Von der Krämergasse zur urbanen Shoppingmeile

Beschaulich ist er ja, der Basler Spalenberg mit seinen historischen Altbau-Boutiquen. Doch hinter den Schaufenstern geben sich Ladenbetreiber die Klinke in die Hand: Der Wechsel zur jungen, urbanen Shoppingmeile ist in vollem Gang.

(Bild: Nils Fisch)

Beschaulich ist er ja, der Basler Spalenberg mit seinen historischen Altbau-Boutiquen. Doch hinter den Schaufenstern geben sich Ladenbetreiber die Klinke in die Hand: Der Wechsel zur jungen, urbanen Shoppingmeile ist in vollem Gang.

Die kleine Einkaufsmeile am Spalenberg ist eine Perle der Basler Innenstadt. Vor knapp drei Jahren vom Kanton aufwendig saniert, bietet die Strasse mit ihren abzweigenden Gassen ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und schlendernde Passanten.

Die jahrhundertealten Gebäude sind eine stimmige Kulisse für die kleinen Boutiquen abseits der grossen, internationalen Ketten an der Freien Strasse. Der Spalenberg hat immer noch den Ruf einer Krämergasse, wo traditionsreiche Geschäfte ihre Produkte zu stolzen Preisen feilbieten.

Doch die Traditionsecke verändert sich – und das nicht nur wegen der neuen Optik auf der Strasse. Das bringt Opfer mit sich: Alteingesessene Geschäfte ziehen nicht genügend Kundschaft an oder schliessen mangels eines Nachfolgers ihre Pforten.

Bedenken wegen zu hoher Mieten

Zum Beispiel das Geschäft «Musica Classica» von Erich Wyss. Der bald 70-Jährige betreibt seinen CD-Handel mit sorgfältig sortierter klassischer Musik hauptsächlich als Hobby, wie er sagt, und das seit 35 Jahren. Ans Aufhören denkt er aber nicht: «Ich mache weiter, solange ich noch Stammkundschaft habe», sagt Wyss. 



Das Musikgeschäft von Erich Wyss ist eine Herzenssache: Der bald 70-jährige betreibt den Laden seit vielen Jahren.

Das Musikgeschäft von Erich Wyss ist eine Herzenssache: Der bald 70-jährige betreibt den Laden seit vielen Jahren. (Bild: Nils Fisch)

Als langjähriger Mieter und enger Freund des Eigentümers profitiere er von einem günstigen Mietzins. Wyss betrachtet den Wandel kritisch: Er sagt, dass die Durchmischung der Geschäfte am Spalenberg zunehmend verloren gehe. Und befürchtet, dass bald nur noch grosse Ketten sich die steigenden Mieten werden leisten können. Womit der einzigartige Charakter der Strasse langsam verschwinde. Doch nicht nur der alteingesessene Erich Wyss stellt den Wandel fest.

Die Baslerinnen und Basler sind keine grossen Geldausgeber

Gerade bei der Kundschaft stösst dieser Wandel oft auf Skepsis. Eine Verkäuferin, die lieber anonym bleiben möchte, ist nicht gut auf das Thema zu sprechen: «Von Basel als Kunststadt würde man mehr Offenheit erwarten. Doch vielen scheint es an Spontanität zu mangeln. Die Schwellenangst, ein Geschäft zu betreten, ist gross. Die Passanten sind aus meiner Sicht eher konservativ und älter.»

Doch der Spalenberg hat auch Potenzial: Das beweisen einige frisch zugezogene Jungunternehmer. Denn historische Ecken mit unabhängigen Boutiquen sind ein touristischer Standortfaktor. Und die Kunden – längst nicht nur Touristen – scheinen die historischen Basler Lokalitäten für bestimmte Produkte tatsächlich gern zu besuchen. Nicht nur das: sie sind auch willig, dort einzukaufen.

Junge, urbane Mode zieht

So beim Modehandel «Tarzan», der 2011 seinen Flagship-Store im Herzen des Spalenbergs eröffnete und für diejenigen Läden steht, die moderne Modeströme abbilden. Die junge Filialleiterin Patrizia Reichenstein ist seit zwei Monaten im Einsatz und kann nicht klagen.

Das Geschäft laufe gut, sagt sie und liefert auch gleich eine Erklärung: «Die riesige Auswahl der grossen Ketten überfordert die Kunden. Die kleinen Geschäfte hingegen können ein einzigartiges Sortiment anbieten.» Mit einer Prise Selbstironie fügt sie hinzu: «Manche Leute kommen vielleicht auch aus Sympathie für die Verkäuferin.»



Dieses Geschäft empfiehlt auch die «New York Times» in ihrer gedruckten Reisetipp-Sammlung «36 Hours in Europe»: Die Boutique «Seven Sisters» an der Ecke zum Nadelberg.

Dieses Geschäft empfiehlt auch die «New York Times» in ihrer gedruckten Reisetipp-Sammlung «36 Hours in Europe»: Die Boutique «Seven Sisters» an der Ecke zum Nadelberg. (Bild: Nils Fisch)

Und auch junge Familien sind gute Kunden

Neben dem jungen Kleiderhandel – den zum Beispiel auch die Boutiquen von «Erfolg» und «Seven Sisters» betreiben – floriert noch ein ganz anderes Marktsegment. Vor wenigen Jahren haben die jungen Basler Unternehmer David und Anna Nippel gleich zwei Geschäfte namens «Drei-Käse-Hoch» eröffnet.

Das Angebot der beiden Läden umfasst Kinderwagen, Babykleidung und anderen Bedarf für frischgebackene Eltern. Mit dem «Spielbrett», der «Spielkiste» und dem «Spielegge» lassen sich immerhin fünf Geschäfte in der nahen Umgebung zählen, die ihre Produktpalette auf Familien ausgerichtet haben.

Dass die Welt der Boutiquen keine einfache ist, weiss auch David Nippel. «Die Gegend ist extremen Fluktuationen unterworfen», sagt er. «Allein am Spalenberg und in den angrenzenden Gassen habe ich in den letzten vier Jahren 27 Läden gezählt, die geschlossen haben.»

Altehrwürdiger Spalenberg ist eine Chance für risikofreudige Jungunternehmer

Der Vorteil: Die Fluktuation zieht risikofreudige Jungunternehmer an, die sich am spezialisierten Detailhandel versuchen wollen. Nippel rechnet deshalb damit, dass es auch in Zukunft lebhaft bleiben wird und viele Geschäfte schliessen müssen. «Die Spalenberg-Boutiquen haben in Basel leider immer noch das Image von teuren Lädeli», sagt Nippel. Was eben auch zur Hemmschwelle beiträgt, die auch in anderen Geschäften ein Problem ist.

Musikverkäufer Erich Wyss jedenfalls erinnert sich: «Noch vor zehn oder zwanzig Jahren kam es einem Lottogewinn gleich, wenn man hier am Spalenberg einen Laden übernehmen konnte. Das ist heute anders.» Den Standort an der sich wandelnden Meile will er aber auf keinen Fall missen, macht Wyss deutlich: «Wenn ich wieder einen Laden haben wollte, dann sicher wieder am Spalenberg.» 

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