Von Christoph Merian bis zu den Zolli-Gönnern

Kunst, Kultur, Bildung, Wohnen bis hin zum Zolli: Für fast alle Anliegen gibt es Stiftungen in Basel. Steuervorteile spielen für Mäzene eine sekundäre Rolle.

Der gute Boden ist da. Doch von alleine wächst nichts. (Bild: Cedric Christopher Merkli)

Kunst, Kultur, Bildung, Wohnen bis hin zum Zolli: Für fast alle Anliegen gibt es Stiftungen in Basel. Steuervorteile spielen für Mäzene eine sekundäre Rolle.

Vorbildcharakter für den sorgenden Blick vieler Basler auf das Wohl ihrer Stadt hat das Verm­ächtnis des Kaufmanns, Geldverleihers und regionalen Grossgrundbesitzers Christoph Merian (1800–1858). Obschon Merian zu Lebzeiten mitunter als kleinkarierter Batzenklemmer in Erscheinung getreten war, entpuppte er sich posthum als freigiebiger Lokalpatriot. Laut Testament sollen die Erträge aus Merians grossem Nachlass zur «Linderung der Noth und des Unglückes» eingesetzt werden, und zwar ausschliesslich in dessen «lieben Vaterstadt», also in Basel.

Existenz und Ausrichtung von Basels wohl renommiertester Stiftung beruhen bis heute auf dieser Verfügung. Über zehn Millionen Franken pro Jahr schüttet die Christoph Merian Stiftung (CMS) in Form von Anschubfinanzierungen, Projektzuschüssen und langfristig ausgerichteten Betriebsmitteln aus. Im Unterschied zur Mehrzahl der klassischen Förderstiftungen beschäftigt die CMS nicht nur eine Handvoll Finanzverwalter, Vergabespezialisten und Revisoren. Als Stiftungsunternehmen mit 120 Angestellten ist sie in mannigfaltiger Weise unternehmerisch tätig, bewirtschaftet in Basel etwa ihre eigenen Seniorenheime oder zieht grös-sere Bauprojekte in Eigenregie durch.

Positiv für das Lebensgefühl

Dabei erbringt die CMS auch viele «geldwerte» Leistungen, deren Bedeutung für das soziale Klima in Basel sich nur schwer in Frankenbeträge fassen lässt: Schuldenberatungsstelle, Kinderbüro, Gassenküche, Quartier- und Begegnungszentren, Alterssiedlungen, Haus für elektronische Künste, Papiermühle, Literaturhaus – um nur ein paar der zahlreichen CMS-Engagements herauszugreifen, die das Lebensgefühl in dieser Stadt positiv mitprägen. «Die Stiftung von Christoph und Margaretha Merian erweiterte Basels öffentlichen Handlungsspielraum, städtebaulich, sozialpolitisch und kulturell», urteilt der Merian-Biograf Robert Labhardt im Buch «Kapital und Moral» (2011).

Im Register der kantonalen Stiftungsaufsicht sucht man die Merian-Stiftung vergeblich. Das liegt daran, dass die Oberaufsicht bei der Basler Bürgergemeinde angesiedelt ist, oder genauer beim Bürgerrat als deren Exekutivorgan. Die Einbindung der CMS in die politischen Entscheidungsabläufe stellt im Stiftungsbereich einen Spezialfall dar. Auch mit dem Kanton ist die CMS institutionell eng verbandelt, muss sie doch jedes Projekt dem Regierungsrat zur Genehmigung unterbreiten. Auf der Basis eines politischen Kuhhandels, der Merians letzten Willen in diesem Belang in den Wind schlägt, entscheiden heute Bürgergemeinde und Kanton über die Verwendung von jeweils 45 Prozent des jährlichen Reinertrags der Stiftung. Mit anderen Worten kontrolliert sich die Bürgergemeinde bei der Vergabe der Stiftungserträge selber – eine Konstruktion, die aus aufsichtsrechtlicher Optik problematisch erscheint.

Was die finanziellen Reserven betrifft, strotzt die CMS vor Gesundheit: Dank geschickter Landkäufe, vorteilhafter Umzonungsentscheide und einem ungebrochenen Bodenpreisanstieg in der Agglomeration hat die Stiftung ihren Landbesitz seit der Gründung im Jahr 1886 mehr als verdreifacht. Heute sitzt sie auf einem immensen Immobilien-Portefeuille mit einem Marktwert, der die als Stiftungsvermögen offiziell ausgewiesenen 328 Millionen Franken um ein Mehrfaches übersteigt. Dass ein so dickes Finanzpolster Begehrlichkeiten weckt, erklärt sich von selbst.

