Uber dem Gesetz? Recherchen zeigen, wie und warum es für Fahrer ungemütlich wird

Schluss mit freier Fahrt für Uber in Basel: Recherchen der TagesWoche zeigen, wie und warum es für Fahrer ungemütlich wird – und dass sich auch die Firma gut anschnallen muss.

(Bild: Dirk Wetzel)

Schluss mit freier Fahrt für Uber in Basel: Recherchen der TagesWoche zeigen, wie und warum es für Fahrer ungemütlich wird – und dass sich auch die Firma gut anschnallen muss.

In Basel hatte Uber bisher wenig bis gar nichts zu befürchten. Das Geschäft brummt. «Wir sind hier weit über 100 Fahrer», schätzt UberPop-Fahrer Georg*. «Und das sind eigentlich zu wenige, die Nachfrage ist so gross. Die Umsätze für Uber müssen an Wochenenden mittlerweile gigantisch sein.»

Gigantisch – ein treffendes Wort für den 62-Milliarden-Dollar-Konzern aus Kalifornien, der sich zwar einst UberCab nannte, aber weder Taxi-Unternehmen noch Arbeitgeber sein will – sondern «Dienstleistungs-Anbieter».

Uber lässt sein Heer von Fahrern täglich Personen transportieren, will aber auch kein Personentransport-Unternehmen sein. Es bezahlt weder Gebühren noch einen Rappen von all den anderen Kosten, die für normale Schweizer Transportunternehmen und Arbeitgeber anfallen.

Sozialabgaben? Fahrzeugflotte? Nichts da: Uber beschäftigt keinen einzigen Fahrer, besitzt kein einziges Fahrzeug. Zwar liefert jeder Uber-Fahrer 25 Prozent der Einnahmen (auch vom Trinkgeld) direkt an die Firma – damit bezahlt er die Nutzung der App. So hat Uber laut «Sonntagszeitung» im vergangenen Jahr allein in der Schweiz einen Umsatz von 30 Millionen Franken erwirtschaftet.

Versteuert habe die Firma aber weniger als 3000 Franken. Da haut uns doch jemand ubers Ohr. Irgendwie schon: Das Geld geht in die Niederlande. Doch auch die Niederlande lassen sich freiwillig übertölpeln: Rund ein Prozent der Einnahmen muss Uber laut «Fortune» versteuern. Der Rest entschwindet dank überkomplexen Konstrukten in Steueroasen. 

Herumkurven in der Grauzone

Beispiel Genf: Hier wollte die Stadt von Anfang an Leitplanken setzen. Uber? Peut-être, mais pas comme ça. Das teilte man dem Fahrdienst schon 2014 mit: Ohne offizielle Bewilligung würde Uber gegen das kantonale Taxi- und Limousinen-Gesetz verstossen.

Doch Ubers Name ist Programm: Die Firma schwebt über allem, auch über den Gesetzen der zweitgrössten Schweizer Stadt. Und so setzte sich der Konzern im September 2014 über die behördliche Ermahnung hinweg und lancierte seinen Fahrservice.

Es ist das typische Vorgehen: Ein «Nein», das nicht von Hindernissen wie Zwangsmassnahmen, Bussen oder Strassensperren begleitet ist, bedeutet für Uber eine spannende – und gewinnbringende – Herausforderung. Ein Vorgehen, das sich bisher fast immer bezahlt gemacht hat. Weltweit.

Zwar hatten die Genfer UberPop nach einem halben Jahr im März 2015 per sofort verboten – Uber rekurrierte erfolglos, blitzte auch vor Bundesgericht ab. Dennoch: UberX und UberBlack (UberWas? – Erklärungfahren, ein geplantes Genfer Gesetz soll bald die Wogen glätten. Die Fahrgäste und damit die Volksmeinung weiss das Unternehmen dank modernster Technologie, unschlagbaren Preisen, einem verkrusteten Taxi-Business und geschickter PR sowieso auf seiner Seite.

Ubers Grundpfeiler wackeln

Trotz allem: Zwei Hauptpfeiler des Uber-Konstrukts beginnen zu wackeln. Beide stützen den beliebtesten Teil des Uber-Business: UberPop. Es ist erstens die Behauptung des Konzerns, die Fahrer seien keine Berufsfahrer – und zweitens Ubers Selbstverständnis als reiner Dienstleister ohne weitere Verpflichtungen.

