Das UNO-Klimaabkommen tritt in Kraft. Trotzdem bleibt der Kampf gegen die Erderwärmung ein zäher. Warum? Es könnte schon alleine am Begriff liegen: «Klimaerwärmung» verharmlose das Problem, schreibt eine deutsche Sprachforscherin.
Manchmal ist auch die Klimapolitik für eine Überraschung gut. Am Freitag, 4. November, tritt das vor einem Jahr an der UNO-Konferenz in Paris beschlossene Abkommen in Kraft, das die Erderwärmung auf unter zwei Grad begrenzen soll. Dies ist früher als erwartet. Nach China und den USA hat auch die EU den Vertrag ratifiziert und damit den Weg frei gemacht.
An der UNO-Klimakonferenz vom 7. bis 18. November in Marrakesch geht es darum, wie das Abkommen umgesetzt wird und ob es allenfalls bereits vor 2020 wirksam werden kann.
Alles paletti also mit dem Klima – können wir in der Schweiz im Winter bald wieder mit mehr Schnee in den Bergen rechnen? Nein, leider nicht.
Erstens ist Klima eine Maschine, die nur mit riesiger Zeitverzögerung reagiert. Die globalen Temperaturen werden also weiter steigen. Zweitens ist das in Paris beschlossene Abkommen rechtlich nur zum Teil verbindlich. Die 195 Vertragsstaaten legen ihre Beiträge zum Klimaschutz selber fest, und es gibt keine Bussen, wenn sie ihre Ziele verfehlen. Zudem brauchen Massnahmen für den Klimaschutz die Akzeptanz der Bevölkerung, gerade in der Schweiz mit der direkten Demokratie.
Schweizerinnen und Schweizer sorgen sich kaum um den «Klimawandel».
Herr und Frau Schweizer raubt der Klimawandel aber bisher kaum den Schlaf. Obschon er auch die Schweiz mit Wucht treffen wird: längere Hitzeperioden, abgeschmolzene Gletscher und im globalen Rahmen betrachtet viel mehr Flüchtlinge. Im Sorgenbarometer 2015 der Credit Suisse taucht Klimawandel zurzeit nicht auf, am meisten sorgt sich die Bevölkerung um Arbeitslosigkeit, Ausländer und die Zukunft der AHV. «Umweltschutz», unter dem man den weltweiten Temperaturanstieg einreihen kann, rangiert am Ende der Skala.
Woran liegt das?
Vielleicht sollten die Klimaforscher, die sich meist kompliziert und schwer verständlich ausdrücken, das Buch «Politisches Framing» der deutschen Sprachforscherin Elisabeth Wehling lesen, die an der Uni Berkeley lehrt. Darin erklärt sie, wie die Wahl von Worten unser Denken fundamental beeinflusst. In der Kommunikationsforschung redet man von Framing, von Einrahmungen, die einem Wort erst Sinn geben.
Begriffe wie «Klimawandel» und «Klimaerwärmung», die das Problem benennen, sind ungeschickt gewählt, ja sie verharmlosen es sogar. Dies ist Wehlings vernichtendes Fazit. So sei der Begriff «Wandel» neutral, die Dinge könnten sich zum Guten oder zum Schlechten verändern. Auch hat der Wandel nach gängigem Manager-Latein ja immer auch seine positiven Seiten, wie man anfügen könnte.
Nicht Fakten entscheiden über Entscheide, sondern Einbettungen. Begriffe sind dabei zentral.
Noch schlimmer sei der Ausdruck «Klimaerwärmung» oder «Erderwärmung». Wärme sei ein durchgehend positiv besetztes Konzept, schreibt Wehling. Wenn uns warm sei, dann gehe es uns gut. Hitze und Kälte dagegen seien unangenehm. Zudem schwingt die emotionale Erwärmung mit, die Zuneigung. Sie bezeichnet den Begriff, der analog im Englischen als «Global Warming» verwendet wird, als «Glückspille» für alle, welche die Gefahren des Klimawandels verharmlosen. Sie schlägt vor, stattdessen von «Klimaerhitzung» oder «Erderhitzung» zu reden.
Solche Überlegungen dürfen wir nicht einfach als Wortklaubereien abtun. Wehling stützt sich bei ihren Überlegungen auf neue Erkenntnisse der Erforschung menschlichen Denkens und Entscheidens – die Kognitionsforschung. Diese nahm ihren Anfang in Kalifornien, Wehling ist selbst in diesem Bereich tätig.
Demnach werden politische Entscheidungen nicht rational aufgrund von Fakten gefällt, wie man lange dachte. Sondern durch Einrahmungen (Frames), die wir den Fakten verleihen. Wir ordnen Informationen im Verhältnis zu unseren körperlichen Erfahrungen und unserem Wissen über die Welt ein. Dabei seien solche Deutungsrahmen immer selektiv, so Wehling: «Sie heben bestimmte Fakten und Realitäten hervor und lassen andere unter den Tisch fallen.»
Mit anderen Worten: Sprache ist hochpolitisch. Wehling knüpft damit an das an, was der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf schon 1973 als das «Besetzen von Begriffen» bezeichnete und was seitdem zum Einmaleins von Politik-Strategen gehört, wie der Medienwissenschafter Stephan Russ-Mohl kürzlich im «Schweizer Journalist» schrieb.
Kern-Energie wie kern-gesund.
Die Forscherin untersucht in ihrem schmalen Buch solche sprachlichen Einrahmungen in der politischen Debatte zu Steuern, Arbeit bis zu Flüchtlingen. Sie kritisiert zum Beispiel, dass in Begriffen wie «Flüchtlingswelle» und «Flüchtlingsflut» Geflohene oft mit Wassermassen in Verbindung gebracht werden. Dabei würden sie metaphorisch als Naturgewalt dargestellt, die Bedrohung und Not der Betroffenen dagegen ausgeblendet. Auch wenn Wehling in vielen Fällen keine geeigneteren Begriffe vorschlägt, macht sie klar, dass neue Ansätze in der Politik auch einer neuen Sprache bedürfen.
Die AKW-Gegner haben dies schon lange erkannt, wie man in der Schweiz vor der Volksabstimmung Ende November sehen kann: Die Befürworter des Ausstiegs sprechen konsequent von Atomenergie, die Gegner von Kernenergie – was viel positiver klingt, weil auch kerngesund mitschwingt. Wer die Folgen der gesteigerten Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre ernst nimmt, kann davon lernen. Er sollte künftig von Klimaerhitzung reden.
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Elisabeth Wehling: «Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht». Herbert von Halem Verlag, Köln 2016.