Er war wegen Körperverletzung verurteilt. Seine psychische Krankheit brachte ihn in die geschlossene Psychiatrie für Straftäter. Dort brach er aus – und tötete mit einem Auto einen Menschen. Er habe es nicht bewusst getan, sagt der Täter einen Tag nach dem tragischen Unglück.
Die Betroffenheit ist riesig. Es geschah etwas vor der eigenen Tür, was sonst nur weit weg passiert. Jeder könnte die Tote oder einen der sieben Verletzten kennen. Jeder hätte sich zum Zeitpunkt der Irrfahrt selber auf der Mittleren Brücke aufhalten können. Und jeder hätte erleben können, was einer Praktikantin der Forensisch-Psychiatrischen Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) passierte.
Die junge Frau öffnete mit dem Schlüssel die Tür, die von der geschlossenen Abteilung in einen Gang innerhalb des Gebäudes führt – und wurde von einem 27-jährigen Patienten überwältigt. Die Patienten dürfen sich innerhalb der Abteilung frei bewegen, weswegen es für den Mann kein Problem darstellte, der Praktikantin aufzulauern. Gewaltsam entriss er ihr den Schlüsselbund und verschaffte sich damit Zutritt zu den weiteren Gängen – bis er schliesslich in Freiheit war.
Flucht in Heimat
Ein sofort ausgelöster interner und externer Alarm nützte nichts: Der Mann war rasch weg vom Areal – und wurde erneut zu einem Täter. Diesmal allerdings viel schlimmer als vor fünf Jahren, als er seinen Bruder mit einem Hammer im Beckenbereich verletzte. Nicht nur wegen der Straftat selber sitzt der Mann seit 2008 in der UPK, sondern weil er auch psychisch krank ist. Diagnose: Schizophrenie. Zuvor war er in Haft und in einer anderen Einrichtung für psychisch Kranke. Die Verantwortlichen dort waren im therapeutischen Bereich aber überfordert – und schickten ihn nach Basel.
Weil er psychisch gestört ist, sitzt er derzeit nicht im Gefängnis, sondern wieder in der Klinik. Dort sagte er seinen Ärzten heute, er habe gestern nicht bewusst acht Menschen überfahren und einen davon getötet. Er habe mit dem gestohlenen Auto lediglich in seine Heimat Mazedonien flüchten wollen, mit der er allerdings wenig zu tun hat: Der Mann kam in der Region Basel zur Welt und wuchs hier auf.
Auf Nachfrage der TagesWoche bestätigten die Ärzte, dass er einen Fahrausweis besitze und daher eigentlich Auto fahren könne. Marc Graf, Chefarzt der Forensisch-Psychiatrischen Klinik sagt dennoch: «Ich gehe davon aus, dass er nicht bewusst gehandelt hat.» Er sei nicht als gemeingefährlich eingestuft.
Isolation und Polizeischutz
Nun ist er also zurück in der Psychiatrie, diesmal aber in Isolation und unter Polizeischutz. Die Isolation ist ihm nicht fremd: Öfters griff er schon Mitpatienten an und musste, als eine Art Strafe, eine gewisse Zeit in Isolation verbringen. In die andere Abteilung für Straftäter aber wurde er nie versetzt – obwohl diese andere Abteilung einem höheren Sicherheitsstandard entspricht. Als Grund nennen die Verantwortlichen die Behandlung, die dadurch gestört würde, weil sie von anderen Ärzten und Pflegern übernommen werden müsste. Ausserdem käme es in der Abteilung für psychisch kranke Straftäter des Öfteren zu Tätlichkeiten. Krisen seien Teil der Therapie.
Diese Therapie scheint beim Täter schlecht anzuschlagen: In Kürze wäre eine Neubeurteilung seiner Situation angestanden, die vermutlich zum Entschluss geführt hätte, ihn weiter in der «Geschlossenen» zu behalten. Grund: Der Therapieverlauf war «unbefriedigend». Die Ärzte hatten den Patienten vor wenigen Wochen über diesen Umstand informiert. Daher kommt für die Verantwortlichen diese für ihn düstere Aussicht auch als Fluchtgrund in Frage.
Zum Zeitpunkt der Flucht des Täters war die UPK-Abteilung normal besetzt. Die UPK nimmt den Vorfall aber zum Anlass, extern überprüfen zu lassen, ob der «Sicherheitsstandard angepasst» werden soll. Etwa, indem künftig immer nur zwei Mitarbeitende zusammen die Türe der Abteilung öffnen dürfen.
Die Kantonspolizei Basel-Stadt hat eine Hotline eingerichtet. Diese wird von CareLink betrieben und hat die Telefonummer 061 267 77 73. Unter dieser Nummer erhalten Betroffene professionelle Hilfe und Auskunft auf spezifische Fragen.