Der erste Pfeiler betrifft konkret die Frage, ob die UberPop-Fahrer Gewerbetreibende sind oder nicht. Laut dem Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr ist das «die Kernfrage» für das Justiz- und Sicherheitsdepartement. Schliesslich stellt sich Uber Schweiz bezüglich UberPop auf folgenden Standpunkt:

«Da dabei nach Abzug aller Kosten im Durchschnitt keine Gewinne anfallen, erfüllt UberPop nicht die Voraussetzungen für den berufsmässigen Personentransport. Nicht nur die Fahrgäste sind unsere Nutzer, sondern auch die Fahrer.»

Obwohl also Personen transportiert werden und Geld die Hand wechselt, ist das, was geschieht, nur ein «Hobby», laut Uber: Der Fahrer ist ebenfalls ein Nutzer einer Dienstleistung, Gewinn macht er keinen. Juristisch ist Gewerbsmässigkeit bei Berufsfahrern allerdings klar definiert: in der «Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Führer von leichten Personentransportfahrzeugen und schweren Personenwagen» (ARV 2), Art. 31bis. JSD-Sprecher Andreas Knuchel fasst das Wesentliche so zusammen: «Von der Gewerbsmässigkeit wird ausgegangen, wenn die Fahrten regelmässig stattfinden und zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen; eben innerhalb von 16 Tagen zwei oder mehr Fahrten, mit denen ein wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden soll.»

Verfahren gegen UberPop-Fahrer kurz vor Abschluss

Der Nachweis, dass ein solcher «wirtschaftlicher Erfolg» vorliegt, sei für die Polizei nicht leicht zu erbringen. Recherchen der TagesWoche zeigen aber: Es ist derzeit ein Leichtes, mit UberPop einen (bescheidenen) Gewinn zu erwirtschaften, auch abzüglich der Fahrzeugkosten und aller übrigen Spesen. Die Gewerbsmässigkeit wäre somit auch für Gelegenheitsfahrer, die etwa regelmässig an Wochenenden unterwegs sind, schnell gegeben.

Die Behörden sind dran: Es gibt 15 offene Verfahren gegen UberPop-Fahrer. «Zwei Verfahren stehen kurz vor dem Abschluss und werden anschliessend an die Strafbefehlsabteilung der Staatsanwaltschaft überwiesen», sagt Sprecher Andreas Knuchel.

Wer berufsmässig Personen transportieren will, muss in der Schweiz spezielle Bedingungen erfüllen und Prüfungen absolvieren. Die Erlangung des «121» (dieser Code wird gut sichtbar auf dem Führerausweis aufgetragen) ist zeitaufwendig und kostspielig. Fahrer brauchen mindestens einen Fähigkeitsausweis für den Personentransport, eine kantonale Bewilligung, einen Eintrag im Fahrzeugausweis, einen Eintrag im Führerausweis, eine spezielle Ausrüstung des Fahrzeuges (mit Fahrtenschreiber im Kofferraum), eine Fahrerkarte sowie eine spezielle Versicherung.

Seltsames im UberPop-Vertrag

Kein Problem, denkt sich der angehende UberPop-Fahrer: Muss ich alles nicht haben. Im Gegensatz zu UberX reichen ein gültiger Führerausweis seit mindestens drei Jahren, ein geeignetes Auto, ein Schweizer Wohnsitz und eine weisse Weste. So steht es auf der Begrüssungs-Website für neue Fahrer:




Im 15-seitigen Vertrag, den UberPop-Fahrer nach der Anmeldung und nach dem Hochladen all ihrer Dokumente online abschliessen, steht aber etwas anderes. In dem Dokument, das der TagesWoche vorliegt (Vertrag aus dem Jahr 2016), «bestätigen und erklären» Schweizer UberPop-Fahrer auf Seite 6 schwarz auf weiss,

«dass sie immer … folgendes haben und beibehalten müssen: … alle Lizenzen, Erlaubnisse, Genehmigungen und Befugnisse, die für Sie gelten und erforderlich sind, um im Gebiet Personenbeförderungsdienstleistungen an Dritte zu erbringen; über ein angemessenes und aktuelles Niveau an Training, Fachkenntnissen und Erfahrung für die Erbringung der Beförderungsdienstleistungen auf professionelle Weise mit der angemessenen Fähigkeit, Sorgfalt und Vorsicht verfügen … sowie … bestätigen und erklären … dass Ihr Fahrzeug immer angemessen registriert und für den Betrieb als Personenbeförderungsfahrzeug im Gebiet zugelassen ist …». 




