Warum Kitas in der Schweiz so viel teurer sind als im Rest der Welt

In kaum einem anderen westlichen Land bezahlt der Staat so wenig an die Kinderbetreuung wie in der Schweiz. Vor allem in der Deutschschweiz werden Eltern massiv zur Kasse gebeten.

Kinder muss man sich in der Schweiz leisten können: Der Staat taxiert die Betreuung in Kitas weitgehend als Privatangelegenheit.

(Bild: Eva Rust)

In kaum einem anderen westlichen Land bezahlt der Staat so wenig an die Kinderbetreuung wie in der Schweiz. Vor allem in der Deutschschweiz werden Eltern massiv zur Kasse gebeten.

Kinderbetreuung ist teuer, wahnsinnig teuer. Das weiss jede Familie, die sich durch den Basler Dschungel aus subventionierten, mitfinanzierten und nicht subventionierten Tagesheimen gekämpft hat. Jenseits von persönlichen Erfahrungen zeigen auch belastbare Daten, wie teuer die Kinderbetreuung in der Schweiz im internationalen Vergleich zu stehen kommt.

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat in einer Untersuchung festgestellt, dass die Kinderbetreuung nirgendwo teurer ist als in der Schweiz. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden dafür die Kosten für eine Vollzeitbetreuung zweier Kinder gemessen an einem landestypischen Durchschnittsgehalt angegeben. Fazit: In der Schweiz schlagen zwei Betreuungsplätze mit fast 70 Prozent eines Netto-Durchschnittslohnes von 56’000 Franken (Quelle: OECD) zu Buche. Das EU-Mittel liegt bei 27 Prozent, am anderen Ende der Skala befindet sich Österreich mit 5 Prozent.

Netto bezahlen Angelsachsen mehr

Netto, das heisst inklusive aller Abzüge, Steuergutschriften etc., fallen diese Kosten natürlich um einiges tiefer aus, doch auch hier liegt die Schweiz weit vorne. Eine Familie mit zwei Kindern, die zusammen das Eineinhalbfache eines Durchschnittsgehaltes verdient, muss dennoch fast ein Drittel ihres Einkommens für die Kinderbetreuung in einem Tagesheim oder einer ähnlichen Struktur aufwenden. Teurer ist es bloss in Kanada, den USA, Neuseeland, Irland und im Vereinigten Königreich.

Ein besseres Pflaster stellt die Schweiz für Alleinerziehende dar, die 14 Prozent ihres Einkommens für die Kinderbetreuung ausgeben müssen. Das entspricht genau dem OECD-Schnitt.

Interessant ist auch ein Vergleich zwischen den Schweizer Kantonen. Hierzu hat das Forschungsbüro Infras 2015 eine Untersuchung durchgeführt (siehe «Hintergrund zum Artikel», Link oben rechts). Die Studie unternimmt eine Analyse der Kinderbetreuungs-Vollkosten in vier Schweizer Gemeinden (Zürich, Fehraltorf ZH, Lausanne, Lutry VD) und vergleicht diese mit ausgewählten Städten in Deutschland, Österreich und Frankreich.

So zeigt der Blick in die Waadt, dass der Anteil, den die Haushalte an die Betreuung ihrer Kinder bezahlen müssen, auch in der Schweiz in einem international vergleichbaren Rahmen liegen kann. Im Kanton Waadt werden Familien nämlich per Gesetz von ihren Arbeitgebern unterstützt. Die Belastung für einen Einelternhaushalt – 100 Prozent erwerbstätig, Vollzeitbetreuung für zwei Kinder – ist damit in Lausanne noch halb so hoch wie in Zürich und ähnlich gross wie in Frankfurt oder Wien.

Aus Sicht der Familien sind die Verhältnisse in den Westschweizer Kantonen generell grosszügiger als in der Deutschschweiz, wie Nadine Hoch, Geschäftsführerin des Branchenverbandes Kibesuisse bestätigt: «Egal, ob Finanzierung oder Ausbildung – die Romandie ist der Deutschschweiz um Längen voraus.» Für Hoch ist das Problem vor allem ein politisches: «Es herrscht noch immer die Grundhaltung vor, dass die Betreuung von Kleinkindern Privatsache sei.» Dabei würden, so Hoch, zahlreiche Studien den Nutzen von Frühförderung bestätigen.

Kitas im Existenzkampf

Für Nadine Hoch ist das Betreuungssystem an einem kritischen Punkt angelangt: «Die Luft ist für viele Kitas dünn geworden. Wenn die Finanzierung durch die Wirtschaft oder den Staat nicht verbessert wird, steuern wir auf eine Krise zu.» Zumal die Forderung nach besserer und mehr Betreuung wieder laut wird. Für Hoch ist klar, dass nur staatliche Zuschüsse, kombiniert mit finanziellen Mitteln der Wirtschaft, die Lage in den Kitas verbessern können: «Die Eltern können wir nicht mehr belasten und die Betreiber können schon jetzt nur überleben, wenn sie maximal effizient arbeiten.»

Für Basel-Stadt bestehen leider keine vergleichbaren Berechnungen. Ein Blick in die Broschüre «Was kostet die Betreuung für mein Kind?» zeigt, dass bei einem Einelternhaushalt mit dem höchsten noch subventionsberechtigten Netto-Einkommen von 150’000 Franken die Vollzeitbetreuung eines Kindes aber ebenfalls mit deutlich über 17 Prozent des Einkommens zu Buche schlägt (Datei auf der Rückseite des Artikels).

Licht im Dschungel

Mit den zahlreichen unterschiedlichen Kategorien von Kitas verfügt Basel über eine besonders komplexe Betreuungslandschaft. Doch soll hier Abhilfe geschaffen werden. Derzeit befindet sich eine Gesetzesänderung in der Vernehmlassung, die diese Unterschiede einebnen soll. Künftig soll es nur noch zwei Kategorien geben, Kitas mit und Kitas ohne staatliche Betreuungsbeiträge. So wird das Dossier Kinderbetreuung für die Familien zwar nicht günstiger, dafür lichtet sich der Kategorien-Dschungel.

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