Von Griechenland nach Österreich: Auf der Route der Flüchtlinge

Tausende Flüchtlinge suchen Schutz in Europa. Unser Korrespondent begleitet sie auf ihrer Route von Griechenland nach Österreich. Teil 1.

Refugees at the Greek / FYR of Macedonia border on August 31. 2015. On a daily basis thousands of refugees pass the border to get a train, bus or taxi to Serbia

(Bild: Wassilis Aswestopoulos / n-ost)

Tausende Flüchtlinge suchen Schutz in Europa. Unser Korrespondent begleitet sie auf ihrer Route von Griechenland nach Österreich. Teil 1.

Athen, Montag, 31. August 2015, 8 Uhr: Meine Reise entlang der neuen Völkerwanderung beginnt. Auf der Insel Lesbos sind allein am Samstag mehr als 4000 Flüchtlinge gelandet, ein Zehntel derer, die in Griechenland im gesamten Jahr 2014 registriert wurden.

Ich fahre die halbe Stunde nach Piräus, wo um 9 Uhr die «Eleftherios Venizelos» einläuft. Das riesige Fährschiff bringt täglich knapp 2500 der Bootsflüchtlinge von den Inseln aufs Festland. Die Ankömmlinge freuen sich. «Griechenland ist gut!» rufen sie mir zu.

Ich fahre mit meinem alten Opel gen Norden. Die Flüchtlinge zwängen sich in dreissig Jahre alte Eisenbahnwaggons oder einen der etwas moderneren Überlandbusse. Ich treffe sie Stunden später am Grenzübergang zu Mazedonien in Eidomeni wieder.

Für Journalisten führt der Weg auf die mazedonische Seite über den Grenzübergang vom benachbarten Evzoni in die Stadt Gevgelija. Um das eigens für die Flüchtlinge errichtete Camp und den provisorischen Bahnhof anzusehen, muss man beim mazedonischen Presseministerium in Skopje eine Genehmigung beantragen.

Mein Ärger über die Bürokratie ist nichts gegen das Leiden der Flüchtlinge. Sie müssen in brütender Hitze ausharren, bis die Mazedonier sie grüppchenweise ins Land lassen. Hin und wieder kommt es dabei zum Aufruhr, und die Polizeikräfte beider Nachbarstaaten setzen Tränengas ein.



Refugees at the Greek / FYR of Macedonia border on August 31. 2015. On a daily basis thousands of refugees pass the border to get a train, bus or taxi to Serbia

Ausharren, bis es weitergeht: Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze. (Bild: Wassilis Aswestopoulos / n-ost)


Gevgelija, 17 Uhr: Zum provisorischen Camp bei Gevgelija führt eine Schotterpiste. Sie ist frisch angelegt und startet am Ortsrand, dort, wo heruntergekommene Mietskasernen aus der Zeit des Sozialismus stehen. Pulks von Flüchtlingen wandern hier durch. Sie freuen sich. «Mazedonien ist gut», rufen sie mir zu.

Eine Mazedonierin am Strassenrand schimpft, sie wirkt verzweifelt. Sie sammelt weggeworfene leere Plastikflaschen, Schuhe, Papier und Tüten ein. Ihre Traubenreben wurden geplündert.

Die Menschen von Gevgelija wirken arm, sie sitzen auf der Strasse und an ihren Fenstern und beobachten das Geschehen wie ein Schauspiel.

Hunderte Flüchtlinge kommen über die Brücke über einen ausgetrockneten Bach in die Stadt. Direkt vor dem Bahnhof warten unzählige betagte Taxis und gut ein Dutzend Überlandbusse. Wer genügend Geld hat, kann mit ihnen die knapp 175 Kilometer nach Serbien zurücklegen.

Die übrigen Flüchtlinge warten im Camp. Stunde um Stunde vergeht. «Ihr fotografiert nur, wir sind müde, macht doch was», klagt einer. Dutzende freiwilliger Helfer vom Roten Kreuz, Unicef und den Vereinten Nationen versuchen zu helfen, zu trösten und vor allem zu beruhigen. Der Zug, auf den alle warten, muss noch repariert werden.

Gegen 21 Uhr ist es endlich so weit. Die überarbeiteten Polizisten lassen die Flüchtlinge gruppenweise einsteigen. Wer dabei nicht so spurt, wie der Polizist es will, hört ein «Haide», und ein Schlagstock wird geschwungen. «Bist du glücklich, dass du jetzt nach Serbien kommst?», fragt eine UN-Helferin einen müden Flüchtling. Seine Kraft reich nur noch für ein Nicken.



Refugees at the Greek / FYR of Macedonia border on August 31. 2015. On a daily basis thousands of refugees pass the border to get a train, bus or taxi to Serbia

(Bild: Wassilis Aswestopoulos / n-ost)

Ein Mann winkt mir aus dem Zugfenster zu, «Kos» ruft er. Er ist binnen einer Woche von der Insel Kos hierhergekommen. Hat er mich von meiner Reportage dort oder von seiner Ankunft in Piräus erkannt?

Wir hoffen auf ein Wiedersehen an einer der nächsten Stationen.



Refugees at the Greek / FYR of Macedonia border on August 31. 2015. On a daily basis thousands of refugees pass the border to get a train, bus or taxi to Serbia

Die Reise dieses Mannes von Kos nach Gevgelija dauerte fast eine Woche. Drei Tage wartete er alleine auf einen Platz im Zug nach Serbien. Wer weiss, vielleicht sehen wir uns auf der Reise wieder. (Bild: Wassilis Aswestopoulos / n-ost)

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Teil 2 folgt am Mittwoch.

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