Gut, löblich, gemeinnützig

Nicht ganz so vermögend, aber ähnlich präsent ist die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige, kurz GGG. Im Geiste der Aufklärung vom Ratschreiber Isaak Iselin (1728–1782) und anderen weitsichtigen Baslern ins Leben gerufen, bemüht sich die GGG seit 235 Jahren um «die Ausbreitung alles dessen, was gut, was löblich, was gemeinnützig ist, was die Glückseligkeit des Bürgers und des Menschen überhaupt erhöhen kann». Im Zentrum von Iselins Bestrebungen stand die Förderung der Ausbildung unterprivilegierter Bevölkerungsschichten.

Zu Recht sah er darin eines der wirksamsten Mittel zur Linderung der damals auch in Basel noch weitverbreiteten Armut. Unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe» tat sich die GGG vor allem mit der Gründung von Basler Ausbildungsinstitutionen hervor: Töchterschule, Frauenarbeitsschule, Kindergärten, Bibliotheken, Musikakademie und Gewerbeschule. Viele davon hatten Pioniercharakter und wurden später von der öffentlichen Hand übernommen. Auch heute noch ist die GGG mit ihrem löblichen Hilfsangebot aus der Stadt Basel nicht wegzudenken. 2010 schüttete sie 8,35 Millionen Franken aus, führte 120 Festangestellte auf ihrer Payroll und konnte für ihre zahlreichen Aktivitäten nach eigenen Angaben weit über 1000 Feiwillige und ehrenamtliche Helfer mobilisieren.

Für Taglöhner und Mägde

Obschon die GGG als Verein organisiert ist, hat auch sie eine kapitalkräftige Stiftung im Rücken. Diese geht auf die «Zinstragende Ersparniskasse» zurück, die 1809 von der GGG mit dem Ziel gegründet worden war, den Basler Dienstboten, Taglöhnern und Mägden die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Erspartes zinstragend anzulegen. Ihr ­erstes Kontor unterhielt die «Ersparniskasse» im Erdgeschoss der Schlüsselzunft an der Freien Strasse. Im Lauf der Jahre wurde daraus die «Sparkasse Basel» mit Sitz am Steinenberg und sechs über die Stadt verteilten Filialen.

1991 wurde die «Sparkasse Basel» mit der Regio Bank fusioniert und in der Folge an die Schweizerische Bankgesellschaft (heute: UBS) verkauft. Mit dem Verkaufserlös richtete die GGG eine Stiftung namens SKB 1809 ein, von deren Vermögenserträgen sie bis heute zehrt. Vom Ertrag, den die SKB 1809 auf ihrem Kapitalstock von über 100 Millionen Franken erwirtschaftet, fliessen im Schnitt rund zwei Millionen Franken in Form ordentlicher Betriebszuschüsse direkt in die Kasse der GGG. Darüber hinaus werden grössere Investitionsvorhaben und Projekte von der hauseigenen Stiftung mitgetragen. «Wir stehen ganz im Dienst der GGG und federn deren eigene Erträge ab», bestätigt Stiftungsratspräsident Werner M. Schumacher. Insofern könne man die SKB 1809 durchaus als «eiserne Reserve der GGG» bezeichnen.

Aus dem Stadtbild kaum wegzudenken sind auch die verschiedenen Stiftungen der Roche-Erben, angefangen bei der Paul Sacher Stiftung über die Emanuel Hoffmann-Stiftung und die Laurenz-Stiftung bis hin zum Nachwuchs-Campus Basel zur Förderung der Jungtalente des FCB. Getreu dem Vorbild von Maja Hoffmann-Stehlin, der späteren Maja Sacher (1896–1989) hat sich vor allem deren Enkelin Maja Oeri der Förderung der schönen Künste verschrieben.

Das Wirken der Roche-Erben

Neben dem Schaulager vor den Toren der Stadt verdankt Basel der kunstsinnigen Mäzenin unter anderem das frühere Nationalbankgebäude am St. Alban-Graben, welches Maja Oeri 2001 dem Basler Kunstmuseum geschenkt hat. Mit einer Zuwendung in Höhe von 50 Millionen Franken aus ihrem Privatvermögen will die Grossspenderin jetzt auch dessen geplanten Erweiterungsbau ermöglichen.

Majas jüngere Schwester Beatrice Oeri kümmert sich derweil um die Basler Musikszene, den sozialen Wohnungsbau und die Medienvielfalt (Seite 11). Was die Entwicklung auf dem städtischen Immobilienmarkt betrifft, so ist die von Beatrice Oeri 1996 errichtete Stiftung Habitat in den letzten Jahren zu einem nicht mehr zu vernachlässigenden Faktor geworden.

