Seit 20 Jahren gibt es das Gleichstellungsbüro (heute Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern). Wozu ist eine solche Fachstelle gut, braucht es sie überhaupt? Das Jubiläum gibt Anlass für ein Gespräch mit Abteilungsleiterin Leila Straumann.
Frau Straumann, warum braucht es die Abteilung für Gleichstellung von Männern und Frauen?
Straumann: In der Bundes- sowie in der Kantonsverfassung ist der Auftrag des Volkes verankert, dass der Staat für die Gleichstellung von Mann und Frau in allen Lebensbereichen sorgen muss. Dies ist der Auftrag der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern. Wir wollen die Situation verbessern und tatsächliche Chancengleichheit erreichen.
Was ist Ihre Tätigkeit?
Wir haben Themenbereiche wie Schule und Berufswahl, Beruf und Familie, Männer und Buben. Aber auch der private, häusliche Bereich ist im Fokus der Gleichstellungsarbeit. Auch eine breite Öffentlichkeit und der Diskurs über diese Themen sind Ziel unserer Arbeit. Die Bestandesaufnahme ist die Basis jeglicher Aktivität, um die aktuelle Situation zu berurteilen. Erst dann sieht man, wo Handlungsbedarf besteht und kann Schwerpunkte setzen, um die Situation zu verbessern. Auch jede Verordnung von der Regierung und jedes Gesetz geht zuerst bei uns über den Tisch. Wir prüfen diese auf Verfassungskonformität und stellen sicher, dass sie die Chancengleichheit nicht behindern.
Was für Fälle haben Sie zu bearbeiten? Wann wenden sich die Leute an Sie?
Wir haben wenig Laufkundschaft. Die Abteilung ist keine Beratungsstelle, insofern haben wir wenig konkrete, individuelle Fälle. Privatpersonen verweisen wir an die entsprechende Beratungsstellen weiter. Vielmehr wenden sich Firmen, externe Organisationen oder andere Verwaltungsabteilungen an uns und wollen wissen, was sie tun können, um die Gleichstellung zu fördern. Was kann eine Firma beispielsweise machen, damit sich bei einem Stelleninserat auch Frauen angesprochen fühlen? Wo erhalten sie Unterstützung, wenn sie Teilzeitarbeit in allen Hierarchiestufen und zum Beispiel auch für Väter umsetzen wollen. Wir machen aber keine Organisationsberatung. Aber wir haben Informationsmaterial, das wir einem Betrieb zu Verfügung stellen. Wir vernetzen Unternehmen, unterstützen sie beispielsweise darin, familienfreundliche Arbeitsbedingungen umzusetzen.
Wie haben sich die Fragestellungen während der letzten 20 Jahre denn verändert?
Vor 20 Jahren ging es vor allem um die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau. Das damalige Gleichstellugsbüro war dem Justizdepartement angegliedert. Die rechtliche Gleichstellung ist zu einem Grossteil umgesetzt. Im Kanton Basel-Stadt etwa haben wir die Interventionsstelle «Halt Gewalt» zusammen mit dem Frauenhaus und dem Männerforum gegründet, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt sensibilisiert und Massnahmen vorschlägt. Häusliche Gewalt ist ein Offizialdelikt: Die Polizei vermittelt in solchen Fällen nicht mehr, sondern sie ermittelt in der Sache.
Die Verwaltung ist bezüglich flexiblen Arbeitsbedingungen und Möglichkeit, auch in Führungspositionen Teilzeit zu arbeiten, vorbildlich. Das ist auf das Chancengleichheitskonzept des kantonalen Fachstelle für Gleichstellung zurückzuführen. Auch im Scheidungsrecht werden aktuell Änderungen gemacht, indem das gemeinsame Sorgerecht gestärkt wird und die Eltern gemeinsam für das Kind verantwortlich sind. Das gemeinsame Sorgerecht regelt jedoch nicht, wo das Kind lebt – das wird wohl weiterhin in der Regel bei der Mutter sein. Ich würde sagen, dass in den letzten 20 Jahren eine Sensibilisierung auf das Thema Gleichstellung stattgefunden hat. Sie ist selbstverständlicher geworden.
Was ist noch unbefriedigend und muss noch verbessert werden?
Da gibt es viel. Die Zahlen sprechen für sich: In der Schweiz sitzen nur 8 Prozent Frauen in den Verwaltungsräten, Frauen bekommen 18 Prozent weniger Lohn als Männer. Nur 5 Prozent der Männer arbeiten Teilzeit. Nur 4 Prozent der Paare teilen sich die Hausarbeit. Im Kindergarten unterrichten 93 Prozent Frauen, an der Uni sind 84 Prozent der Professuren von Männern besetzt und so weiter. Was die Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern nicht will, ist, Männer und Frauen gleich zu machen. Jede und jeder sollte wählen können. Wenn man Kinder bekommt, ist es oft ökonomisch sinnvoller, wenn der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau ihr Arbeitspensum reduziert, obwohl das ein Paar so vielleicht gar nicht will – dies hat unter anderem mit der Lohnungleichheit und Strukturen zu tun. Wir müssen also weiter dafür sorgen, dass Lohngleichheit erreicht wird, dass die Berufswahl geschlechtsunabhängig geschehen kann und dass auch Männer die Möglichkeit haben, Teilzeit zu arbeiten. Und schliesslich geht es um Rahmenbedingungen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen.
Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
Im Programm «no limits» geht es um die Sensibilisierung rund um die Öffnung der Berufswahl und der Vielfalt von Lebensentwürfen. Wir beginnen bereits im Kindergarten, Mädchen und Jungen über die freie Berufswahl zu informieren – unabhängig vom Geschlecht. Auch an der Berufsmesse sind wir mit einem Stand vertreten, dort arbeiten wir mit jungen Menschen, die einen geschlechtsuntypischen Beruf gewählt haben. Diese sind dann Ansprechpersonen für die Messebesucherinnen und -besucher. Die Berufsmesse beginnt am Donnerstag, 18. Oktober – wir freuen uns auf interessierte Jugendliche und Eltern.
Oder wir wollen, dass Männer die Möglichkeit haben, aktive Väter zu sein. Auch einen Vaterschaftsurlaub würden wir begrüssen, der nicht nur freiwillig gewährleistet wird. Dies sind, unter anderen, Themen im Projekt «Familienfreundliche Wirtschaftsregion Basel» – hier arbeiten Staat, Privatwirtschaft und weitere Organisationen am Ziel, eine attraktive, prosperierende Region unter anderem Dank der Familienfreundlichkeit zu werden: flexible Kinderbetreuung, attraktive Arbeitsbedingungen und eine Rendite für die Unternehmen von 8%, wenn sie familienfreundliche Massnahmen umsetzen. Das sind zukunftsweisende Gründe, um auf die Karte Gleichstellung zu setzen.
- Die Abteilung für Gleichstellung von Männern und Frauen führt zum Jubiläum eine Ausstellung durch. Gezeigt werden Plakate aus dem Fundus der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel. Ausstellungsdauer ist vom 17.–28. Oktober 2012. Eröffnung ist am 16. Oktober um 18 Uhr.
- Öffnungszeiten: Mi–Fr 12.30–18.30 Uhr, Sa und So 12.30–17.00 Uhr
- Plakatsammlung & Ausstellungsraum auf der Lyss, Schule für Gestaltung, Spalenvorstadt 2, Basel