Wenig ausgebildetes Personal in der Basler Kinderbetreuung

Gute Tagesbetreuung von Kindern hat ihren Preis. In diesem Punkt sind sich eigentlich alle einig. Doch darüber, wie gut sie sein soll und wieviel sie letztlich kosten darf, scheiden sich die Geister.

Tagesbetreuung von Kindern: Nicht nur die Quantität, auch die Qualität des Angebots sollte stimmen. (Bild: Eckehard Schulz/AP Photo)

Angesagt war eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zu Qualitätsmassstäben für familienergänzende Kinderbetreuung. Aber wie so oft, wenn Politikerinnen zusammensitzen, ging es zuletzt vornehmlich ums Geld. Die betroffenen Betreuungspersonen fordern derweilen in einer Petition bessere Arbeitsbedingungen.

«Kinder entdecken die Welt, angespornt durch ihre Neugier, aufmerksam begleitet durch uns.» Für Heidi Simoni, Leiterin des Marie Meierhofer-Instituts für das Kind, ist dieser Grundsatz so etwas wie ein Qualitätskriterium für gute ausserfamiliäre Kinderbetreuung. Gesagt hat sie diesen Satz an einer Informations- und Diskussionsveranstaltung der Abteilung Jugend- und Familienförderung im Basler Erziehungsdepartement und des Centrums für Familienwissenschaften im Basler Ackermannshof. Thema der Veranstaltung: «Kinderbetreuung – zu welchem Preis».

Das Thema spricht viele Menschen an, wie sich am Publikumsaufmarsch ablesen liess. Das mag zum Teil daran liegen, dass die Kinderbetreuung mit der Familieninitiative der SVP aktuell ganz oben auf der politischen Traktandenliste steht. Viele der Anwesenden waren indes Fachpersonen, denen der SVP-Vorstoss weniger am Herzen lag und die sich vielmehr für den Preis der Kinderbetreuung nicht nur im finanziellen, sondern auch im übertragenen Sinn, wie die Basler Familienbeauftragte Karin Haeberli eingangs differenzierte, interessierten.

Kindswohl – ein dehnbarer Begriff

Das Kindswohl liege allen am Herzen, bemerkte Heidi Simoni in ihrem Referat, betonte aber gleichzeitig, dass dieser Begriff sehr dehnbar sei und allzu oft willkürlich benutzt werde. Sie vertritt die Auffassung, dass nur qualitativ wirklich gute Kinderbetreuung für alle Kinder von Nutzen sei. Qualitativ mangelhafte Betreuung aber bedeute für Kinder aus problematischen Familienverhältnissen eine vertane Chance. «Qualitativ gute Kinderbetreuung ist eine Investition in das Humanvermögen unserer Gesellschaft», sagte sie.

Qualitativ gut ist für Simoni die ausserfamiliäre Kinderbetreuung dann, wenn sie die Anliegen von frühkindlicher Bildung, Betreuung  und Erziehung miteinander verbinden könne und den Kindern soziale Erfahrungen unter ihresgleichen ermögliche. Etwas pragmatischer und konkreter ausgedrückt hängt gute Kinderbetreuung für Simoni letztlich unter anderem von der Gruppengrösse in den Kindertagesstätten ab.

Vorbild Schweden?

Nationalrätin und Familienpolitikerin Jacqueline Fehr (SP) brachte das Vorbild Schweden zur Debatte. Während im Schweizer Durchschnitt 80% der Betreuungskosten von den Eltern selber bezahlt werden müssten, sei das Verhältnis im skandinavischen Land umgekehrt. Als erstrebenswertes Finanzierungsmodell, das den schnell nicht mehr subventionsberechtigten Mittelstand nicht allzu sehr belaste, propagierte Fehr die Plafonierung des von den Familien oder Alleinerziehenden selber zu tragenden Finanzierungsanteils bei einem Drittel der tatsächlichen Kosten.

