Wehe den Meckerern!

Zeitungen austragen ist ein harter Job – und schlecht bezahlt. Ein kleines Dankeschön zum Jahresende ist drum sehr willkommen.

Eine nasse Zeitung zum Zmorge? (Bild: Hans-Jörg Walter)

Zeitungen austragen ist ein harter Job – und schlecht bezahlt. Ein kleines Dankeschön zum Jahresende ist drum sehr willkommen.

Sieben Jahre lang trug ich Zeitungen aus, sechsmal die Woche, morgens um vier bis sechs Uhr, bei jedem Wetter. Der Lohn war klein, aber als alleinerziehende Mutter war ich unbedingt darauf angewiesen. Einen 13. gabs nicht, die Arbeit wurde im Stundenlohn vergütet, die Dauer einer Route war vom Arbeitgeber vorgegeben. Wer länger brauchte, war selber schuld. Zum Beispiel ältere Zeitungs­verträger, die nicht mehr ganz so gut zu Fuss waren. Aber ich war jung, flitzte von Haus zu Haus, um die bezahlte Zeit einhalten zu können. Doch wenn der Winter voll zuschlug und die Strassen und Trottoirs mit Schnee und Eis zudeckte, kamen auch die Fittesten kaum mehr voran.

So konnte es passieren, dass der eine oder an­dere Abonnent seine Zeitung nicht wie gewohnt um sechs, sondern erst um sieben Uhr im Briefkasten hatte. Aber nicht nur die Natur bescherte einem ­unliebsame Überraschungen, sondern auch plötzlich stillstehende Druckmaschinen oder Nacht­buben, welche die für die Verträger deponierten ­Zeitungsbündel in Brand steckten. Weniger über­raschend ­lagen anderntags die Reklamationen der Kundschaft beim Zeitungsdepot, schriftlich ­auf Zetteln festgehalten vom Personal in der Abo-Abteilung.

Schnell lernte ich: Es gibt – wie wohl in jeder Dienstleistungsbranche – solche und solche Kunden. Es gab Kunden, die mir gegen Ende Jahr jeweils ein Couvert in den Briefkasten legten, mit ­einem freundlich geschriebenen Dankeskärtchen und einem Nötli drin. So kam dann – halleluja – doch noch eine kleine Gratifikation zu Weihnachten zusammen. Und es gab Kunden auf meiner Route, wenn auch wenige, die sich einzig beim Rekla­mieren grosszügig zeigten.

An denen rächte ich mich.

Ich hatte verschiedene Varianten im Köcher, ­die liebste war mir die: Bei Regen die Zeitung dem nassen Gebüsch entlangstreichen, bevor sie weich und flutschig dem betreffenden Kunden in den Briefkasten gelegt wird. Aber auch schlecht gedruckte oder verschnittene Exemplare für so jemanden aufsparen, schafft Befriedigung. Oder, wenn zu wenig Zeitungen zum Depot geliefert wurden, dafür sorgen, dass sie exakt beim Haus von Herrn Ekel­zwerg ausgehen. Sorry, er hat halt Pech gehabt, richtet man dann in der Aboverwaltung aus.

Fazit der Geschichte: Sollten Sie auffällig oft eine nasse, zerfledderte Zeitung – oder gar keine – in ­Ihrem Briefkasten haben, greifen Sie nicht zum Telefonhörer. Das haben Sie doch schon so oft getan. Versuchen Sie es stattdessen mal mit einem freundlichen Dankeschön – dafür, dass tagtäglich jemand für wenig Entgelt bei Wind und Wetter Ihnen die Zeitung bringt, während Sie im warmen Bett dem Morgen entgegenschlummern.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

Nächster Artikel