Vernichtendes Urteil über die Lex Therwil

Kirchen, Schulen, Parteien: Das Gesetz zur sogenannten Händedruck-Affäre fällt durch. Nur die SVP beklatscht den Entwurf der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind.

Händedruck per Gesetz? Halten selbst die Baselbieter Schulen für übertrieben.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Kirchen, Schulen, Parteien: Das Gesetz zur sogenannten Händedruck-Affäre fällt durch. Nur die SVP beklatscht den Entwurf der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind.

Auf Monica Gschwind warten schwere Tage. Die Baselbieter Bildungsdirektorin hat ihre Schlüsse aus der Debatte um den verweigerten Händedruck zweier Teenager an einer Therwiler Schule gezogen und ein neues Gesetz sowie einen neuen Verfassungsartikel formuliert. Nachdem Rechtsexperten aller Couleur Gschwinds Vorlage scharf kritisierten, wird das Projekt nun auch in der Vernehmlassung mehrheitlich zerpflückt.

Das will das neue Gesetz in aller Kürze:

  • Schüler können gezwungen werden, an «hiesig gängigen Ritualen teilzunehmen». Als Beispiel für derartige Rituale wird der Handschlag genannt.  
  • Schulen müssen «wesentliche Integrationsdefizite» an die Ausländerbehörde melden.
  • Schüler werden angehalten, «hiesige Werte» zu achten.
  • Sowohl die Kinder wie auch deren Eltern können für entsprechende Verfehlungen bestraft werden.

Das soll sich in der Kantonsverfassung ändern

  • Die Erfüllung «bürgerlicher Pflichten» soll Vorrang haben vor religiösen oder weltanschaulichen Ansichten. 

Derzeit steht nur die SVP hinter dem neuen GesetzDie SP betitelt Gschwinds Vorlage als «komplett untauglich». Sie erschöpfe sich letztlich darin, in Reaktion auf die Vorgänge in Therwil ein Zeichen zu setzen:

«Es ist zu bedauern, dass dafür unnötigerweise viel Zeit und personelle Ressourcen aufgewendet wurden. Für diese populistisch motivierte, aktionistische Verfassungs- respektive Gesetzgebung wird die SP nicht Hand bieten.»

Auch die Grünen lehnen die neuen Gesetzesartikel rundherum ab. Die Meldepflicht, wonach Schulleitungen ausländische Schüler mit Integrationsdefiziten der Ausländerbehörde melden müssen, würde Denunziantentum fördern, befürchtet die Partei. Zudem würde das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern gestört.

«Die bestrafende Grundtendenz der Vorlage birgt unerwünschte, teilweise gefährliche Folgen, ist weder nötig noch zielführend und auch nicht verfassungskonform.»

CVP und FDP beraten noch, wie sie sich zur Revision stellen – obwohl die Antwortfrist längst abgelaufen ist. CVP-Landrat Pascal Ryf, der die Antwort verfassen wird, äusserte sich in der «bz Basel» kritisch zu Gschwinds Entwurf. Begriffe wie «gängige Rituale» seien schwammig, die Meldepflicht unnötig.

Auch in der FDP, Gschwinds Mutterpartei, zeigt man sich zumindest im kleinen liberalen Flügel entsetzt über einzelne Teile der Vorlage. Am Donnerstag diskutiert die Partei, wie sie sich positionieren will.

Werte im Wandel

Interessanter als die politischen Reaktionen sind jene aus der Gesellschaft. Sowohl die reformierte als auch die katholische und die christkatholische Kirche üben scharfe Kritik an der Vorlage – obwohl sie von Gschwind nicht mal eingeladen wurden, sich zu äussern.

Im neuen Verfassungsartikel, welcher der Erfüllung «bürgerlicher Pflichten» den Vorrang gibt vor religiösen Interessen, erkennen die Kirchen eine «Gefährdung der Grundrechte», weil die einzelfallgerechte Abwägung bei Konflikten ausgehebelt werde. Die Meldepflicht wiederum würde den Schulbehörden «unmögliche und nicht zielführende Aufgaben» aufbürden.

Gschwinds Hantieren mit Begriffen wie «hiesige Werte» oder «gängige Rituale» betrachten die Kirchen misstrauisch. Sie sprechen von «unbestimmten Gesetzesbegriffen» und einem «übergrossen Ermessensspielraum». «Werte, Bräuche, Sitten sind einem Wandel unterworfen, sie können nicht verstetigt werden», belehren die Geistlichen die nach Wertetreue strebende Bildungsdirektorin.

Die wahrscheinlich gewichtigste Beurteilung des Entwurfs kommt von den Schulen selbst. Denn aus deren Wunsch nach Klärung entstand die Gesetzesrevision. Die Vereinigung der Schulratspräsidenten lehnt es als «unverhältnismässig» ab, den Handschlag namentlich im Gesetz zu erwähnen. Zudem solle die Meldepflicht bei Integrationsproblemen in ein Melderecht abgeschwächt werden.

Unnötiges Gesetz

Gegen die Festschreibung des Einhaltens «hiesiger Werte» und «gängiger Rituale» im Gesetz haben die Schulräte zunächst nichts. Als besonders nützlich werden die Neuerungen aber nicht taxiert:

«Mit der Verpflichtung zum Einhalten der Weisungen der Lehrpersonen und Schulbehörden besteht schon heute eine Verpflichtung zum Einhalten von Werten und Teilnehmen an Ritualen.»

Für Monica Gschwind sind all das keine besonders guten Neuigkeiten. Für sie und ihre Hausjuristen heisst es nun: zurück auf Feld eins.

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