Soweit die Theorie. Die Basler Praxis wurde dann in der Diskussion zum Thema. Auf dem Podium sassen die LDP-Grossrätin und Präsidentin des Vereins für Kinderbetreuung Patricia von Falkenstein, die Grossrätin Brigitta Gerber (Grünes Bündnis), die als Präsidentin der Petitionskommission mit mehreren Anliegen in Sachen Kinderbetreuung zu tun hat, die Direktorin des Arbeitgeberverbands und Präsidentin der verbandseigenen Kinderbetreuungsangebote (Profawo) Barbara Gutzwiller und der Bereichsleiter Jugend, Familie und Sport im Basler Erziehungsdepartement Hansjörg Lüking.

Basel in der Schweiz die Nase vorn

Die Diskussion bewegte sich mehr oder weniger entlang des gewohnten politischen Graben zwischen bürgerlichen (weniger Staat) und linken (mehr Staat) Standpunkten. Vorab konnte Lüking als Vertreter der Verwaltung feststellen, dass Basel-Stadt, der als einziger Schweizer Kanton die Tagesbetreuung als Verfassungsgarantie verankert hat, das Angebot in den letzten Jahren entsprechend stark ausgebaut hat, wegen des hohen Ausbaubedarfs aber noch mit einigen Baustellen zu kämpfen habe. Mit Schweden sei Basel aber nicht vergleichbar, der skandinavische Staat habe ein anderes Gesellschaftsmodell als die Schweiz es kenne.

Die drei Politikerinnen betonten zwar alle die Wichtigkeit eines umfassenden und qualitativ hochstehenden Tagesbetreuungsangebots, über den damit verbundenen oder erforderlichen Aufwand war man sich aber nicht einig. Das Qualitätskriterium aus Kindersicht, das Simoni zu Beginn des Abends so sehr hervorhob, blieb derweilen mehr oder weniger aussen vor. Michelle Cottier, Präsidentin des Centrums für Familienwissenschaften, bemerkte, dass die Diskussion die vordergründigen Bedürfnisse der Eltern in den Vordergrund drängte und dass es offensichtlich nicht einfach sei, pädagogische Ansätze in die Politik einzubringen.

Qualität mit Praktikantinnen und Praktikanten?

Zu denken gaben vielen der im Publikum anwesenden Fachpersonen die Aussagen der beiden bürgerlichen Betreuungsspezialistinnen, dass man sich in den Kindertagesstätten oder Tagesheimen, wie sie in Basel genannt werden, aus Kostengründen nicht so viele hochqualifizierte Betreuungspersonen leisten könne. Aus dem Publikum wurden solche Aussagen mit dem Einwand quittiert, dass das Personal in den Basler Tagesheimen fast zur Hälfte aus Praktikantinnen und Auszubildenden bestehe und man so eine hohe Qualität kaum garantieren könne.

Von der Fachstelle Tagesbetreuung im Basler Erziehungsdepartement kam dann die Bestätigung, dass rund 40% des Personals in den Tagesheimen keine oder keine abgeschlossene Ausbildung als Betreuer oder Betreuerin habe. Eine VPOD-Vertreterin im Publikum monierte, dass Praktikas von einem Jahr Dauer zu lange seien, was Patricia von Falkenstein (ihr Leitspruch lautet: «Politisiert erfolgreich als Mutter») zur Entgegnung veranlasste, dass man schliesslich nicht jeden ungeprüft auf die Kinder loslassen könne.

Petition für bessere Arbeitsbedingungen
Im Anschluss an die Veranstaltung im Ackermannshof war in den Gesprächen im Publikum schwer überhörbar, dass der Mangel an ausgebildeten Fachpersonen in nicht wenigen Tagesheimen als Problem empfunden wird. In einer vom Berufsverband Fachpersonen Betreuung und vom VPOD Region Basel lancierten Petition werden entsprechend bessere Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstätten gefordert.
Die Petition, die heute Mittwoch, 20. November eingereicht werden soll, kritisiert, dass wegen des rasanten Ausbaus der familienexternen Tagesbetreuung in Basel-Stadt die Qualität des Angebots und die Arbeitsbedingungen in der Kindertagesstätten (Kita) in Mitleidenschaft gerieten. Deshalb fordern die die Unterzeichnenden der Petition mehr ausgebildetes Personal, mehr Erholungszeit für die Kita-Mitarbeitenden und einen kantonalen Mindestlohn von 4500 Franken sowie einen 13. Monatslohn für alle ausgebildeten Kinderbetreuerinnen und -betreuer.

 

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