Am 5. Juni stimmen Baselbieterinnen und Baselbieter über die Zukunft ihres Bildungssystems ab. Der Abstimmungskampf läuft heiss.
Die Wiedemann-Wochen stehen an. Der grün-unabhängige Landrat Jürg Wiedemann ist der Kopf des Bildungs-Widerstands im Baselbiet. Er und sein Komitee «Starke Schule Baselland» bringen am 5. Juni gleich drei Vorlagen zur Abstimmung. Es ist der Höhepunkt von Wiedemanns Kampf gegen «kostentreibende Sammelfächer», «Reform-Irrsinn» und für die Schule, wie sie seit Jahrzehnten existiert.
Während Basel-Stadt den neuen Lehrplan bereits umsetzt, wächst in Baselland der Widerstand dagegen. Die Lehrplan-Gegner wollen verhindern, dass Fächer wie Biologie, Chemie und Physik künftig in einem Fach unterrichtet werden. Damit würden Lehrerinnen und Lehrer auf der Sekundarstufe zu «Allroundern», erklärte Wiedemann an der Medienkonferenz am Donnerstag. Die Unterrichtsqualität nehme ab, wenn Lehrpersonen drei Fächer auf einmal unterrichten müssten.
Lehrer sehen neuen Lehrplan als Risiko
Eine Umfrage, die der Kanton just am Mittwoch veröffentlichte, stützt die Haltung Wiedemanns. Rund 700 Lehrerinnen und Lehrer – 60 Prozent aller Sekundarschul-Lehrpersonen – nahmen an der Online-Umfrage der Bildungsdirektion teil. Etwa ein Drittel dieser Lehrpersonen sieht die Einführung von Sammelfächern als Risiko. 21 Prozent sehen darin eine Chance. Das grösste Risiko sehen Geschichts- und Geografielehrpersonen, deren Fächer in «Räume, Zeiten, Gesellschaften» umbenannt werden sollen.
Für Wiedemann ist die Umfrage ein «vernichtendes Urteil, was die Sammelfächer betrifft». Das Resultat zeige, dass Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie er einen Bildungsabbau erwarteten, wenn Kombi-Fächer eingeführt würden. Die Umfrage hat Wiedemann selbst mitinitiiert. Denn er war bis Ende Januar in der Gruppe Marschhalt, die Monica Gschwind 2015 nach ihrer Wahl in den Regierungsrat ins Leben rief und die die Umfrage lancierte.
«Projekt löst Ängste aus»
Für die SP-Landrätin Regula Meschberger kommt das Resultat der Umfrage wenig überraschend. «Reformprojekte sind immer risikobehaftet. Die Einführung von Sammelfächern ist auch mit einem Abbau von Lehrpersonal verbunden. Es erstaunt deshalb nicht, dass das Projekt auch Ängste auslöst.»
Wiedemann erklärt: «Wenn Sammelfächer eingeführt werden, müssen wir das Lehrpersonal auch weiterbilden. Das wird eine teure Angelegenheit.» Auch die Lehrmittel für Sammelfächer müssten neu produziert werden. Das koste wiederum viel Geld.
Dass Wiedemann mit einem Kostenanstieg argumentiert, findet Meschberger fragwürdig. «Die Kosten steigen eher, wenn wir auf Fächerverbünde – wie die Sammelfächer korrekt heissen – verzichten. Dann müssten wir nämlich separate Ausbildungsgänge bei der Pädagogischen Hochschule organisieren und eigene Lehrmittel herstellen.» Sofern die Bildungsvorstösse zu einem Austritt aus dem Harmos-Konkordat führten, würden die Kosten erst recht ansteigen.
Breit abgestütztes Komitee
Meschberger und einige Politiker aus CVP, BDP, Grünen, Juso und jungen Grünen wollen deswegen das «Bildungs-Chaos» verhindern. Auch die Handelskammer beider Basel ist in der Anti-Wiedemann-Koalition vertreten.
Neben den Sammelfächern will Wiedemann den Lehrplan 21 auf eine andere Art «sinnvoll korrigieren». Dafür soll das Bildungsgesetz so geändert werden, dass der Landrat künftig bei Bildungsentscheiden mehr Mitspracherecht erhält. Die Entscheidungen, die der Bildungsrat – ein Gremium bestehend aus Politikern und Bildungsexperten – trifft, soll neu der Landrat absegnen.
1000 Plakate zum «Reform-Irrsinn»
Der Landrat sei «fachlich kompetent» genug, um diese Entscheide beispielsweise über die Stundentafeln mitzutragen, sagt Wiedemann. Meschberger sieht darin die Gefahr, dass die Bildungspolitik komplett politisiert werde.
Eine weitere Vorlage, über die am 5. Juni abgestimmt wird, will die Kaufmännische Vorbereitungsschule (KVS) erhalten. Dieser Vorschlag ist weitaus weniger umstritten und hat deshalb gute Chancen, angenommen zu werden.
Wiedemann und die Starke Schule Baselland wollen im Abstimmungskampf 1000 Plakate zum «Reform-Irrsinn» aufhängen. Die Bildung ist damit längst politisiert, unabhängig davon, wie die Abstimmungen am 5. Juni ausgehen.