Trolle im Netz – vom Sinn und Unsinn des Stänkerns

Was macht einen Troll aus? Und wie geht man mit Trollen um? Ein Artikel von der dunklen Seite der Kommentarkultur.

(Bild: Nils Fisch)

Was macht einen Troll aus? Und wie geht man mit Trollen um? Hier soll es um die dunkle Seite der Kommentarkultur gehen.

Über Kommentarkultur im allgemeinen gab es bei der TagesWoche bereits einen Blogbeitrag, hier soll es aber ganz speziell um Trolle im Internet gehen.

In den letzten Wochen hat sich die politische Situation in der Ukraine dramatisch zugespitzt, fast täglich gibt es neue Meldungen über Gewalt und Tote. Die berichterstattenden Nachrichtenportale in Westeuropa haben zusätzlich mit zahlreichen hasserfüllten Kommentaren zu kämpfen, die ihnen vorwerfen, nicht neutral zu bleiben. Drastische Beleidigungen und Vorwürfe sind die Regel, die Kommentatoren bleiben meist anonym.

Hasserfüllte Kommentare fluten die Ukraine-Berichterstattung

Anfang Mai veröffentlichte der Guardian einen Artikel, der vermutete, dass diese massenhaften Kommentare meist von Lesern stammen, die sich mit einer Vielzahl von Profilen anmelden und zumindest zum Teil für ihre Tätigkeit bezahlt werden. Den Journalisten des Deutschlandfunks ist dabei insbesondere bei Facebook-Kommentaren zu Ukraine-Themen aufgefallen, dass diese oft von Nutzern stammen, die sich erst kürzlich angemeldet haben und kaum Informationen über sich selbst preisgeben.

Abgesehen von der Frage, ob diese Nutzer unabhängig sind oder nicht, erschwert der hasserfüllte Tonfall ihrer Kommentare die gesamte Diskussion: Sie greifen auch andere Kommentatoren, die nicht ihrer Meinung sind, an und versuchen, die Debatte in die von ihnen gewünschte Richtung zu ziehen. Diese Eigenschaften sind typisch für eine Gruppe von Kommentatoren: Trolle. 

Doch was ist ein Troll eigentlich?

Diese Anleitung liefert eine gute allgemeine Definition:

«Ein Troll ist eine Person, die vorrangig auf Kanälen des Internets unterwegs ist und die dortige Kommunikation bewusst stört, offen manipuliert oder emotionale Reaktionen anderer Teilnehmer provoziert – stets mit dem Ziel Aufmerksamkeit zu erlangen und/oder für Eskalation zu sorgen.»

Trolle sind so alt wie das Internet selbst: Der räumliche Abstand erleichtert ihnen die Angriffe auf die Diskussionsteilnehmer. Die Hemmungen sind viel grösser, sein Gegenüber von Angesicht zu Angesicht zu beleidigen. Ihren Ursprung hatten Trolle in Foren wie 4chan, wo es häufig darum geht, sich gegenseitig durch das Posten von pornographischen und ekelerregenden Inhalten zu übertreffen. Allerdings haben auch viele witzige und hintersinnige Selbstläufer («Memes») des Internets hier ihren Anfang genommen. Das Trollen kann also durchaus auch kreative Aspekte haben. Die Definitionen, was ein Troll ist, gehen deshalb teilweise weit auseinander. So gibt es den Standpunkt, dass es auch positive Trolle geben kann, die eine Diskussion vorantreiben können.

Daher wird oft versucht, Trolle in Typen zu unterteilen. Allerdings stellt sich die Frage, worin der Nutzen bestehen soll, da die Grenzen immer fliessend sind. Letzten Endes geht es beim Umgang mit Trollen immer um die Frage: Fühlen sich andere Nutzer oder der Autor bzw. die Person, von der der Artikel handelt, gestört? Beleidigt der Troll oder ist sein Verhalten tolerierbar? Tragen seine oder ihre Kommentare möglicherweise auch zur Diskussion bei, obwohl sie provozieren? Im Sinne des Nutzens für die Community würde es völlig ausreichen, Trolle in destruktiv und konstruktiv zu unterteilen.