Laut Geschäftsbericht setzt sich Habitat für eine «wohnliche Stadt mit bezahlbaren Mieten» ein, wobei in erster Linie Familien, Alleinerziehende, Senioren und «Mieter mit speziellen Bedürfnissen» wie beispielsweise Musiker in den Genuss von «attraktivem und günstigem Wohnraum» gelangen sollen. 30 Mehrfamilienhäuser mit über 200 subventionierten Wohnungen befinden sich derzeit im Besitz der Stiftung und von deren Tochtergesellschaft Roleba Immobilien AG. Mit der Aktienmühle im Klybeckquartier und einem 22 000 Quad-ratmeter umfassenden Grundstück auf der Erlenmatt verfügt Habitat zudem über grosse Entwicklungs­areale, die sie in ihrem Sinn bebauen will.

«Wir reden gern über Projekte, veröffentlichen aber keine Zahlen», sagt Stiftungsrat und Geschäftsführer Klaus Hubmann. Nur so viel lässt er sich entlocken: «Logisch ist genügend Stiftungskapital vorhanden, sonst könnten wir dies alles nicht machen.»

Wenn immer es um Zahlen, Geld oder Vermögen geht, geben sich die meisten Fördereinrichtungen zugeknöpft. Dies, obschon die bewährte Basler Devise «Me git, aber me reedet nit driber» in Fachkreisen auf Widerspruch stösst. «Mit zunehmender Übernahme von Verantwortung können sich die Stiftungen nicht länger hinter dem liberalen Stiftungsrecht und der daraus resultierenden Unabhängigkeit verstecken», heisst es in einem von der ­Standesorganisation SwissFoundations 2006 herausgegebenen Beitrag unter dem Titel «Gemeinnützige Stiftungen in der Schweiz». Und weiter: «Durch Transparenz und Offenheit soll die Glaubwürdigkeit des Stiftungswesens gestärkt werden.»

Verlässliche Zahlen sind Mangelware

Gleichwohl sind verlässliche Zahlen über den Schweizer Stiftungssektor bis dato Mangelware geblieben. So fahndet man auch im Register der Stiftungsaufsicht Basel-Stadt vergeblich nach statistischen Angaben, die es erlauben würden, die zahlreichen Stiftungen anhand ihrer Kapitalkraft oder ihrer Ausschüttungsquote zu vergleichen.

Beruhigend zu wissen, dass es ohnehin müssig ist, vom Vermögen einer Stiftung auf den Förderansatz oder die Höhe ihrer Ausschüttungen schliessen zu wollen. Zu gross sind die Unterschiede, als dass sich die Branche über einen Kamm scheren liesse. Zählt man in Basel alle gemeinnützigen Stiftungen zusammen, kommt man auf ein Gesamtvermögen von 14,7 Milliarden Franken.

Vier Fünftel davon entfallen jedoch auf Trägerschafts-Stiftungen wie Mu­seen, Spitäler und Betreuungseinrichtungen. Typischerweise ist das Kapital solcher Einrichtungen eng an den Stiftungszweck gebunden und somit nicht frei verfügbar. Beispiele dafür sind etwa das Merian-Iselin-Spital oder die Adullam-Stiftung. In beiden Fällen stellen die selbst genutzten Betriebsimmobilien die mit Abstand gewichtigsten Aktiven in der Stiftungsbilanz dar.

In die gleiche Kategorie fällt auch die Fondation Beyeler, deren Stiftungsvermögen sich aus einer Bildersammlung von Weltruf und dem Museumsbau von Renzo Piano in Riehen zusammensetzt. Allein die von Ernst Beyeler (1921–2010) zusammengetragenen Spitzenwerke der Klassischen Moderne sind dem Vernehmen nach für zwei Milliarden Franken versichert, womit auch die Frage, welches in Basel wohl die «reichste» Stiftung sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit beantwortet werden kann.

«Arme» Förderstiftungen

Reine Förderstiftungen, die von ihrem Vermögen leben und den Ertragsüberschuss für ihre Projekte einsetzen, sind dagegen vergleichsweise «arm». Im Kanton Basel-Stadt summiert sich ihr Stiftungskapital gerade einmal auf 2,8 Milliarden Franken. Unter der Annahme, dass es den Verantwortlichen gelingt, einen Vermögensertrag zwischen drei und vier Prozent zu erwirtschaften, dürfte den Basler Förderstiftungen im engeren Sinn (ohne Trägerschafts-Stiftungen) mithin pro Jahr ein Betrag in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken zur Verfügung stehen.

