Wenn die Arche Noah Schiffbruch erleidet

Wenn die Farce ranzig schmeckt: Das Basler Schauspiel lässt Thornton Wilders Katastrophenfarce «Wir sind noch einmal davongekommen» in der Regie von Amélie Niermeyer zielstrebig auf Grund laufen.

«Ich hasse dieses Stück»: Mavie Hörbiger als Sabina wider Willen (Bild: Judith Schlosser)

«Wir sind noch einmal davongekommen»: Der Titel von Thornton Wilders Katastrophenfarce wird in der Inszenierung von Amélie Niermeyer im Basler Schauspielhaus nach zwei Stunden zum leidigen Leitsatz für die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Es gibt Abende, an denen man das Theater mehr oder weniger ratlos verlässt. Es sind nicht immer die schlechtesten, manchmal handelt es sich sogar um die ganz Guten, nämlich dann, wenn man gezwungen ist, lange nachzudenken. Ratlos entlässt einen auch die Premiere von Thornton Wilders «Wir sind noch einmal davongekommen» in die regnerische Nacht. Aber nicht immer ist Ratlosigkeit ein Gütesiegel.

Warum hat das Basler Schauspiel das (wohl zurecht) nicht mehr allzu oft gespielte Stück des dafür mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Autors auf den Spielplan gesetzt? Gewiss: Es geht darum, dass der Mensch trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Unvollkommenheit die widrigsten Katastrophen zu überleben vermag. Das hat – genau: Kapitalismuskrise, globaler Terrorismus und Klimawandel – durchaus einen aktuellen Bezug. Doch Wilder hat seine Farce des evolutionären Durchhaltens während des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Damals hatte die Überwindung von katastrophalen Ereignissen eine ganz andere Bedeutung.

«Ich hasse dieses Stück»

Aber warum auch nicht – zumal das Theater Basel Wilders Stück mit einem aktuellen Text von Kathrin Röggla ergänzen lässt! Und so beginnt der Abend eigentlich ganz vielversprechend. Er beginnt mit Mavie Hörbiger. Sie trägt einen wohlklingenden Namen, ist ausgesprochen gut aussehend, hat eine markante Bühnenpräsenz und viel Talent für das Komische. (Aber das alles weiss man ja bereits.)

Diese Mavie Hörbiger tritt in einem Zusammenzug aus Sprecher (aus Wilders Text) und dem Dienstmädchen und der Mätresse Sabina vor den Vorhang, der wie eine verblasste altertümliche Tapete aussieht, und erklärt, wo wir uns befinden und wem wir begegnen werden. Nämlich zu Beginn der Eiszeit in einem amerikanischen Mittelkasse-Kleinstadthaus in der Schweiz den in die Gegenwart versetzten Urfamilie des Alten Testaments .

Und es ist zu Beginn eine Freude ihr zuzusehen, wie sie vom Part des Sprechers in die Rolle der widerwillig gespielten Sabina schlüpft, die über die Teppichstapel auf der Bühne strauchelt und auf ihr Stichwort für den Auftritt ihrer ersten Dialogpartnerin Mrs. Antrobus in Stich gelassen wird, wie sie aus der Rolle heraustritt und dem Publikum verrät, dass sie sowieso kein einziges Wort verstehe, das sie zu sprechen habe, wie sie sagt. «Ich hasse dieses Stück, jedes einzelne Wort.»

Von Katastrophe zu Katastrophe hangeln

Leider muss man ihr bald schon recht geben. Denn nach diesem Prolog zerfleddert der Abend, der sich von der Eiszeit über die Sintflut (und den im Stück vorkommenden Weltkrieg quasi auslassend) zu den Katastrophen der Gegenwart hangelt, mehr und mehr. Und leider ziemlich stringent.Zwar lassen auch weitere Figuren, allen voran Christiane Roßbach und Andrea Bettini als Mrs. und Mr. Antropus durchaus ihr komisches Talent durchblicken (währenddessen Lorenz Nufer und Claudia Jahn als ihren Kindern und erst recht Agatha Wilewska, Florian Müller-Morungen und Barbara Lotzmann in kleinen Nebenrollen nicht viel mehr Raum bleibt, als sich tapfer durchzuschlagen). Ziemlich bald aber landen Schauspielerinnen und Schauspieler, die schlechte Schauspielerinnen und Schauspieler in einem schlechten Stück spielen, in der Sackgasse. Dann nämlich, wenn diese Brüche in der Darstellung in der immer hektischer werdenden Handlung verwischen.

Es ist ehrenhaft, wenn das Theater versucht, sich Themen der Zeit zu widmen. Es muss auch nicht immer ein neues Stück sein (manchmal ist es sogar besser, man greift auf einen bewährten Text zurück, wie die wenig gelungene deutschsprachige Erstaufführung von Dennis Kellys «Wenn die Götter weinen» zu Spielzeitbeginn beweist). Wilders «Wir sind noch einmal davongekommen» erweist sich aber nicht als sonderlich tauglicher Text – erst recht nicht in der hektisch oberflächlichen Inszenierung, die im Basler Schauspielhaus zu erleben ist.

 

«Wir sind noch einmal davongekommen»

Von Thornton Wilder

Regie: Amélie Niermeyer, Bühne: Stefanie Seitz, Kostüme: Kirsten Dephoff, Dramaturgie: Martin Wigger

Mit: Mavie Hörbiger, Christiane Roßbach, Andrea Bettini, Claudia Jahn, Lorenz Nufer, Barbara Lotzmann, Agata Wilewska, Florian Müller-Morungen

Weitere Vorstellungen: 31.01., 01.02., 02.02. (mit Einführung), 06.02. (16.00 h), 08.02. (mit Einführung und Publikumsgespräch), 12.02., 14.02., 15.02., 17.02.; jeweils 20.00 h (wenn nicht anders angegeben)

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