Die Regierungen verschärfen die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen. Airlines durchleuchten Fluggäste inzwischen von der Sitzplatz- bis zur Speisewahl. Und das ist erst der Anfang.
- Bestellen Sie im Flugzeug häufig vegetarische Gerichte?
- Reservieren Sie einen Platz am Notausgang?
- Boarden Sie Ihren Flug eher spät als früh?
- Sind Sie in der Vergangenheit häufiger in arabische Länder gereist?
Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, dann könnte das Risiko steigen, dass Sie ein Terrorist sind. Das klingt natürlich völlig absurd, doch es macht deutlich, wie Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus operieren.
Im April hat das EU-Parlament die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten (Passenger Name Record, PNR) beschlossen. Die PNR-Richtlinie verpflichtet Fluggesellschaften, EU-Mitgliedstaaten ihre Fluggastdatensätze zu überlassen und Fluggastdaten anlasslos zu speichern.
Bis zu 60 Einzeldaten jedes Passagiers werden dabei gespeichert: Name, Anschrift, Geschlecht, Nationalität, Kreditkartendaten, Hotelreservierungen, Sitzplatzinformationen, Historie über nicht angetretene Flüge, One-Way-Tickets, Vielfliegereintrag oder spezielle Essenswünsche. Daraus lässt sich ein detailliertes Profil der Reisenden ableiten.
Die Auswertung der Fluggastdaten soll den Behörden dabei helfen, Personen zu identifizieren, die «vorher einer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten oder schwerer Verbrechen unverdächtig waren», wie das EU-Parlament auf seiner Website informiert. Im Kampf gegen Terrorismus will die EU Passagiere vollständig durchleuchten.
Airports wie Dubai tracken ohne Erlaubnis Fluggäste und erstellen auf dieser Grundlage detaillierte Bewegungsprofile.
Die Weitergabe der europäischen Fluggastdaten an Drittländer wie die USA oder Kanada ist in dem Beschluss explizit vorgesehen, wobei die Kooperation mit Kanada auf der Kippe steht. Was die Behörden mit den Daten machen und ob sie mögliche Korrelationen mit bekannten Gefährderprofilen anstellen, ist unklar. Die Behörden wollen sich dazu nicht äussern. Doch wer auf einem Flug von Frankfurt nach New York ein vegetarisches Menü bestellt und einen Sitzplatz am Notausgang hat, muss damit rechnen, dass seine Fluggastdaten beim FBI landen.
Die Weitergabe von Fluggastdaten ist nur ein Baustein einer zunehmenden Überwachung von Reisenden. An immer mehr US-Flughäfen werden Gesichtserkennungssysteme installiert, um potenzielle Terroristen zu identifizieren. Das FBI hat eine Datenbank von 410 Millionen Fotos aufgebaut, die sich unter anderem aus Führerscheinfotos und Visumsanträgen speist.
Airports wie Dubai tracken ohne Erlaubnis Fluggäste und erstellen auf dieser Grundlage detaillierte Bewegungsprofile. Der Flughafen in Helsinki hat 2014 bereits ein umfassendes Tracking-System eingeführt, das Fluggäste vom Parkplatz bis zur Abflughalle auf Schritt und Tritt verfolgt. Sensoren erfassen, wohin sich Passagiere bewegen, welche Geschäfte sie betreten und wann sie einchecken.
Offiziell wurde das System eingeführt, um etwaige Engpässe bei der Abfertigung zu vermeiden. Doch prinzipiell liessen sich dadurch auch Profile von Passagieren anlegen. Wer reist wann wohin?
Verdächtige nach links, Rechtschaffene nach rechts – die Amerikaner arbeiten bereits daran.
Das Department of Homeland Security forscht derweil unter Hochdruck an hochauflösenden Videokameras, die Personen aus bis zu zehn Metern Entfernung anhand eines Iris-Scans erkennen. Diese biometrischen Merkmale sind so einzigartig wie ein Fingerabdruck.
Ein Mitarbeiter der Behörde sagte dem Portal «Defense One»: «Wenn jemand die Fluggastbrücke am Airport herunterläuft, können wir sagen: Diese Person wurde authentifiziert, sie darf in die Fast-Track-Lane rechts gehen. Diese Person nicht, sie muss zum Screening-Test nach links. Kann das Gerät in einen Computer gebaut werden, sodass es nicht ein Add-On-Gerät ist, wie eine Maus? Die Antwort lautet: Ja.»
