Werden die fünf Schweizer AKW stillgelegt, beginnt der lange und teure Rückbau. Wie viel kostet das, wie viel Müll muss entsorgt werden – und wer bezahlt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viel Müll fällt an?
Die Menge an Material, das rückgebaut, verwertet oder entsorgt werden muss, ist gewaltig. Wie der Rückbau abläuft, zeigt sich am Beispiel Mühleberg, wo bereits konkrete Pläne vorliegen. Alleine beim Berner AKW Mühleberg, das die Betreiber 2019 vom Netz nehmen wollen, fallen 200’000 Tonnen Material an. 16’000 Tonnen davon sind radioaktiv verstrahlt.
Das meiste verstrahlte Material lässt sich nach Angaben der Betreiber reinigen und als Baustoff recyclen. Dabei werden leicht kontaminierte Gegenstände gewaschen oder sandgestrahlt. Übrig bleiben 4000 Tonnen strahlende Abfälle, wobei nur ein Bruchteil davon, nämlich drei Prozent, die Brennstäbe betrifft. Der Rest sind Gebäudeteile, Leitungen, Arbeitskleider.
Wie lange dauert der Rückbau?
Bis dort, wo jetzt die Meiler stehen, wieder Wiesen blühen, dauert es 15 bis 20 Jahre, schätzt die Branchenorganisation Swiss Nuclear. Allerdings ist in der Schweiz auch eine zweite Methode zugelassen: der sogenannte «sichere Einschluss». Dabei wird nach der Stilllegung mit der Demontage 30 bis 60 Jahre zugewartet. So soll die Strahlenbelastung reduziert werden, bevor mit dem Rückbau begonnen wird. Welche Varianten die AKW-Betreiber wählen werden, ist – bis auf Mühleberg – unklar.
Der Blick nach Deutschland, wo sich mehrere AKW im Rückbau befinden, zeigt aber: Zu Überraschungen kann es jederzeit kommen. So stieg im AKW Stade während der Bauarbeiten plötzlich die Strahlenbelastung massiv an. Es wurde radioaktives Kondenswasser festgestellt, der Rückbau soll sich dadurch um drei Jahre verzögern.
Wohin kommt der Strahlenmüll?
Darauf gibt es noch keine definitive Antwort. Gesichert ist allein, dass sämtliche strahlenden Stoffe ins Zwischenlager nach Würenlingen kommen. Dort stehen Hallen für stark verstrahlte sowie für schwach- bis mittelstark kontaminierte Stoffe. Die Kapazität soll sowohl für die Brennstäbe wie auch den Schrott ausreichen, der beim Rückbau anfällt.
2033 beziehungsweise 2050 sollte ursprünglich der zumeist in Fässer eingelagerte Atommüll in sogenannte Endlager verfrachtet werden. Mittlerweile ist klar: Die Frist reicht nicht. Neuste Schätzungen des Bundes gehen davon aus, dass frühestens 2050 ein Endlager für schwach- bis mittelstark strahlendes und 2060 eines für stark strahlendes Material bereitstehen wird.
Unklar ist die Standortfrage: Geprüft werden derzeit drei mögliche Standorte im Bözberg, Zürcher Weinland und im Zürcher Unterland (nördlich Lägern). Kritiker vermuten eine Verschleppung des Prozesses, um den unangenehmen politischen Entscheid hinauszuschieben. Das münde in eine «ewige Zwischenlagerung».
Was wiederum gravierende Sicherheitsprobleme mit sich brächte: Halten die Fässer im Zwischenlager so lange dicht? In Deutschland gilt der Sicherheitsnachweis für 40 Jahre, in der Schweiz dagegen gibt es keine Befristung für die Zwischenlagerung. In Würenlingen kalkuliert man mit mindestens 100 Jahren Lebensdauer. Diese Annahme bezweifeln Experten aber stark.
Wie gelangt der Atomschrott ins Zwischenlager?
Per Lastwagen, jedenfalls im Fall des AKW Mühleberg. Bis 2020 soll täglich ein LKW mit strahlender Ladung nach Würenlingen ins Zwischenlager fahren. Bis 2024 sind es deren zwei und von da an bis 2030 sogar drei LKW täglich.
Wie viel kosten Stilllegung, Rückbau und die Lagerung?
Im Fall von Mühleberg sind es geschätzte 850 Millionen Franken für die Nachbetriebsphase und den Rückbau. Dazu rechnet der Betreiber BKW mit 1,285 Milliarden Franken für die Entsorgung und Endlagerung – gesamthaft sind es also über zwei Milliarden Franken. Fast die Hälfte der Summe fehlt – Stand 2015 – noch bei den Rückstellungen. Ob die BKW das Geld für die Gesamtkosten je auftreiben kann, ist umstritten. Auch, weil sich aufgrund des tiefen Zinsumfelds das zurückgelegte Kapital nur schwach vermehrt.
Derzeit wird an einer aktuellen Kostenschätzung gearbeitet für sämtliche fünf Schweizer AKW. 2011 ging man von 20,65 Milliarden Franken Totalkosten aus. Über die Hälfte der Summe müssen die Kraftwerkbetreiber noch einschiessen. Die neue Kostenprognose wird nächstes Jahr veröffentlicht. Es wird mit einem Anstieg gerechnet.
Völlig unklar ist, ob diese Summe letztlich reicht. Gerade die Endlagerungskosten sind kaum kalkulierbar. Experten wie der Geologe Marcos Buser, der viele Jahre in der Kommission für nukleare Sicherheit sass, rechnet mit Entsorgungskosten von über 100 Milliarden Franken. Sollten die Gelder der Stromkonzerne nicht reichen, dürfte der Bund und damit der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Zwar sind per Gesetz die Betreiber verpflichtet, für die Kosten aufzukommen, aber eine Klausel erlaubt Bundeshilfen.