Sibylle von Heydebrand setzt sich als Freisinnige für Frauenförderung ein. Ein Gespräch über Quoten und Teilzeitarbeit von Männern.
Frau von Heydebrand, warum haben Sie FrauenBasel.ch gegründet?
Mit FrauenBasel.ch will ich die Vielfalt des Engagements von Frauen und Frauenorganisationen sichtbarer machen und sie bei Aufbau und Pflege ihrer Netzwerke unterstützen. Mit dem Neujahr-«Get Together» im Januar und dem Round Table der Präsidentinnen regionaler Frauenorganisationen im September biete ich ihnen einen Raum für Vernetzung und Auseinandersetzung mit aktuellen Frauenanliegen.
Wozu braucht es Frauennetzwerke?
Sie sind wichtig als Ergänzung zu gemischten Netzwerken. Sie bieten Solidarität und sind eine Anlaufstelle. Frauen können sich beispielsweise über ähnliche berufliche Hürden, aber auch über Erfolge austauschen und Vorbilder treffen. Dadurch können sie sich ihrer eigenen Chancen und Talente bewusster werden. Vorbilder können als Inspiration dienen und zeigen, was eine Frau erreichen kann. Frauennetzwerke mit ihrem vielfältigen Engagement sind nicht nur für Frauen wichtig, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag für die ganze Gesellschaft.
Denken Sie, dass sich Männer besser unter einander vernetzen als Frauen?
Ja, davon bin ich überzeugt. Auch Studien belegen dies. Schauen Sie sich die Service Clubs an. Davon gibt es weltweit fünf grosse: Die von Männern gegründeten Service Clubs, die Rotarier, der Lions Club und Kiwanis, sind sehr bekannt. Die in erster Linie Frauen vorbehaltenen Service Clubs, Zonta und Soroptimist, wurden wie die Männer-Clubs zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, sind aber viel weniger bekannt. Das finde ich schade. Das Engagement dieser Frauen möchte ich würdigen, ebensowie dasjenige weiterer Frauenorganisationen. FrauenBasel.ch vereint 29 namhafte Partnerorganisationen der Region Basel mit vielfältigen Zielen auf politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, karitativer und kirchlicher Ebene oder allgemein in Bildung und in Vernetzung.
«Ich würde es sehr begrüssen, wenn Quoten nicht nötig wären.»
Werden wir konkret: Besteht in Ihren Augen beim Thema «Teilzeitarbeit bei Männern» in der Schweiz Nachholbedarf?
Ich persönlich arbeite in der Berufs- und Weiterbildung, da ist Teilzeitarbeit sowohl für Frauen wie auch für Männer etabliert. Die Gesellschaft ist sich Teilzeitarbeit bei Männern aber immer noch nicht gewohnt. Dabei ist der Trend unmissverständlich: Viele Männer wollen Teilzeit arbeiten, viele zögern aber. Auch hier braucht es Vorbilder und Branchen mit Vorreiterrolle.
Lesen Sie mehr über Geschlechteridentität und Gleichberechtigung in unserem Dossier.
Wie stehen Sie zur Einführung einer Frauenquote für Führungspositionen im Kanton Basel-Stadt?
Am Neujahrs-«Get Together» von FrauenBasel.ch hat es Regierungsrätin Eva Herzog meiner Meinung nach richtig gesagt: «Die Quote ist kein Ziel, sondern Mittel zum Zweck.» Die Realität zeigt, dass Frauen auf der Karriereleiter auf mehr Hürden stossen als Männer – sonst wären sie schon oben angelangt und paritätisch vertreten. Es gibt verschiedene Mittel, um dies voranzutreiben, die Quote ist eines davon.
Aber kein Allheilmittel?
Ich persönlich bin keine glühende Befürworterin von Quoten. Ich würde es sehr begrüssen, wenn Quoten nicht nötig wären. Wenn Wirtschaft und Politik in Eigenverantwortung die beruflichen und politischen Entfaltungsmöglichkeiten so gestalten würden, dass sogenannte gläserne Decken, an die Frauen beim Erklimmen der Karriereleiter stossen, der Vergangenheit angehören würden. Leider ist oftmals das Bewusstsein dafür nicht da. In der Politik ist zudem zu beobachten, dass sich linke Parteien für eine bessere Vertretung der Frauen einsetzen, liberale und konservative Parteien dem Thema jedoch weniger Aufmerksamkeit schenken.
«Ursprünglich haben sich bürgerliche Frauen sehr aktiv für mehr Möglichkeiten im Erwerbsleben von Frauen eingesetzt.»
Warum setzen Sie als liberale Frau sich trotzdem für die Rechte der Frau in der Gesellschaft ein?
Ich setze mich für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Gesellschaft ein. Über 50 Prozent der Bevölkerung – also eine Mehrheit – sind Frauen. Nimmt man die Minderjährigen dazu, so sind 60 Prozent der Bevölkerung, also eine klare Mehrheit der Gesellschaft, von sogenannten Frauenfragen wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder der Lohngleichheit betroffen. Daraus ergibt sich, dass es sich eigentlich um gesellschaftliche Fragen handelt, nicht um reine Frauenfragen. Diese sogenannten Frauenfragen gehören daher meines Erachtens auf die Agenda jeder politischen Partei.