Verdächtige nach links, Rechtschaffene nach rechts. Solche groben Raster führen in der Praxis allerdings schnell zu Diskriminierung.
Dessen ungeachtet setzt die Transportation Security Administration (TSA) sogenannte «Screener» ein, Beamte, die verdächtiges Verhalten von Fluggästen aufspüren sollen. Der Reisende wird beobachtet, ohne es zu merken. Screening of Passengers by Observation Techniques (Spot) heisst diese Observationstechnik. Erst auf eine Verpflichtungsklage der Bürgerrechtsorganisation ACLU machte die Transportsicherheitsbehörde ihre geheime Checkliste publik.
Ein paar Abweichungen von der Norm können ausreichen, um auf einer No-Fly-List zu landen.
Verdächtiges Verhalten umfasst demnach übermässiges Gähnen, exzessives Räuspern oder aufgerissene Augen. Auch eine blasse Haut oder frisch rasierte Glatze soll einen Terroristen indizieren. Es ist fraglich, wie man mit einer solch stereotypen Checkliste Terroristen entlarven will. Die Methodik ist höchst zweifelhaft und rechtsstaatlich heikel. Ein paar Abweichungen von der Norm können ausreichen, um auf einer No-Fly-List zu landen.
Im vergangenen Jahr wollte Chris Roberts, ein weltweit anerkannter Cybersicherheitsexperte, mit dem Flugzeug von Colorado nach Los Angeles zu einer Konferenz reisen. Der private Sicherheitsdienst von American Airlines, die den Flug durchführte, liess ihn an der Boarding-Pass-Kontrolle jedoch nicht passieren.
Der Grund: Der Sicherheitsforscher hatte einige Tage zuvor auf Twitter Sicherheitslücken in der Bordelektronik von American Airlines öffentlich gemacht. Und das schmeckte der Fluggesellschaft gar nicht.
Roberts beschwerte sich, dass seine Warnungen in den Wind geschlagen wurden. Doch offensichtlich wurden seine Einlassungen auf Twitter genau gelesen – und waren Grund genug, ihn auf eine No-Fly-List zu setzen.
Roberts wurde vier Stunden lang vom FBI verhört, sein Laptop und andere elektronischen Geräte beschlagnahmt. Der Wissenschaftler verfolgte freilich keine böse Absicht, doch der Tweet reichte aus, um ins Raster der Ermittler zu fallen.
Einmal auf der No-Fly-Liste ist es eine Odyssee wieder gestrichen zu werden.
Es gibt mannigfaltige Gründe, warum man auf eine No-Fly-List gesetzt wird: Eine zufällige Namensidentität mit einem Terroristen, häufige Reisen in das «falsche» Land oder ein schlichter Formfehler. Nach Informationen der Enthüllungsplattform «The Intercept» stehen 47’000 Menschen auf einer No-Fly-List – das entspricht in etwa der Bevölkerung von Thun.
Das Verfahren, wer auf diese Screening-Liste gesetzt wird, ist intransparent – der Betroffene kann seinen Status nicht abfragen, er erfährt es erst beim Boarding. Und steht man erst einmal auf dieser Liste, kommt man davon schwerlich wieder runter.
Die malaysische Architektin Rahinah Ibrahim, die fälschlicherweise auf die schwarze Liste gesetzt wurde, kämpfte neun Jahre in gerichtlichen Auseinandersetzungen, ehe ihr Name von der Liste gestrichen und sie wieder in die USA einreisen durfte. Die No-Fly-List ist erratisch und von rassistischer Voreingenommenheit. Wobei es durchaus auch unverdächtige, weisse Männer treffen kann, landeten doch selbst hochrangige Politiker wie der Senator Ted Kennedy auf der Liste.
Datenschützer kritisieren seit jeher die Existenz der No-Fly-List. Allein, das scheint die Sicherheitsbehörden von ihrer Obsession, Daten zu sammeln, nicht abzubringen. Wer die «falschen» Parameter hat, könnte künftig bei der Einreise eine böse Überraschung erleben.