Auf den ersten Blick erscheint diese Summe durchaus beachtlich. Setzt man sie zu den Ausgaben der öffentlichen Hand ins Verhältnis, wird dieser Eindruck jedoch relativiert. «Die Bedeutung des Stiftungswesens wird tendenziell überschätzt», glaubt Uni-Professor Georg von Schnurbein. Vielleicht, sagt er, überschätzten sich die Stiftungen auch selbst hinsichtlich dessen, was sie effektiv leisten können. Jedenfalls seien Stiftungen nicht der «Heilsbringer», den manche offenbar in ihnen sähen.

«Die drei Millionen Franken, die wir jährlich für Kultur ausgeben, sind im Vergleich zum staatlichen Kulturbudget ‹Peanuts›», sagt Beat von Wartburg von der CMS. Für den «Stoffwechsel der Stadt» sei solches «Nadelstichgeld» aber unverzichtbar, sagt von Wartburg, der nebst seiner Tätigkeit als Kulturchef der CMS auch Präsident von SwissFoundations ist. «Wenn es all die mäzenatischen Aktivitäten nicht gäbe, wäre Basel weniger als eine ‹second city›.»

Stiftungswesen als Wirtschaftsfaktor

Beispiel Zoologischer Garten, der seit Generationen zu den zuverlässigsten Besuchermagneten am Rheinknie gehört. 1,7 Millionen Tierfreunde machen dem Zolli Jahr für Jahr ihre Aufwartung. Doch die Eintrittspreise und Abonnements decken nur rund ein Drittel des jährlichen Betriebsaufwands ab, wohlgemerkt ohne Investitionen. «Zur Schliessung dieser Lücke und um seinen Auftrag an die Allgemeinheit ausführen zu können, ist der Zolli auf die zahlreichen gros­sen und kleinen Zuwendungen angewiesen», heisst es im Geschäftsbericht 2010.

Die Namensliste der privaten Spender, darunter ein gutes Dutzend Basler Stiftungen, erstreckt sich denn auch über drei ganze Seiten. Nicht weniger als 27 Millionen Franken machte die vermögliche Basler Gesellschaft in nur einem Jahr für ihren Zolli locker. Als besonders generös erwies sich dabei die Eckenstein-Geigy-Stiftung: Mit einem «Zustupf» in der Höhe von 24 Millionen Franken ermöglicht der Architekt, Hotelbesitzer, Financier, Filmproduzent und Stifter Matthias Eckenstein dem Basler Zoo die Errichtung einer neuen, grosszügig konzipierten Aus­senanlage für Gomas Nachkommen.

Von Iselin bis Merian und von Hoffmann-Oeri bis Eckenstein: «Wenn jemand Geld spenden will, hat er in Basel viele Vorbilder», sagt Hans Furer, Präsident des Vereins Stiftungsstadt Basel. «Viele Basler sind sich gar nicht bewusst, was sie haben, dabei ist das Stiftungswesen ein Wirtschaftsfaktor.» Wortreich rühmt er die guten Rahmenbedingungen auf dem Stiftungsplatz Basel, vor allem die hier versammelte Erfahrung und hohe Fachkompetenz: «Die Stiftungsaufsicht in Basel-Stadt arbeitet sehr professionell. Auch die Steuerverwaltung zeigt gros­ses Verständnis für Stiftungsgründer. Diese fühlen sich hier wohl.»

Mässiger Steuerabzug

Der Entschluss vieler Basler, mäzenatisch tätig zu werden, hänge nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren ab, ist Furer überzeugt. Einen nur schwer zu ignorierenden Beleg für diese These sieht er darin, dass Baselland über ein deutlich liberaleres Stiftungsrecht verfügt. Im Gegensatz zu Basel-Stadt, wo der maximal zulässige Abzug 10 Prozent der steuerbaren Einkünfte beträgt, sind auf der anderen Seite der Birs Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen steuerlich unbeschränkt abzugs­fähig.

«Der steuerliche Aspekt ist mit Sicherheit nicht ausschlaggebend, sonst würden viele Basler Stiftungen in den Nachbarkanton transferiert», sagt Furer. Auf die Frage, was potenzielle Stifter antreibt, hat auch er keine abschliessende Antwort parat: «Es bleibt ein Rest Unerklärbarkeit», muss selbst der Präsident des Vereins Stiftungsstadt Basel zugeben.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.02.12

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