Mit dem Depot Basel als Zwischennutzungsort hat der Kunstkredit Basel-Stadt für einmal sehr viel Platz zur Verfügung – fast etwas zuviel, wie ein Blick in die Jahresausstellung zeigt, bei der zwischen sehr vielen Bildern nur wenige raumgreifende Installationen zu entdecken sind.
Ich solle mich warm anziehen, rät Peter Stohler, Beauftragter für Kulturprojekte in der Abteilung Kultur Basel-Stadt. Und wir erinnern uns an unangenehme Kälte, die letztes Jahr durch die ungenügend beheizten Räume im Dreispitz geschlichen war. Nur gab es damals einfach eine Heizung, das Depot Basel auf dem Erlenmattareal aber kann gar nicht beheizt werden. Doch die für die Jahreszeit relativ milden Aussentemperaturen sorgten für einen temperaturmässig angenehmen Aufenthalt. Dass dennoch ein etwas unterkühlter Eindruck blieb, lag dieses Mal also nicht an den klimatischen Bedingungen.
Die Ausstellungsräumlichkeiten im ehemaligen Getreidesilo, das von der Stiftung Habitat für ein Zwischennutzungsprojekt zur Verfügung gestellt wurde, hinterlassen einen imposanten Eindruck. Rund 1000 Quadratmeter Fäche bietet alleine das Haupthaus, das von den riesigen Trichtern dominiert wird, aus denen einst das Getreide abgelassen wurde. Dazu kommen noch einmal einige Hundert im Nebengebäude. Die Basler Künstlerinnen und Künstler, die sich um Werkbeiträge beworben haben – 76 waren es in diesem Jahr – wussten um den weitläufigen und nicht eben einfach zu bespielenden Raum. So erscheint es etwas seltsam, dass mit wenigen Ausnahmen vor allem Zeichnungen, Fotografien und Gemälde eingereicht wurden, zumindest von den 21 Künstlerinnen und Künstlern, die es in die engere Auswahl und somit auch in die von Susanne Buder und René Schraner kuratierte Jahresausstellung schafften.
Bilder dominieren
Das setzt sich fort bis zu den sieben letztlich mit einem Beitrag von je 17’000 Franken prämierten Werken. Etwa der hintersinnig-witzigen Werkgruppe von Pedro Wirz (in Zusammenarbeit mit der Modedesignerin Sara Vidas) mit fünf schwarz-weiss gemusterten Plastik-Fingernägeln, die – unterschiedlich platziert – in überdimensionale Rahmen eingefasst sind. Oder bei den zwölf Text-Foto-Kombinationen, mit der die 1970 geborene Künstlerin Nele Stecher die deutsche RAF-Vergangenenheit der 1970er-Jahre auf sowohl dokumentarische als auch persönlich gefärbte Art aufarbeitet. Geneviève Morin hat mit dem figurativen und in Pastelltönen gehaltenen Ölgemälde «En haut du brouillard, en bas du soleil» gar einen beinahe schon extremen Kontrapunkt zu den Ausstellungsräumlichkeiten eingereicht, so dass sogar im Jurybericht von einer kontroversen Diskussion über die Werkauswahl die Rede ist.
Mehr Raum in Anspruch nimmt dagegen Lex Vögtli, die neben einem Ölbild und einer verfremdeten düsteren Wanduhr eine dreidimensionale Verkündigungs-Installation in einem Vitrinenkasten eingereicht hat. Das gilt auch für die etwas sperrige Installation «Wardrobe», die aus einem Garderobenständer mit einem gerahmten Print und erschiedenen Kleidungsstücken besteht. Und einem Discman mit Kopfhörern, über die Textfragmente zu hören sind, die der Biografie von Peggy Guggenheim entnommen worden sein sollen. Richtig viel Platz in Anspruch nimmt schliesslich die feinspürig durchdachte Video-, Licht- und Soundinstallation «Imagine a Situation Where the Rules of the Game Change» von Dominique Koch.
Atelierbesuche
Richtig aufsehenerregend ist in dieser von Bildern dominierten Ausstellung die Werkauswahl von Daniel Roth, die aus den Atelierbesuchen des Kunstkredits hervorgegangen ist: ein seltsam anmutendes, mit Hirschfell überzogenes Gebilde liegt am Boden, von der Decke hängt ein grob strukturierter Umhang aus Baumrinde und neben Zeichnungen und einer Fotografie ist auch noch eine 16-Millimeter-Filmprojektion zu sehen. Aber auch bei den Werkstattbesuchen ist die Jury auf Gemälde gestossen, namentlich auf die grossformatige Versailles-Gruppe von Susi Juvan. Die Künstlerin variiert darin mit reicher Farbpalette französische Hofmalereien aus dem 18. Jahrhundert. Zu sehen sind in der Jahresausstellung überdies die Resultate von Endausscheidungen der verschiedenen Wettbewerbe (Kunst am Bau, Kunst im öffentlichen Raum und Freies Kunstprojekt) sowie in einer Extra-Koje die Ankäufe der vergangenen zwei Jahre.
Die Jahresausstellung und der ausführlichen sowie sprachlich sorgfältig verfasste Jurybericht geben letztlich auch Rechenschaft darüber ab, wie der Kanton das Schaffen der hier tätigen bildenden Künstlerinnen und Künstler fördert. Über die Ausrichtung des Kunstkredits ist in den vergangenen Monaten ausführlich diskutiert worden. Ende Oktober, so Peter Stohler, soll nun ein neues Leitbild vorgestellt werden. Und auch beim Thema Kunst im öffentlichen Raum will man neue Wege gehen. So fasst neu ein auswärtiges Team, das «raumlaborberlin» den kuratorischen Auftrag für die Umsetzung dieses Bereichs. In einem Podiumsgespräch am 12. Oktober (19.00 Uhr) werden sich zwei Mitglieder der renommierten Ideenwerkstatt den Fragen von Peter Stohler stellen.
- Jahresausstellung Kunstkredit Basel-Stadt, Bis 14. Oktober 2012 im Depot Basel (Schwarzwaldallee 305, Erlenmattareal), Di-So 11.00 – 18.00 Uhr, Mi 11 – 20.00 Uhr. Vernissage: Freitag, 28. September, 18.00 Uhr