Viele Internetnutzer fühlen sich nichtsdestotrotz gestört durch bestimmte Verhaltensweisen, die alle Trolle gemeinsam haben. Dazu gehören vor allem folgende, wie in einer Studie der Universität Indiana definiert:

  • Trolle agieren absichtlich, wiederholt und schädlich.
  • Trolle ignorieren und verletzen die Grundsätze der Community.
  • Trolle richten nicht nur inhaltlichen Schaden an, sondern versuchen auch, Konflikte innerhalb der Community zu schüren.
  • Trolle sind innerhalb der Community isoliert und versuchen ihre virtuelle Identität zu verbergen, etwa durch die Nutzung von Sockenpuppen (d.h. mehrere Accounts mit verschiedenen Namen).

Was hat ein Troll für Absichten?

Viele Trolle selbst betrachten sich gar nicht als Troll. Sie haben oft einen moralischen Anspruch, und sind überzeugt, «die Wahrheit» zu kennen, von der sie nun alle Mitdiskutanten überzeugen wollen.

Ich habe schon mehrere Menschen persönlich kennengelernt, die zugegeben haben, im Internet zuweilen Troll-Kommentare zu schreiben. Dabei haben sie aber immer betont, dass sie sich nicht als Trolle fühlen, sondern dass sie mit ihren Kommentaren glauben, die Diskussion zuspitzen und vorantreiben zu können. Meinen Einwand, dass andere Leute das vielleicht anders betrachten und sich durch ihr Verhalten gestört fühlen könnten oder sogar das Teilnehmen an Diskussionen in Zukunft unterlassen, wollten sie nicht gelten lassen: Es sei nicht ihr Problem, wenn sich jemand angegriffen fühlt und schliesslich hätten sie ja recht.

Ein Beispiel wäre hier die deutsche Piratenpartei, die in der Vergangenheit immer wieder Probleme hatte mit Debatten, die durch hasserfüllte Kommentare völlig aus dem Ruder liefen. Meist fing die Debatte mit einem banalen, mehr oder weniger streitbaren Vorfall an, der aber schnell nicht mehr normal diskutiert wurde, sondern in Umengen wüster Beleidigungen gegen die betreffende Person – oft Frauen – mündeten, bis hin zur Veröffentlichung von Adresse und Telefonnummern. 

Was tun mit Trollen – Don’t feed the troll!

Die Aufforderung, Trolle nicht zu füttern, ist schon klassisch: Man soll sich nicht in eine sinnlose Diskussion ziehen lassen, nicht eingehen auf die Provokationen des Trolls und ihn ignorieren. Das reicht allerdings nicht immer aus, und es gibt oft Community-Mitglieder, die sich von der Strategie des Trolls ködern lassen. Meist ahnen sie gar nicht, auf welches Spiel sie sich damit einlassen.

Können Trolle nützlich sein für die Community?

Eine andere Strategie ist, das Potential des Trolls zu nutzen, indem man ihn einbezieht. Das könnte ein persönlicher Austausch mit der Redaktion sein, in dem diskutiert wird, wie man Vorschläge des Trolls für die Community verwerten kann. Das setzt allerdings voraus, dass der Troll auch tatsächlich etwas konstruktives beizusteuern hat und ist relativ zeitaufwändig. Eine letzte Möglichkeit ist natürlich die Exklusion aus der Community, wenn der Troll so sehr stört, dass der Austausch für die anderen Nutzern kaum noch möglich ist.

Den Abschluss bilden sollen zwei Kommentare zum Thema Trolle, gesehen aus anderer Perspektive: Der Comiczeichner xkcd erklärt den Umgang mit Trollen ganz einfach in vier Bildern. Und auf Twitter gab ein amerikanischer Komiker die folgende Anleitung – allerdings dazu, wie man selbst zum Troll werden kann:

«Wenn Du Dich langweilst, suche auf Instagram ein Gruppenbild mit vier Mädchen und kommentiere: ‹Ihr drei seht super aus!› Warte und stell das Popcorn bereit.»

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Lesen Sie mehr zum Thema in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 23. Mai, auf Papier oder in der App der TagesWoche.

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