Warum ein angesehener Basler zwei Tode sterben musste

Als sich ein Holländer im 16. Jahrhundert in Basel niederliess, eilte ihm für einmal sein Ruf nicht voraus, sondern hinterher. Die Folgen davon dürften ihm egal gewesen sein.

Als Ketzer erst im Grabe erkannt: Der Basler Bürger Johann von Brügge landete posthum als holländischer Ketzer David Joris auf dem Scheiterhaufen. (Bild: Kunstmuseum Basel)

Als sich ein Holländer im 16. Jahrhundert in Basel niederliess, eilte ihm für einmal sein Ruf nicht voraus, sondern hinterher. Die Folgen davon dürften ihm egal gewesen sein.

Im April 1544 ersuchte Johann von Brügge, ein evangelischer Emigrant aus den Niederlanden, um Aufnahme ins Basler Bürgerrecht. Diese wurde ihm am 25. August desselben Jahres gewährt. Johann von Brügge war wohlhabend und freigebig, und seine Familie integrierte sich gut in Basel. Sein Ansehen wuchs noch mehr, als er das Weiherschloss Binningen vor der Stadt erwarb.Nach seinem Tod – er starb am 25. oder 26. August 1556, nur zwei, drei Tage nach seiner Gattin – wurde er in der Leonhardskirche begraben.

Allzu lange sollte er dort nicht in Frieden ruhen. Denn allmählich sickerte durch, dass Johann von Brügge kein anderer als der holländische «Erzketzer» David Joris gewesen war, der eine Täufergemeinde gegründet und geleitet hatte.

Todesurteil nach dem Tod

Zunächst schien es so, dass die Pfarrherren der Basler Staatskirche, die für Ketzer-Angelegenheiten zuständig waren, die Sache auf sich beruhen lassen wollten. Da setzte sich der ergraute Humanist und Rechtsgelehrte Bonifacius Amerbach (1495–1562) mit Erfolg dafür ein, dass Joris posthum der Prozess gemacht wurde. Dabei ging es nach Amerbachs Ansicht um nichts Geringeres, als die Ehre Gottes, die Wohlfahrt und den guten Namen der Vaterstadt zu retten, wie einem Aufsatz des Historikers Paul Burckhardt zu entnehmen ist.

Um Klarheit über das weitere Vorgehen zu erhalten, setzte die Regierung eine Kommission aus vier Juristen und zwei Theologen ein. Diese legte am 19. Februar 1559 ein entsprechendes Gutachten vor. Darin kam sie zum Schluss, dass Menschen, die vom wahren christlichen Glauben abgefallen waren, noch innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Tod abgeurteilt werden können. Die öffentliche Verbrennung der Körper von Ketzern diene zur Heiligung des Namens Gottes und zum warnenden Exempel, aber auch zur Abwehr böser Nachrede.

In einem zweiten Gutachten wurde das weitere Vorgehen präzisiert. So riet man etwa davon ab, auch die Leichen von Joris Ehefrau, seines Sohnes Samson und seines Schwiegersohns Gabriel auszugraben und zu verbrennen, da nicht zweifelsfrei erwiesen war, ob sie ebenfalls Ketzer waren.

Mit Haut und Haaren verbrannt

Im abschliessenden Urteil hiess es, Joris sei es nicht wert, zusammen mit Rechtgläubigen zu liegen. Sein Leichnam solle zusammen mit seinen Büchern und seinem Bild verbrannt werden, wie es ihm selbst ergangen wäre, wenn er noch am Leben wäre. Seine Güter wurden der Stadt zugesprochen und sollten eingezogen werden.

Das Urteil wurde am 13. Mai 1559 vollzogen. Als der Scharfrichter den Sarg öffnete, sah man Joris mit seinem roten Bart. Auf seinem Haupt war ein rotverziertes samtenes Barett und eine Krone aus Rosmarin, eine lange Toga bedeckte den Körper. Die Flammen verbrannten alles zu Asche.

Die Anhängerinnen und Anhänger von Joris, etwa 30 an der Zahl, schworen am 8. Juni im Münster den Lehren des Meisters ab. Nach Absingen des apostolischen Glaubensbekenntnisses wurde die Versammlung in Frieden entlassen.

Quellen

– Roland H. Bainton: David Joris. Wiedertäufer und Kämpfer für Toleranz im 16. Jahrhundert. Ergänzungsband VI, Archiv für Reformationsgeschichte, Leipzig 1937

– Paul Burckhardt: David Joris und seine Gemeinde in Basel. In:Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 1949, S. 5–106

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