Für Novartis ist das Kapitel Schweizerhalle abgeschlossen. Für eine Gruppe Politiker aber ist die Katastrophe aktuell: Sie will, dass der Boden 25 Jahre nach dem Brand saniert wird. Novartis sieht keinen Handlungsbedarf.
Daniel Vasella war 33 Jahre alt und mit der Nichte des obersten Sandoz-Chefs verheiratet, als es auf dem Schweizerhalle-Areal der Firma in Muttenz brannte. Damals, als die Region den Atem anhielt und niemand wusste, was die Katastrophe für die Zukunft bedeuten würde.
Inzwischen ist Daniel Vasella selber oberster Chef der Sandoz-Nachfolgerin Novartis und die Welt weiss, dass keine Menschen an den Giftstoffen gestorben sind, die beim Grossbrand ins Wasser und die Luft gingen. Die Tragödie bestand im Sterben Tausender Fische – schlimm, aber es hätte noch schlimmer kommen können.
Forderung nach Sanierung
Dennoch muss sich Vasella dem Problem Schweizerhalle stellen – auch jetzt noch, 25 Jahre nach dem Brand: Ganz so rosig, wie es scheint, ist die Situation nicht. «Die Sanierung des Brandplatzs ist noch nicht abgeschlossen, und es besteht auch 17 Jahre nach Abschluss der Aufräumarbeiten die Gefahr, dass Brandstoffe in den Trinkwasserbrunnen gelangen könnten», schrieben zwei Dutzend linke Politiker in einem Brief, den sie Daniel Vasella im Oktober pünktlich zum 25. Jahrestags des Brandes zukommen liessen.
Die Politiker unter Federführung des grünen Landrats Jürg Wiedemann stützten sich auf Angaben des Amtes für Umweltschutz und Energie (AUE), wonach der Trinkwasserbrunnen nahe des Geländes bis heute nicht voll genutzt werden kann. Die Gruppe forderte Daniel Vasella zum Handeln auf: «Wir bitten Sie, die Schweizerhalle-Deponie endgültig zu beseitigen.» Und zwar so, wie es damals vereinbart worden sei – ganz.
Vasella antwortet nicht persönlich
Inzwischen haben die Politiker eine Antwort erhalten, wenn auch nicht von Vasella persönlich. Er hat die Sache an zwei Mitarbeiter delegiert. Die Botschaft: Novartis sieht keinen Handlungsbedarf.
Die Novartis-Mitarbeiter betonen eingangs, die Firma lege «grossen Wert auf einen wirksamen Schutz von Grund- und Trinkwasser». Sie stellen zudem klar, dass es sich beim betreffenden Areal um einen «belasteten Schadensplatz» handle und nicht wie von den Politikern formuliert um eine Deponie. Der entscheidene Satz ist aber: «Der Standort ist auf Grundlage heute geltender Gesetzgebung nicht sanierungsbedürftig.» Auch diese Aussage basiert auf Erkenntnissen des AUE. Dieses hat in der Zwischenzeit eine Neubeurteilung des Standorts vorgenommen und verfügt, dass der Platz nicht sanierungsbedürftig sei.
Abgerundet wird das Schreiben mit einem Versprechen: Die heutige Grundeigentümerin Clariant werde dem AUE in Abstimmung mit Novartis und Syngenta ein Überwachungskonzept vorlegen und «geeignete Massnahmen» prüfen, um nachfolgende Generationen von der Verantwortung für den Standort zu befreien.
Was stimmt jetzt?
Für Jürg Wiedemann ist klar: «Das Verhalten von Novartis ist eine Sauerei.» Novartis riskiere weiterhin eine Verschmutzung des Trinkwassers. Denn dieses enthalte zahlreiche unbekannte Substanzen, über deren Giftigkeit man gar nichts wisse. «Der Ausdruck ‚belasteter Schadensplatz‘ ist daher eine Verharmlosung.» Durch Chemikalien verschmutztes Bodenmaterial sei im kiesigen Untergrund deponiert, ergo: Deponie.
Die Frage, wer recht hat, bleibt offen. Beide Parteien beharren auf ihren Standpunkten. Die Politiker-Gruppe lässt sich aber nicht so einfach abspeisen: «Wir werden das direkte Gespräch mit Daniel Vasella suchen und ihn fragen, wie die versprochenen Massnahmen aussehen», sagt Wiedemann.
Das Treffen soll noch diesen Winter stattfinden: Die Novartis-Mitarbeiter versprechen den Politikern in ihrem Schreiben, dem AUE das angekündigte Konzept bis Ende Februar vorzulegen.