Eine Plage sind sie, die «Ratten der Lüfte». Seit einem Rencontre mit einer Stadttaube plagt unseren Autor jetzt auch noch das Gewissen.
Völlig tiefenentspannt sass ich vor einem dieser lokal-typischen Kaffeehäuser in Amsterdam. Die Sonne wärmte wunderbar, die Limo kühlte herrlich. Und vor mir tanzten fröhliche Tauben munter auf dem Gehweg. Eine idyllische Szenerie, dachte ich.
Dann walzte ein motorisierter Niederländer eine Taube platt.
Seither weiss ich, wie es im Innern eines Taubenkopfs ausschaut. Nicht so schön, kann ich Ihnen versichern. Dafür nachhaltig ekelerregend. Erstaunliche Mengen Hirnmasse besudelten den hübschen Altstadt-Gehweg. Ich liess meine Limo angewidert stehen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich könnte schon Mitleid mit einem toten Vogel empfinden. Bei einem Sonntagsbrunch kann ich mich mit Freunden leidenschaftlich über das prächtig-gelbe Federkleid der Goldammer mit ihrem typisch rostbraunen Bürzel austauschen. Oder über den eigentümlichen Ruf des Zilpzalp. Auch der Rotschwänzchenfamilie, die jeweils im Frühjahr meine Fensterkästen besiedelt, bleibe ich offenkundig als rücksichtsvoller Gastfreund in Erinnerung. Sie sehen: Ich liebe Vögel!
Aber Tauben? Für Tauben konnte ich bis dahin nichts dergleichen empfinden. Ekel natürlich, Zuhauf. Denn, ganz ehrlich, diese Zahlen sprechen doch Bände:
41 humanpathogene Bakterienarten beziehungsweise Serovare sollen Strassentauben in sich tragen. Mindestens! Plus 55 humanpathogene Pilzarten. 96 grauslige Erreger also, die für den Menschen gefährlich werden könnten. Und von den Viren haben wir noch gar nicht gesprochen: Influenza, Paramyxovirose, Röteln, St. Louis Enzephalitis, Western Equine Encephalomyelitis oder West Nil Virus.
Wie sich wohl ein Mensch fühlen würde, wäre er von so vielen Krankheiten befallen, fragte ich mich, als ich mich aus sicherer Distanz zur platten Taube nieder beugte und die ganze Viren-, Pilz- und Bakterienmasse ausgebreitet vor mir liegen sah. Wahrscheinlich auch nicht so gut, dachte ich. Nicht viel besser als die platte Taube jedenfalls. Eher noch mieser.
Vielleicht ganz gut, dass dieser Seuchenherd jetzt platt ist. Dass die Taubenpopulation eingedämmt und der elenden Trockenbrotverfütterei ein Riegel geschoben werden muss, hat schliesslich auch die hiesige Regierung eingesehen.
Neulich hab ich selbst eine Taube zwar nicht überfahren, aber doch getreten. Es war keine Absicht, ehrlich. Eigentlich wollte ich die Taube bloss mit meinem Fuss verscheuchen. Mehr beiläufiges Fussgefuchtel als gezielter Frontkick. Doch meine Fussspitze berührte den Kopf der Taube.
Ich so: Yes!
Danach: Lebt sie noch?
Und dann: Sollte ich vielleicht ein schlechtes Gewissen haben?
Seit der Tat frage ich mich: So eine Taube zu treten, ist das noch Tierquälerei oder schon Gesundheitsvorsorge?
Der Alltag bietet manch Ärgernis, aber auch manche Freude. Diese beschreiben wir möglichst lebensnah und manchmal auch mit einem 😉 versehen in unserer Rubrik «Wahnsinn Alltag!» Und machen – wos nötig ist – den Faktencheck.
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P. S. für Taubenfreunde: Es ginge noch schlimmer. Manche Taubenhasser belassen es nicht bei einem herzhaften Tritt.
(Bild: http://www.notesofberlin.com/)