UberPop-Fahrer Georg kann darüber nur den Kopf schütteln: Klar würden auch viele Taxi-Fahrer ab und zu für Uber herumkurven – «Aber sonst hat kaum einer den 121er»! Ein UberX-Fahrer bestätigt: Er hat exakt den gleichen Vertrag unterschrieben. Uber Schweiz macht auf Vertragsebene anscheinend keinen Unterschied zwischen UberPop und UberX.

Die Firma weiss genau, dass viele UberPop-Fahrer die vertraglichen Grundbedingungen von vornherein verletzen, sprich, gar keine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport haben. Schliesslich will Uber alles schriftlich bestätigt haben:

«Um die Einhaltung aller Anforderungen … durch Sie sicherzustellen, müssen Sie der Gesellschaft schriftliche Kopien aller Lizenzen, Erlaubnisse, Genehmigungen, Befugnisse, Registrierungen und Bescheinigungen vorlegen, bevor Sie jegliche Beförderungsdienstleistungen erbringen.»

Um Betrüger auffliegen zu lassen, reicht für Uber schon ein Blick auf die von den Fahrern hochgeladenen Führerausweise: Kein «121», vertragliche Bedingungen nicht erfüllt. Ein Hindernis für eine erfolgreiche UberPop-Karriere ist das allerdings nicht.

«Es scheint mir in der Tat, dass Uber – namentlich wenn die Firma selber die Fahrer darauf aufmerksam macht, welche Bewilligungen diese haben müssen – in jedem Fall eine Verantwortung übernimmt, sofern Uber gar nichts kontrolliert und damit rechnen muss, dass die Fahrer die Voraussetzungen nicht erfüllen», so die Einschätzung von Professor Thomas Geiser, Experte für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen. Das bedeutet, die Fahrer wären hier nicht einfach selbst verantwortlich – so, wie Uber das gerne hätte? «Uber kann sehr wohl selber haftbar werden», so die Einschätzung von Thomas Geiser.

Es ist die Aufgabe der Polizei, die Einhaltung der Bestimmungen für Fahrer gemäss ARV 2 zu kontrollieren, so JSD-Sprecher Knuchel. Allerdings sei für das Vertragsverhältnis zwischen zwei Parteien nicht die Polizei zuständig, sondern die beiden Vertragspartner unter sich – diese müssten gegebenenfalls zivilrechtlich gegeneinander vorgehen.

Arbeitsrechtsexperte Geiser erklärt: «Selbstverständlich kann das Vertragsverhältnis zwischen Uber und dem Fahrer für die Anwendbarkeit gewisser Bestimmungen der ARV Bedeutung haben. Insoweit muss sich die Behörde auch um das Vertragsverhältnis kümmern und dieses beurteilen. Diese Beurteilung tangiert aber in keiner Weise die gegenseitigen Ansprüche von Uber und dem Fahrer.»

Basler Ausgleichskasse meldet Uber-Fahrer nach Zürich

Das zweite Problem von Uber ist, kurz gesagt, dass die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva das Argument nicht akzeptiert, UberPop-Fahrer seien selbstständige, respektive Hobby-Fahrer: Die Suva stuft Uber-Fahrer als Angestellte ein und verlangt somit, dass der Konzern die Sozialversicherungen der Fahrer bezahlt – wie alle anderen Arbeitgeber auch.

Das bekommt Uber nun auch via Basler Ausgleichskasse zu spüren. AHV-pflichtig wird, wer einen Lohn von mindestens 2300 Franken im Jahr erwirtschaftet. «Schon das wissen viele UberPop-Fahrer nicht», sagt ein Fahrer, «und das ist ein Problem. Der Firma ist das völlig egal, sie versucht, jegliche Verantwortung an die Fahrer abzugeben».