Doch bei bürgerlichen Parteien stehen sie eher unten auf der Agenda.
Das hindert mich persönlich nicht daran, als Liberale diesen für die gesellschaftliche Entwicklung bedeutenden Fragen Aufmerksamkeit zu schenken. Ursprünglich haben sich übrigens bürgerliche Frauen sehr aktiv für eine bessere Mädchenbildung und für mehr Möglichkeiten im Erwerbsleben von Frauen eingesetzt.
In Basel-Stadt wurde letztes Jahr an der Urne eine Frauenquote von 30 Prozent für die Verwaltungsräte von staatsnahen Betrieben beschlossen. Wie lange wird es dauern, den Volkswillen umzusetzen?
Ich freue mich über den Erfolg der Infoveranstaltung des Kantons Basel-Stadt zum Thema Verwaltungsrätinnen Anfang Januar. Es ist sehr wichtig, dass nicht nur die Frauen ihr Potenzial sichtbar machen, sondern dass auch die für die Vergabe der Verwaltungsratsmandate Verantwortlichen selber proaktiv kompetente Frauen suchen. Denn wer kompetente Frauen sucht, der findet sie auch. Das gilt übrigens auch für politische Gremien. Der Volkswille wird Eingang finden, wenn es zur Neubesetzung eines Verwaltungsratsmandats in den staatsnahen Betrieben kommt.
Welchen Preis zahlt eine Frau für eine Führungsposition?
Aufgaben in der Familie werden heute immer noch mehrheitlich von Frauen übernommen. Diese Sorgearbeit ist von grosser Bedeutung für die Gesellschaft. Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit führen zu einer Doppelbelastung. Eine Führungsposition erhöht diese Doppelbelastung von Frauen.
«Frauen sind bescheidener, was ihre Chancen schmälert, auf dem Radar der Personalverantwortlichen zu erscheinen.»
Da wären also die Partner dieser Frauen gefragt.
Im Idealfall sind zwei Menschen bereit, sich die Sorgearbeit zu teilen und sich gemeinsam um Kinder, Haushalt und Erwerbseinkommen zu kümmern. Gerade bei einer wissenschaftlichen Karriere oder bei einer Führungsposition ist dies vom Zeitmanagement her sehr anspruchsvoll. Aus meiner Sicht ist das gesellschaftliche Rollenverständnis von Frau und Mann das Kernproblem in der ganzen Debatte: Wir denken immer noch viel zu oft in Stereotypen. Hier ist ein Wandel gefordert. Exemplarisch dafür ist die Situation in der Orchestermusik: Eine Studie der Universitäten Harvard und Princeton hat belegt, dass das Vorspiel hinter einem Vorhang die Chancen für Frauen bei der Besetzung einer Stelle um 50 Prozent erhöht. In der Finalrunde obsiegen gar 300 Prozent mehr Frauen.
Was schliessen Sie daraus?
Es braucht beides: Kreative Lösungen auch jenseits der Quote und Eigenverantwortung der Frauen, ihre Ausgangslage zu optimieren. Wenn Frauen ihre Fähigkeiten öfter positiv darstellen, erhöhen sie ihre Sichtbarkeit in der Berufswelt. Viele Frauen sind sich, im Gegensatz zu Männern, einfach nicht gewohnt, sich zu präsentieren. Frauen sind bescheidener, was nicht per se negativ ist, aber ihre Chancen schmälert, auf dem Radar der Personalverantwortlichen zu erscheinen. Wenn wir auf Ihre Frage nach dem Preis zurückkommen. Eine Frau bezahlt den gleichen Preis für einen Platz in der Führungsetage wie ein Mann, vorausgesetzt, Mann und Frau teilen sich die Sorgearbeit zu Hause. Der Preis erhöht sich, wenn der Frau das Erreichen der Führungsposition mit gläsernen Decken erschwert wird.
Sie haben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen. Denken Sie, dass die Schweiz hier einen grösseren Nachholbedarf hat als andere Länder?
In der Schweiz braucht alles seine Zeit. So hat die Schweiz 60 Jahre gebraucht hat, um die Mutterschaftsversicherung einzuführen. Der Verfassungsauftrag zur Absicherung der Frauen bei Mutterschaft bestand seit 1945. Erst seit 2005 haben Arbeitnehmerinnen und selbstständig erwerbende Frauen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung. Offenbar war jahrzehntelang einfach keine Lobby da, um dieses Anliegen voranzutreiben. Zudem ist mir wichtig, dass auch faktisch eine Vielfalt von Möglichkeiten besteht, wie Familien- und Berufsleben koordiniert werden können.
Das heisst?
Gesellschaftliche Stereotypen sollten zugunsten einer gleichberechtigten Rolle von Frauen und Männern in den Hintergrund treten. Lösungsansätze sind etwa die bessere Akzeptanz von Teilzeitarbeit bei Männern, Lohngleichheit und generell alle Massnahmen, die eine Begegnung auf Augenhöhe fördern.
Der TagesWoche-Anlass zum Thema: Mittwoch, 11. Februar, 19 Uhr. Mehr Infos sind nur einen Klick aufs Bild entfernt.