US-Gasboom wälzt die Energiemärkte um

 

«Die globale Energielandschaft ändert sich dramatisch». Das schreibt die Internationale Energieagentur in ihrem neusten Ausblick. Hauptgrund: Der Schiefergas-Boom mache die importabhängigen USA mittelfristig zum Gas-Exporteur, langfristig sogar energieautark.

Fracking-Operation in North Dakota. Hier geht es zwar um die Öl-Gewinnung, aber das Verfahren ist das Gleiche wie beim Erdgas. (Bild: Reuters)

«Die globale Energielandschaft ändert sich dramatisch.» Das schreibt die Internationale Energieagentur in ihrem neusten Ausblick. Hauptgrund: Der Schiefergas-Boom mache die importabhängigen USA mittelfristig zum Gas-Exporteur, langfristig sogar energieautark.

Die Analysen und Ausblicke der Internationalen Energieagentur (IEA) hinken neuen Entwicklungen stets etwas hinter her. Die Risiken von Ölverknappung, Kohleboom und Klimawandel zum Beispiel entdeckte sie erst, nachdem andere Organisationen schon jahrelang davor gewarnt hatten.

Doch wenn die IEA einen Trend einmal erkennt, neigt sie zu starken Worten: Vor einem Jahr warnte sie noch vor einer «unsicheren, ineffizienten und kohlenstoffreichen Energiezukunft». Im neusten Weltenergie-Ausblick hingegen, den sie gestern veröffentlichte, schreibt die IEA: «Die globale Energielandschaft ändert sich dramatisch». Das habe «weitreichende Konsequenzen für die weltweiten Energie-Märkte».  Und IEA-Chefökonom Fatih Birol ergänzte laut Nachrichtenagentur dpa an der Medienkonferenz in London: «Die Grundpfeiler des weltweiten Energie-Systens werden verschoben.»

Wende mit Schiefergas

Die Ursache für diese neue «Dramatik» ortet die IEA in den USA, dem Staat, der bislang am meisten Erdöl und Erdgas verbraucht und importiert. Denn in den letzten zwei Jahren haben die USA ihre inländische Förderung von Erdöl und vor allem von Erdgas nach jahrelangem Rückgang wieder deutlich gesteigert. Das ist primär auf  neue Förderverfahren zurück zu führen. Diese erlauben es zum Beispiel, sogenanntes «Light Tight Oil» aus ölhaltigen Sedimenten heraus zu pressen und Erdgas aus Schiefer mittels «Fracking» abzubauen.

Aus diesem Grund ist der Preis für Erdgas in Nordamerika eingebrochen. Als Folge davon setzen die USA für die Stromproduktion und als Ersatz für teureres Erdöl vermehrt Erdgas ein. Gleichzeitig exportieren sie Kohle nach Europa. Denn in Europa ist der Gaspreis weiterhin hoch und die Verstromung von Kohle billiger.

Der Boom von Schiefergas, so prophezeit nun die IEA, werde die Gewichte auf dem globalen Energiemarkt verschieben. Der heutige Nettoimporteur USA werde sich bis zum Jahr 2020 zum Netto-Exporteur von Erdgas wandeln. Beim Erdöl könnten die USA ihre Förderung ebenfalls stark steigern und Saudi Arabien als heute mächtigsten Förderstaat vorübergehend ablösen. Ab 2035 schliesslich würden die USA in der Lage sein, sich mit Primärenergie vollständig selber zu versorgen.

Einen starken Zuwachs der Erdölförderung erwartet die IEA auch im Irak. Langfristig über die grössten Ölreserven verfügt weiterhin Saudi Arabien.

Grosse Umweltbelastung

Die Umkehr der USA vom Im- zum Exporteur von Erdgas und Erdöl werde die globalen Handelsströme der Energie und den Einfluss aufs Weltklima weltweit beeinflussen, schreibt die IEA weiter. Das verändert auch ihr Energieszenario: Bis zum Jahr 2035 erwartet die IEA eine Zunahme des weltweiten Primärenergieverbrauchs um einen Drittel. Mit einer Steigerung von 50 Prozent werde dabei der Verbrauch von Erdgas überdurchschnittlich wachsen.

Für die Umwelt ist diese Entwicklung zweischneidig: Einerseits kann Erdgas Kohle ersetzen und damit die Zunahme des CO2-Ausstosses und mithin den Klimawandel etwas bremsen. Andererseits ist der Abbau von Schiefergas mittels Fracking energieintensiver als die konventionelle Förderung, und sie führt lokal zu grossen Umweltbelastungen. So verschmutzen die Schieferstein-Bohrungen Gewässer und Grundwasser. Europäische Staaten wie etwa Frankreich oder Bulgarien haben darum den Abbau von Schiefergas mittels Fracking verboten.

Zu den weiteren zentralen Themen, die der neuste «World Energy Outlook» behandelt, gehört die Steigerung der Energieeffizienz. Denn für die  künftige Energieversorgung sei die Einsparung ebenso wichtig wie die zusätzliche Förderung von Primärenergie, schreibt die IEA. Chefökonom Birol beziffert das wirtschaftliche realisierbare Potenzial der Energieeffizienz auf 20 Prozent des trendmässigen Zuwachses des Energiebedarfs. Doch um dieses Potenzial auszuschöpfen, brauche es eine entsprechende Energiepolitik. Ohne politische Förderung der Energieeffizienz, so fürchtet die IEA, blieben zwei Drittel dieses Potenzials ungenutzt.
 
 
 

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