Meldet sich ein Basler Uber-Fahrer als selbstständig Erwerbender bei der Ausgleichskasse an, passiert Folgendes: Er wird an die zuständige Suva verwiesen. Doch diese würde «Uber-Fahrer als unselbstständig (also als Arbeitnehmer) beurteilen», sagt Mike Oberholzer, Leiter der Ausgleichskasse Basel-Stadt.

«Im Fall von Uber würden wir das anschliessend der Ausgleichskasse des Kantons Zürich mitteilen, damit diese prüfen kann, ob Uber den Lohn des Mitarbeitenden auf der Lohnliste führt, also für ihn AHV-Beiträge abrechnet. Wird auf anderen Wegen erfahren, dass eine Person für Uber tätig ist, würde auch die Ausgleichskasse des Kantons Zürich informiert, damit entsprechende Massnahmen eingeleitet werden können», so Oberholzer weiter.

Die Basler Ausgleichskasse meldet die Fälle an die Ausgleichskasse des Kantons Zürich, da Uber als gesamtschweizerisches Unternehmen bei dieser Kasse abrechnet. Diese hat laut Mike Oberholzer bereits Massnahmen ergriffen: «Sie setzt Uber unter Druck und stellt Rechnung für Sozialversicherungsbeiträge. Werden diese nicht bezahlt, würden die ausstehenden Beiträge wie bei jeder anderen Unternehmung betreibungsrechtlich eingefordert.»

Aus Sicht der Sozialversicherung beziehungsweise AHV sei Uber belangbar, so Oberholzers Einschätzung, und das werde auch vollzogen: «Bei den bekannten Uber-Fahrern wird geprüft, ob die Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet werden, und es wird entsprechend gehandelt.»

Taskforce gegen Uber

Es laufen 15 Verfahren gegen UberPop-Fahrer wegen möglicher Gewerbsmässigkeit, und gleichzeitig meldet die Ausgleichskasse Basler Uber-Fahrer nach Zürich, wo diese in ein grösseres Suva-Verfahren gegen die Firma geraten: Die Schonfrist ist definitiv vorbei.

Damit die Uber-Sache der Verwaltung nicht über den Kopf wächst, hat der Basler Regierungsrat eine Arbeitsgruppe in Auftrag gegeben, um auftretende Fragestellungen zu koordinieren. Bis die Taskforce sich Überblick verschafft, wird es wohl noch dauern: «Die Koordination ist ein Thema in Basel-Stadt», sagt Mike Oberholzer dazu.

Die TagesWoche hat Uber mehrmals mit den hier dargelegten Fakten und konkreten Fragen konfrontiert – mit der Bitte um Stellungnahme. Vergeblich: 36 Stunden nach der ersten Anfrage teilte Uber mit, derzeit könne man dazu «kein offizielles Statement einholen».
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* Name geändert


UberWas?
 
UberPop ist das bekannteste und beliebteste Angebot des Fahrdienstes: Jede und jeder mit Auto (viertürig, nicht älter als 10 Jahre), Führerschein (mindestens 3 Jahre) und weisser Weste kann in seiner Freizeit zum Hobby-Taxi-Fahrer werden. UberPop-Fahrten sind nicht zuletzt deswegen beliebt, weil sie konkurrenzlos billig sind. In den Worten von Uber ist UberPop «ein Mitfahrdienst unter Privatpersonen. Menschen nehmen einander gegen ein kleines Entgelt mit, um die Fixkosten für ihr bereits vorhandenes Auto zu reduzieren, oder einfach, um nette Gespräche zu führen.» Der grösste Teil der Basler Uber-Fahrer fällt in diese Kategorie.  

UberX bezeichnet ein Angebot, bei dem die Fahrgäste von professionellen Fahrern transportiert werden, die den Fähigkeitsausweis für den Personentransport besitzen – und deren Auto mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet ist. Es kostet etwas mehr als UberPop, die Fahrerdichte ist kleiner.

UberBlack ist quasi Ubers High-End-Angebot. Wer dieses nützt, wird von einem Profi-Fahrer in einer stilvollen Luxus-Karosse chauffiert. Zu entsprechend höheren Preisen. «Eine gute Wahl für ein Geschäftstreffen oder ein Date», findet Uber. Das kommt beispielsweise in Zürich gut an – in Basel gibt es derzeit nur UberPop und UberX.

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