden zur Produktentwicklung und Qualitätssicherung erfasst – alles anonym. Konkret kann das heissen, dass der Kunde ein personalisiertes Werbeangebot erhält. Wer viele Action-Filme schaut, kriegt eine Empfehlung für den neuesten Teil von «Transformers».
2013 nutzten 1,05 Millionen Kunden das digitale TV-Angebot bei Swisscom – das ist fast ein Drittel aller Haushalte. Das digitale Fernsehen ersetzt das analoge mehr und mehr. Der Kabelnetzbetreiber UPC Cablecom stellt 2015 das analoge Angebot ein. Und mit dem Wechsel auf digitales Fernsehen verändert sich auch der Werbemarkt.
Der neuste Werbetrend bei Swisscom heisst «Triggered Advertising». Das funktioniert so: Der Zuschauer kann während einem Werbespot von Nissan eine Taste drücken und kommt automatisch in ein Fenster, wo er entsprechende Angebote findet – zum Beispiel zum Probefahren beim Autohändler in der Region.
Wichtig für die Messung der Fernsehquoten
Ein anderes Thema sind die Fernsehquoten. Die gespeicherten Daten geben Auskunft, welche Sendungen am häufigsten geschaut werden und wann der Zuschauer wegzappt.
Willy Surbeck, ehemaliger Leiter von Telebasel, erklärt, eine «exakte, nicht anfechtbare Vollmessung war nie so schwierig wie heute». Bei der Quotenmessung, die Mediapulse (Publica Data) durchführt, werden Hochrechnungen gemacht, die die klassischen TV-Kanäle und teilweise Internet-Fernsehen berücksichtigt. Verlässliche Zahlen sind das nicht.
Zur Messung der Fernsehquoten wären die gespeicherten Nutzungsdaten ungeheuer wichtig – Swisscom hält sie aber unter Verschluss. Offiziell geschieht dies aus Datenschutzgründen. Ein anderer Grund könnte auch sein, dass die Daten für Swisscom enorm wertvoll sind. Werbefachleute gehen davon aus, dass der Werbemarkt für Anbieter von digitalem Fernsehen in Zukunft enorm interessant werden könnte.
Das Internet-Fernsehen zeigt, wie das funktioniert. Wer über Zattoo oder Wilmaa fernsieht, muss beim Aufschalten der Seite und beim Senderwechsel jedes Mal einen Werbeclip anschauen. Der grösste der Teil der Einnahmen kommt bei Wilmaa aus der Werbung. Genaue Zahlen will der Mediensprecher von Wilmaa, Michael Loss, aber nicht nennen.
Personalisierte Werbung: Daten sind bereits da
Die Nutzungsdauer wird auf allen Diensten gemessen und gespeichert. Es wird allerdings nicht kundenspezifisch gemessen, sagt Loss. «Wir messen nur, welche Sender unsere User im Schnitt wie lange schauen – über alle User hinweg und absolut.» Das mag erklären, weshalb Wilmaa keine personalisierte Werbung schaltet.
Der Schritt zu personalisierten Angeboten ist aber nicht weit. Der Videoanbieter YouTube zeigt, in welche Richtung der Werbemarkt gehen kann. Wer mit seinem Google-Account eingeloggt ist, kriegt bereits jetzt ein massgeschneidertes Werbeangebot.
Schweizer TV-Anbieter könnten ebenfalls bald auf den Zug aufspringen – die Daten sind bereits da, sie müssen nur genutzt werden.