Wie Al Capone unseren roten Flitzer kaufen wollte

Das Leder im roten Alfa Romeo ist so echt wie die Verkaufsabsicht unserer Autorin, nur der Interessent ist halbseiden: Herr A. aus Monaco muss Schwarzgeld loswerden und möchte das Auto für seine Frau poschten.

(Bild: Franca Hänzi)

Das Leder im roten Alfa Romeo ist so echt wie die Verkaufsabsicht unserer Autorin, nur der Interessent ist halbseiden: Herr A. aus Monaco muss Schwarzgeld loswerden und möchte das Auto für seine Frau poschten.

In unserer Garage steht ein hübsches Wägelchen, rot mit schwarzem Leder, ein Oldtimer-Cabriolet. Eine Rarität, schön anzuschauen, aber leider ohne weitere Verwendung. Wir wollen uns davon trennen.

Es liegt keineswegs daran, dass das Auto so unglaublich viel gekostet hat, aber nicht einmal über ein Dach verfügt, wie meine Schwiegermutter einst ernsthaft konstatierte. Nein, wir fahren nun mal nicht damit und möchten es auch nicht länger rumstehen haben. So inserieren wir auf dem Internet. Es melden sich zahlreiche Interessenten.

Herr A. aus Monaco ruft gleich mehrmals an. Er müsse das Auto unbedingt haben, ein Geschenk für seine Frau. Er sei geschäftlich dauernd auf Achse, könne uns aber morgen treffen. Es ginge um die Zahlungsmodalitäten. Wir verabreden uns Punkt 12 Uhr in einer knapp zwei Autobahnstunden entfernten Stadt. Dort erwartet uns Herr A. vor einem Restaurant, mittleres Alter, Sonnenbrille, dunkler Anzug.

Diamanten, Immobilien, Gold

Er bittet, ganz Mann von Welt, um einen Tisch mit entsprechendem Diskretionsabstand zu den anderen Gästen, bestellt Meeresfrüchte und Wein, wedelt mit der Hand um das Servicepersonal zum Tisch zu bestellen oder zu entfernen und hat nach zwei Miesmuscheln bereits genug gegessen. Wir knabbern derweil an einem trockenen Salat und lauschen den Geschichten, die nicht aus unserem bieder-bünzligen Schweizer Alltag stammen, sondern dem glamourösen Leben eines mediterranen Fürstentums entspringen.

Herr A. handelt mit Diamanten, Uhren, Immobilien und Gold. Vor allem Gold. Er müsse ausserdem aus einem Firmenverkauf Schwarzgeld loswerden. Das Auto braucht seine Frau, es eigne sich ganz vorzüglich für Ausflüge von Monaco nach Cannes. Ich sehe Frau A. in Gedanken im roten Wägelchen sitzen. An ihren Ohrläppchen hängt schwerer Schmuck, der unter dem seidenen Gucci-Tuch, das sie sich nach Art von Grace Kelly um den Kopf und den Hals geschlungen hat, hervorblitzt. Eine grosse Sonnenbrille verdeckt die Hälfte ihres makellosen Gesichts.

Al Capone möchte auch unser Haus kaufen, er leiste eine sofortige Anzahlung von 100’000 Euro.

Herr A. – wir nennen ihn in der Zwischenzeit Al Capone, und ob es seine Frau wirklich gibt, bezweifeln wir gedanklich schon längst – schwadroniert weiter von seinen Goldgeschäften, und ob wir denn noch mehr zu verkaufen hätten. Zum Beispiel ein Haus. Tja, wenn wir schon den grossen Deal machen, wieso nicht auch unser Haus verklinkern? Wunderbar. Al Capone möchte auch das Haus kaufen, gerade so, ungesehen. Er leiste eine sofortige Anzahlung von 100’000 Euro.

Wir brauchen einen Kaffee. Ein Schnaps wäre auch angebracht, aber wir wissen nicht, ob es noch dicker kommt, und es ist ja erst kurz nach Mittag. Herr Capone bezahlt mit einer grösseren Banknote und gibt der Serviertochter, die er während einer Stunde mit herablassender Verachtung bestraft hat, ein sehr grosszügiges Trinkgeld. Die junge Frau stolpert beinahe über ihren Kollegen und stammelt «merci, merci, merci, très, très généreux». Ihr Gesicht spricht Bände.

Nur noch eine kleine Hürde

Wir verabschieden uns im beruhigenden Wissen: Al Capone aus Monaco kauft alles, Auto, unser Zuhause, Gold, das wir nicht haben. Es wird sich vielleicht noch anderes finden, und es ist ein unbeschreiblich gutes Gefühl, innert weniger Stunden so viel Ballast loszuwerden. Wir reisen zurück in unser Haus, das schon fast nicht mehr unseres ist, und harren der Dinge, die da kommen. Noch am selben Abend erreicht uns der Anruf, dass die Anzahlung sofort überwiesen werden kann, wie es denn jetzt mit dem Gold aussehe. Kein Gold? Okay, dann Auto und Haus.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass nun doch noch eine kleine Hürde zu nehmen sei, denn sein Geschäftspartner brauche in Zusammenhang mit diesem Deal eine Provision. Konkret heisst das, Auto und Haus würden in Schweizer Franken bezahlt. Wir müssten Herrn Capone zur Bank begleiten und uns den Betrag in Euro wechseln lassen. Sein Geschäftspartner nähme dort die Provision in Empfang.

Es kommt mir in diesem Moment in den Sinn, dass die schöne monegassische Fürstin in ihrem Sportauto kein gutes Ende nahm. Herr Capone versichert uns, dass wir alle ungemein von diesem Geschäft profitieren werden. Da sind wir froh. Wir werden nämlich nicht gerne übers Ohr gehauen.
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Der Oldtimer ist übrigens noch nicht vergeben. Seriöse Angebote werden in der Kommentarspalte gerne entgegengenommen.

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