Basler und Baselbieter Eltern schicken ihre Kinder gerne auf Privatschulen. Sagt zumindest die Statistik zum Schulbesuch der Volksschulen. Wir haben Vertreter der beiden Basel sowie Mütter schulpflichtiger Kinder gefragt, warum das so ist.
Jedes achte Kind der obligatorischen Schulstufe in Basel-Stadt besucht eine Privatschule, in Baselland sind es nur etwa halb so viele Kinder. Klar, die Expats, denkt man. Oder man mutmasst, dass die internationalen Schulen verantwortlich dafür sind, weil sie mehrsprachig sind und internationale Abschlüsse anbieten.
Der Anteil von Expats habe «durchaus einen Einfluss auf die Basler Privatschulquote», sagt Dieter Baur, Leiter Volksschulen Basel-Stadt, doch dies allein sei nicht ausschlaggebend. Zum Vergleich zieht er die Kantone Genf (16,3% Privatschüler 2013/2014) und Zug (10,2%) heran.
Wir haben den Ausländeranteil sowie die Privatschulquote für beide Kantone hier einander gegenübergestellt. (Für den Wechsel zum jeweils anderen Kanton den grauen Button ganz oben anklicken.)
Alleine an den Expats liegt es also nicht. Die Gründe für den Privatschulbesuch sind vielfältiger. Gestiegen ist in den letzten Jahren zum Beispiel auch die grenzüberschreitende Mobilität – auch von Schweizer Familien. «Schweizerinnen und Schweizer gehen ins Ausland oder wollen sich oder ihren Kindern durch die Wahl der Schule diese Möglichkeit offenhalten», sagt Dieter Baur. Zu den Ansprüchen der Expats, deren Kinder vielleicht nur ein paar Jahre in Basler Schulen verbringen, kommen laut Baur die Ambitionen der Schweizer, die international mobil sind.
Der offene Weg ins Ausland
Wer in Basel-Stadt die obligatorische Schulzeit beendet, hat keinen international anerkannten Status. Beim Umzug in ein anderes Land müssen unter Umständen Schuljahre und Lehrpläne im Einzelnen verglichen werden. Wer sich oder seinen Kindern den Weg ins Ausland offenhalten möchte, wählt deshalb öfter eine Privatschule.
Für den Kanton Basel-Stadt «nicht ganz unterschreiben» würde Baur die Aussage eines stetigen Anstiegs der Privatschulquote. Diese sei in den vergangenen zwölf Jahren zwar angestiegen, in den letzten drei Jahren jedoch annähernd gleich geblieben (rund 13 Prozent). Baur bezieht sich auf Daten des Bundesamts für Statistik (bfs), die wir in einem anderen Artikel schon einmal visualisiert haben:
Sprachliche Vielfalt steht hoch im Kurs. Einen Anstieg von privaten Angeboten beobachtet Baur bei den bilingualen Angeboten, besonders in Kindergärten und auf Primarstufe. Diese seien sowohl für Schweizer Familien wie für Expats interessant.
Etwas bedeckter hält sich Rita Schaffer, pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin im Amt für Volksschulen Baselland. Die Privatschulquote ist dort nur halb so hoch. Ob das am geringeren Anteil an Expats im Landkanton liegt, kann sie nicht beantworten. «Wir erfassen nicht, welche Schülerinnen und Schüler Expats sind und welche nicht», gibt sie Auskunft.
Dasselbe gilt für Schüler aus anderen Kantonen. Nicht nur aus Basel-Stadt, sondern zum Beispiel auch aus dem Kanton Solothurn. Und auch umgekehrt. Welche Schüler aus dem Kanton Baselland in einem anderen Kanton eine Privatschule besuchen, weiss man beim Amt für Volkschulen nicht.
Eine Frage der Integration?
«Warum Eltern eine Privatschule wählen, ist jedoch eine spannende Frage», findet Schaffer. Leider habe man dazu nur wenige Daten. Zum Teil erklärt sich das aus den Datenschutzvorschriften des Kantons Baselland und der beteiligten Schulen.
In den letzten beiden Jahren sei nach ihrem Wissen aber die Privatschulquote durch Leistungsverträge ständig gesunken, sagt Schaffer: «Wir nehmen das Angebot privater Schulen in Anspruch, wenn Schüler speziell gefördert werden müssen.» Inzwischen gebe es vermehrt Integrationsanstrengungen der staatlichen Schulen, was zu einem Rückgang dieser Fälle geführt habe.
