Tristan reloaded

«I hired Tristan und Isolde»: So eigenartig dieser Titel klingt, ist auch das Resultat des zweistündigen Theaterabends auf der Kleinen Bühne des Theater Basel. Angekündigt ist ein theatralischer Diskurs über eine der ältesten und grössten Liebestragödien des Abendlandes, zu erleben ist ein ziemlich befremdliches Etwas – mit kurzen starken Momenten, aber vielen Durchhängern.

Zwischen Gift und Liebestrank: Tristan (Martin Butzke) und die Frauen: Margaret (Nicole Coulibaly) und Isolde (Hanna Eichel) (Bild: Simon Hallström)

Auf der Kleinen Bühne versucht sich das Theater Basel auf arg verschlungenen und ziemlich wirren Pfaden der grossen Liebestragödie von Tristan und Isolde anzunähern und tappt damit in die dramatische Offsidefalle.

Nach zwei Stunden im Theater fragt man sich, was das denn jetzt nun war. Der Applaus war überaus freundlich, sogar ein bisschen mehr als das. Durchaus nicht ganz unverdient, denn die Schauspielerinnen und Schauspieler – allen voran Martin Butzke als Tristan – gaben ihr Bestes, zeigten grosse Gefühle und präzise Brüche ins kühle Understatement. Die Inszenierung von Regieneuling Astrid Meyerfeldt ist von einem akkuraten Timing geprägt, die Bühne von Philipp Berweger ein ästhetisch ansprechender und stimmiger Rahmen für rasche Szenenwechsel, die Einsätze der Musik (Malte Preuss, zuweilen mit Instrument aufspielend) kommen auf den Punkt genau und die Videoeinspielungen (Vivian Andereggen) sind nicht aufdringlich.

Doch die Frage bleibt: Warum das alles? «I hired Tristan und Isolde» löst, wenn man den Beginn des Titels weglässt, zwar einiges ein, was die Textzeile verspricht. Tristan und Isolde (Hanna Eichel), die Archetypen der abendländischen Liebestragödie, kommen vor. Auch König Marke (Florian Müller-Morungen) und der Hofzwerg Melot (Benjamin Kempf) haben aus der legendären Sage den Weg auf die Kleine Bühne gefunden. Und es ist auch einiges aus der Geschichte von Tristan und Isolde, die so oft nacherzählt und musikalisch verarbeitet wurde, zu erleben: der berühmte Liebestrank, das Gift, der Versuch, den gehörnten König zu täuschen, die folgenschwere Liebesnacht in der Grotte, die Trennung, das Schiff mit den schwarzen statt weissen Segeln …

«Auf dem Ozean ist keine Heimat»

Doch zu welchem Zweck? Denn der Abend begnügt sich keineswegs damit, die Liebestragödie auf irgend eine neue Art und Weise nachzuerzählen. Es geht um, wie es im Programmblatt heisst: «In ‚I hired Tristan und Isolde‘ treibt ein Schiff in der Flaute durch die Geschichte, durch Europa» Und: «Es ist ein heterotoper Ort. Auf dem Ozean ist keine Heimat. Für keinen der Reisenden.» Die Sätze sind in etwa gleich verständlich wie das Geschehen auf der Bühne. Denn kaum hat man sich mit viel Wagner-Einspielung ab Band (und Libretto-Rezitation), mit ein paar Passagen ins Neudeutsche übertragenem Originaltext von Gottfried von Strassburg etwas in die Geschichte von Tristan und Isolde eingelebt, schweift das Geschehen auf der Bühne ab. Für eine längere Passage etwa in die Amour-Fou-Geschichte von Oskar Kokoschka und Alma Mahler (mit der berüchtigten lebensgrossen Plüschpuppe der verlorenen Geliebten).

Doch diese Bezüge wirken willkürlich, ausser dass es sich jeweils um eine tragische, weil unerfüllte und unmögliche Liebesgeschichte handelt. Regisseurin Meyerfeldt und die Dramaturgin Martina Grohmann hätten auch Romeo und Julia nehmen können. Schleierhaft bleibt auch, was das zweite, als zeitgenössisches dazu erfundenes Paar mit Henri (Jan Viethen) und Margaret (Nicole Coulibaly) aussagen soll. «In ‚I hired Tristan ud Isolde‘ treffen Tristan und Isolde auf ein zweites Paar – ‚unknown woman‘ und ‚geprügelter Held‘ – ein Paar, wie es Aki Kaurismäki erzählt», ist im Programmblatt zu lesen. Aber mit Kaurismäkis unverwechselbaren Figurenpanoptikum hat dieses Paar ganz und gar nichts gemein. Einzig die Titelsequenz «I hired…» erinnert an den grossen Filmemacher bzw. an dessen Meisterwerk «I Hired a Conract Killer», das aber in keiner Weise mit «I hired Tristan und Isolde» vergleichbar ist.

Ins dramatische Abseits

Der Abend will Vieles erklären, noch mehr hinterfragen, bleibt aber am papierenen Konzept hängen. So führt der ambitionierte Versuch von Astrid Meyerfeldt, die sich nach einer bislang stattlichen Schauspielerinnenkarriere nun erstmals als Regisseurin versucht, dem Mythos von Tristan und Isolde auf den Grund zu gehen, ins dramatische Abseits.

 

 

I hired Tristan und Isolde

Eine europäische Saga

Regie: Astrid Meyerfeldt, Bühne: Philipp Berweger, Kostüme: Kathy Maurer, Dramaturgie: Martina Grohmann

Mit: Martin Butzke, Nicole Coulibaly, Hanna Eichel, Florian Müller-Morungen, Benjamin Kempf, Malte Preuss, Jan Viethen

Weitere Vorstellungen: 21., 23., 26.04., 06, 10. 11., 24.05.2012 (20.15 Uhr – sonntags: 19.15 Uhr)

Theater Basel, Kleine Bühne.

 

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