Mehrere hundert Athletinnen und Athleten treten am 11. Indoorcycling-Marathon in der Sporthalle Rankhof während zwölf Stunden am Ort. Das mag frustrierend erscheinen. Doch an diesem Event geht es um mehr als um kleingeistiges «Kilometerfressen».
Zwölf Stunden im Sattel, 30 Km/h im Schnitt, 360 Kilometer gefahren und noch immer am selben Fleck. Dabei wäre mit dieser Distanz so viel dringelegen: ein Spa-Aufenthalt in Milano etwa, oder ein Eisbad in München vielleicht?
Zwei Fragen unter vielen, die den 453 Athletinnen und Athleten durch den Kopf gehen, wenn sie am Samstag den 11. Basler Indoorcycling-Marathon absolvieren. Sie stellen sich diese Fragen im Konjunktiv, denn sie fahren nirgendwohin. Sie treten im wahrsten Sinne des Wortes an Ort und Stelle.
Indoorcycling, von Praktizierenden auch «Spinning» genannt, hat sich in der Fitness-Szene in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Disziplin zur konditionellen Überbrückung der Wintermonate gemausert. Der Indoorcycling-Marathon trägt erheblich zu diesem Aufschwung bei, er hat sich einen fixen Platz im Fitness-Kalender der Region erarbeitet. «Wir sind seit Oktober ausgebucht», sagt der Organisator Francesco Jenny zufrieden.
Nur Hardliner halten zwölf Stunden durch
224 fix installierte Bikes stehen während des Marathons in der Sporthalle Rankhof bereit. Getreten wird von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr abends, wobei allerdings nur echte Hardliner den gesamten Zeitabschnitt im Sattel verbringen. 53 dieser Hardliner sind in diesem Jahr angemeldet, die übrigen Teilnehmenden teilen sich die Fahrzeit in Teams von zwei bis vier Personen.
Das sind die Zahlen. Aber Zahlen interessieren beim Indoorcycling-Marathon keinen.
Dieser Event ist mehr als stupider Muskelaufbau, banales Konditionstraining oder kleingeistiges Kilometerfressen. Der Indoorcycling-Marathon ist ein perfekt durchorchestriertes Auspowerfestival.
Impressionen vom Jubiläums-Indoorcycling-Marathon 2014:
Die Halle ist während des ganzen Tages abgedunkelt. Lichtshows, Nebelmaschinen und saftige Bässe sorgen für eine Stimmung, dass sich die Lenker biegen. Und dieses Ambiente bereitet erst den Nährboden, auf dem die Schlüsselfiguren dieses Events ihre ganze Strahlkraft entfalten: die Instruktorinnen und Instruktoren.
«Die linke Seite aus dem Sattel», schallt es am Samstag wieder von der Bühne, und 112 schwitzende Körper folgen dem Kommando. «Alle Frauen auf drei, goooo!»
Francesco Jenny organisiert den Indoorcycling-Marathon nicht nur, er leitet selbst auch eine der Trainingseinheiten. «Ein gewisses Show-Talent braucht man da vorne schon», sagt er, «man muss die Leute mitreissen.»
Das geschieht in mehreren Themenblöcken, in denen sich die Instruktoren abwechseln. Die sportliche Intensität variiert, passend dazu wechselt der Sound vom zarten Pop zu wütendem Hardcore. Abwechslung muss sein, sonst wäre ein zwölf Stunden dauernder Kraftakt nicht durchzuhalten.
Bewusster Rückzug in die Trance
Doch bei allem Effekt: Die Monotonie im Velosattel führt früher oder später zu einer Art Trancezustand, in dem die Athletinnen und Athleten ganz in die Bewegung zurückfallen und sich so aus der bewussten sportlichen Leistung ausklinken. Viele Teilnehmenden suchen diese Ruhephasen bewusst.
Der Anlass wird medizinisch professionell abgesichert. Die Rennbahnklinik ist mit einem Team vor Ort, das Massagen anbietet und den Indoor-Peloton im Auge behält. Wer drei Monate vor Beginn des Marathons beim Arzt war, der muss ein Attest vorlegen. Die medizinische Betreuung weiss somit, welche Radnummer sie besonders im Auge behalten muss.
Projekt «Stromgenerator» gescheitert
Bis vor zwei Jahren waren unter den Teilnehmenden auch Behindertensportler wie der von der TagesWoche portraitierte Handbiker Tobias Fankhauser vertreten, er äussert sich im Video (ab 02:44) über seine Erfahrungen am Indoorcycling-Marathon 2011.
Seit die parasportliche Delegation einen Leitungswechsel erlebte, sind in der Rankhofhalle allerdings keine Handbikes mehr vertreten. Ebenfalls verabschiedet hat man sich von der Idee, mit den 224 tretenden Beinpaaren Strom zu generieren. Eine entsprechende Initiative existierte zwar vor einigen Jahren, der technische Aufwand war allerdings zu gross und hat sich damit nicht bezahlt gemacht.