Bilinguale auf dem Vormarsch
Dieter Baur in Basel-Stadt beobachtet derweil einen Anstieg von privaten bilingualen Angeboten, besonders in Kindergärten und auf Primarstufe. Diese seien sowohl für Schweizer Familien wie auch für Expats interessant. Wobei zunehmend Schüler nach der Primar- oder Sekundarstufe von den privaten zu den öffentlichen Angeboten wechselten. Meist ist das unproblematisch – fast alle internationalen Angebote bieten auch eine Ausbildung nach schweizerischem Lehrplan an.
Einige Expats kämen auch aus Ländern, in denen die öffentlichen Schulen keinen guten Ruf geniessen, sagt Baur. Eltern melden ihre Kinder deshalb zunächst bei einer Privatschule an, auch wenn sie länger im Land bleiben wollen. Die Mobilität zwischen den Schultypen nimmt also zu.
Ansprüche an Bildung werden vielfältiger
Andere Gründe, eine Privatschule zu wählen, haben Eltern, die das aus ideologischen, religiösen oder erzieherischen Gründen tun. Da decken sich die Vorstellungen der Eltern wohl nicht immer mit jenen des Bildungsdepartements. «Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie eine optimale Bildung von Kindern und Jugendlichen aussehen soll», sagt Baur.
Diese kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt schlage sich in der Vielzahl der Schultypen nieder. Will heissen: Auf spezielle Bedürfnisse der Kinder oder auf bestimmte Vorstellungen der Eltern kann auf Privatschulen besser eingegangen werden. Basel-Stadt nimmt da genau wie der Landkanton die Angebote der Privaten wahr, wenn die Situation eines Schülers es erfordert.
Besser sei der Unterricht an Privatschulen aber nicht, sagt Dieter Baur. Die Qualität an den staatlichen Schulen sei aus Sicht des Erziehungsdepartements ebenso gut wie an den Privatschulen.
Als Konkurrenz für die öffentlichen Bildungsangebote sieht der Leiter Volksschulen die privaten Schulen nicht, dazu sei der Anteil der Schüler, die eine Privatschule besuchen, zu gering. Im Gegenteil: Was an staatlichen Schulen nicht angeboten werden kann oder darf, ist auf Privatschulen oft möglich. «Für die Bildungslandschaft des Kantons Basel-Stadt ist diese Vielfalt ein Gewinn», resümiert Baur. «Ihre Berechtigung ziehen die Privatschulen letztlich aus ihrer Andersartigkeit.»
Die letzte Rettung
Etwas anders formuliert das eine befragte Mutter. «Schweizer Eltern schicken ihre Kinder erst dann in eine Privatschule, wenn die staatliche Schule versagt hat», meint sie. Meist falle das aber erst auf, wenn die Kinder schon über zehn Jahre alt wären. Ihr eigenes Kind besucht derzeit einen privaten Kindergarten und wird danach in eine staatliche Schule wechseln.
Basel-städtischen Schulen mangle es oft an Durchmischung, findet sie. Der Anteil fremdsprachiger Ausländer sei in manchen Quartieren sehr hoch und die Betreuung ungenügend. «Wie soll ein Lehrer ohne Hilfe 24 Kinder, von denen 17 kein Deutsch können, erfolgreich unterrichten?», fragt sie. Mittlerweile würden auch Migranten ihre Kinder lieber in Schulen in «besser durchmischten» Quartieren schicken. Oder eben in eine Privatschule.
«Integration ist anstrengend»
Wie sich Schüler in eine Gesellschaft integrieren sollen, die um sie herum nicht stattfindet, ist da eine berechtigte Frage. «Integration ist anstrengend», sagt eine andere Befragte, «für beide Teile.» Sie lebt in einem Migrationsquartier und hat sich bewusst dafür entschieden, ihre Tochter in die staatliche Schule zu schicken. «Für Eltern bedeutet das ganz schön viel Arbeit und Auseinandersetzung», berichtet sie. Viele Eltern seien dafür einfach zu wenig offen, urteilt sie: «Die würden ihre Kinder wahrscheinlich am liebsten mit dem Privatlehrer daheim unterrichten.»